Die Prüfer von Ernst & Young (EY) wollen nun doch im Wirecard-Untersuchungsausschuss des Bundestages aussagen. Ob das allerdings noch im Dezember 2020 geschehen wird, gilt als eher unwahrscheinlich. Nachdem bereits der von 2002 bis Juni 2020 als CEO des Unternehmens amtierende Markus Braun die Mitglieder des Gremiums durch sein hartnäckiges Schweigen in Wut versetzt hatte, verweigerten auch zwei weitere EY-Mitarbeiter in der Sitzung am 26. November die Aussage. Als Grund gaben sie an, sie seien nicht rechtskräftig von ihrer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht entbunden gewesen. Damit provozierten sie einen Konflikt mit dem Gremium des Bundestages. Weil sie sich nicht konkret zu dem Fall einlassen wollten, wurden sie mit einem Bußgeld von jeweils 1.000 Euro belegt. Beide haben dagegen Beschwerde bei dem für Untersuchungsausschüsse zuständigen Bundesgerichtshof (BGH) eingelegt. Dort soll jetzt schnell ein letztinstanzliches Urteil zur aktuellen Verschwiegenheitspflicht gesprochen werden.
Das Handelsblatt kommentierte Ende November den Vorgang wie folgt: „In der Causa Wirecard wird es für die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY eng. Bisher waren es nur Vermutungen, dass die Abschlussprüfer beim Bilanztestat Fehler begangen haben. Nun aber erhärtet sich der Verdacht. Die Prüfer-Aufsichtsbehörde Apas sieht Straftatbestände bei der Abschlussprüfung von Wirecard. EY droht nun ein Ermittlungsverfahren. Dazu kommen Details, die der Wirecard-Untersuchungsausschuss des Bundestages in seiner letzten Sitzung offengelegt hat.“ (Handelsblatt vom 29. November 2020)
Alexander Geschonneck, Compliance-Chef der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG und verantwortlich für ein von KPMG erstelltes Sondergutachten zu den Wirecard-Bilanzen, sagte im Unterschied zu seinen EY-Kollegen vor dem Untersuchungsausschuss aus. Danach hatte EY nicht ausreichend genug geprüft, vor allem mit Blick auf die Treuhandkonten Wirecards in Asien. „Man habe keine ausreichenden Prüfungsnachweise für die Konten von Wirecard vorgefunden, sagt er, was wie ein Tritt in Richtung EY wirkte“, so das Handelsblatt vom 27. November. Die Zeitung fährt fort: „Für EY wird es nun allerdings immer gefährlicher. Die Vorwürfe häufen sich, werden konkreter – und die Firma schweigt weiter dazu. Für die mehr als 11.000 deutschen Mitarbeiter, die nichts mit dem Fall Wirecard zu tun haben, ist diese Situation unerträglich, denn ihr Arbeitgeber verliert an Image.“ (ebd.)
Die grundsätzliche Rolle der Wirtschaftsprüfer-Gesellschaften reflektiert ein Artikel der jungen Welt vom 15. Juli 2020. Danach gehören EY als auch KPMG zu den „Big Four“, die die Branche der Wirtschaftsprüfer weltweit dominieren. Wie eine Studie der Brüsseler NGO „Corporate Europe Observatory“ (CEO) vom Sommer 2018 gezeigt hätte, würden die „großen Vier“ auch von öffentlichen Aufträgen der EU-Kommission sowie der EU-Mitgliedstaaten profitieren. Besonders anrüchig sei, dass die Konzerne bei der Steuergesetzgebung mitwirken würden – so zum Beispiel bei der Formulierung grenzüberschreitender Steuergesetze. Vor allem würde EY gerne mit seiner Expertise beim Thema Steuervermeidung werben.
Die Macht dieses Oligopols und zahlreiche Skandale unter Beteiligung dieser Gesellschaften würden es nahelegen, dass es dringend einer strikten Regulierung und klarer Grenzen für die Wirtschaftsprüfung bedürfe, so die junge Welt. „ Doch solange die ‚Big Four‘ regelmäßig direkte Aufträge von den EU-Institutionen und den nationalen Regierungen erhalten“, schlussfolgert die linke Tageszeitung, „müssen sich die Berater und jene, die sich von ihrer Beratung Profite erhoffen, kaum Sorgen machen“. (junge Welt vom 15. Juli 2020)
Quellen:
Bert Fröndhoff: „EY-Prüfer ziehen nach Eklat im Wirecard-Ausschuss vor den BGH“, Handelsblatt vom 1. Dezember 2020
ders.: „Für EY wird das Schweigen im Fall Wirecard immer gefährlicher“, Handelsblatt vom 29. November 2020
Steffen Stierle: „Komplizen der Macht“, junge Welt vom 15. Juli 2020
Allgemeine Informationen zu Wirecard unter: