Knast für Krisengewinnerin
Während der Coronapandemie hoben Pharmakonzerne die Preise für ihre Impfstoffe zum Teil drastisch an und strichen enorme Gewinne ein. Hersteller und Labore wiederum profitierten jahrelang davon, dass Ärztevertreter und Krankenkassen viel zu hohe Preise für Coronatests vereinbarten. Milliardensummen wurden so verschwendet. Aber auch Politiker sowie Personen aus deren Umfeld kassierten – letztlich auf Kosten der Steuerzahler – kräftig ab, zum Beispiel durch Maskendeals über CSU-Kanäle. So verdiente auch die Unternehmerin Andrea Tandler, Tochter des früheren CSU-Politikers Gerold Tandler, mit Maskengeschäften unfassbar viel Geld – 48,4 Millionen Euro an Vermittlungsprovisionen. Am 15. Dezember 2023 verurteilte das Landgericht München I sie nun wegen Steuerhinterziehung zu vier Jahren und fünf Monaten Haft.
Die junge Welt schreibt dazu:
„Gleich zu Beginn der Pandemie, im März 2020, hatte Tandler, Geschäftsführerin einer Unternehmensberatung, ihre guten Kontakte zu Politik und Verwaltung genutzt, um einen Deal mit der Schweizer Firma Emix Trading einzufädeln. Als Türöffnerin zur Politik soll ihr dabei die Strauß-Tochter und CSU-Europaabgeordnete Monika Hohlmeier geholfen haben, die selbst angeblich nicht finanziell profitierte. Emix verkaufte Masken und Schutzkleidung an diverse Ministerien im Wert von mehr als 700 Millionen Euro, teils zu horrenden Preisen, zum Beispiel 8,90 Euro für eine FFP2-Maske. Tandler, ihr Partner Darius N. sowie eine dritte Person kassierten dafür 48 Millionen Euro Provision.
Verurteilt wurden Tandler und Darius N. allerdings nicht wegen dieser Deals, da diese zwar moralisch fragwürdig, aber juristisch nicht angreifbar waren. Vor Gericht landeten die beiden, weil sie den Hals nicht vollkriegen konnten und die Provisionen nicht korrekt versteuerten. Das Duo gründete ein Unternehmen, um die Millionenprovisionen nachträglich als GmbH zu versteuern. Diese meldeten sie in der Steueroase Grünwald an, obwohl sich der Firmensitz faktisch in München befand. Staatsanwaltschaft und Gericht werteten das als Gewerbesteuerhinterziehung. Den insgesamt entstandenen wirtschaftlichen Schaden bezifferte die Staatsanwaltschaft zum Ende des Verfahrens auf insgesamt 7,8 Millionen Euro.“
Das Neue Deutschland meint ergänzend:
„In der Corona-Maskenaffäre haben die Angeklagte und ihr Geschäftspartner zu Beginn der Corona-Pandemie im Jahr 2020 von der Bundesregierung sowie aus Bayern und Nordrhein-Westfalen Lieferverträge über 200 Millionen Masken mit Provisionszahlungen von mehr als 48 Millionen Euro erhalten und diese dem Finanzamt verschwiegen. Mit 9,90 Euro waren es die teuersten Masken, die in der Coronakrise von den Regierungen gekauft wurden – von einer Schweizer Klitsche, die bis dahin völlig unbekannt war und beim Bund wundersamerweise sämtliche anderen Bieter ausstechen konnte. (…)
Verurteilt ist nun eine, doch hinter Tandler steht ein ganzer Clan von Unionspolitikern und ihren Angehörigen. Die Maskenfrau ist Tochter des früheren CSU-Generalsekretärs Gerold Tandler. Für die Anbahnung ihrer Geschäfte telefonierte sie mit dem damaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und der bayerischen Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU). Dabei half ihre Freundin Monika Hohlmeier, eine Tochter von Franz Josef Strauß (CSU).
‚We are millionaires‘, soll Tandler in internen Chats gejubelt haben und Bilder von hochwertigem Champagner gepostet haben. Das Geld legten die Angeklagten in Luxusvillen und Goldbarren an. Gereicht hat es Tandler nicht, denn die Politiker-Tochter soll sogar noch Corona-Hilfen vom Bund beantragt haben. Diese hat Tandler zurückgezahlt, auf dem abgezweigten Steuervermögen will die Clankriminelle indes sitzen bleiben.“
Die taz geht diesbezüglich auch auf den Vater der Verurteilten ein:
„Andrea Tandler ist eine Tochter des früheren CSU-Politikers und Strauß-Intimus Gerold Tandler. Innenminister war er, Wirtschafts- und Finanzminister, auch CSU-Generalsekretär. Noch heute ist Tandler ein klingender Name in Bayern. Und das, obwohl seine aktive Zeit schon mehr als 30 Jahre zurückliegt.
Und das wiederum hat mit der unrühmlichen Rolle zu tun, die der Politiker in der Affäre um den ‚Bäderkönig‘ Eduard Zwick spielte. Um Steuerhinterziehung ging es auch da. Ermittlungen gegen Tandler selbst wurden schließlich gegen Zahlung von 150.000 Mark eingestellt. Später bürgerte sich für diesen Typus CSU-Politiker die Bezeichnung Amigo ein.“
Die Süddeutsche Zeitung (SZ) thematisiert die Bedeutung der Gewerbesteueroasen, für den Fall Tandler und darüber hinaus:
„Einer der Kernvorwürfe lautet: Steuerhinterziehung mit einem Firmensitz in der Gewerbesteueroase Grünwald. Das ist alles gut dokumentiert und führt zu höchst unangenehmen Fragen an den Fiskus und die Justiz: Warum ist in Sachen Gewerbesteuer eigentlich nur Andrea Tandler angeklagt?“ (SZ vom 13. Dezember 2023)
In Grünwald und anderen Steueroasen hätten sich Hunderte, wenn nicht Tausende Firmen in sogenannten virtuellen Büros niedergelassen, um in den Genuss niedriger Gewerbesteuern zu kommen. Würden Finanzämter, Steuerfahndung und Staatsanwaltschaften bei anderen Firmen dieselben Maßstäbe anlegen wie bei Tandler, müsste es zahlreiche Ermittlungsverfahren, Anklagen und Prozesse geben. Doch dafür fehle dem Fiskus manchmal der Wille und oftmals auch das Personal. Hinzu komme eine Gesetzeslage, die den Steueroasen und deren Klienten diene: „Bayerns Regierung und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) tun nichts, um das zu ändern.“ (ebd.)
In einem weiteren Artikel in der SZ führt Autor Klaus Ott aus:
„Andrea Tandler hat zusammen mit einem Partner im Frühjahr 2020, als die Maskendeals in Gang kamen, ein Miniaturbüro in Grünwald gemietet. In dem Münchner Vorort gibt es fast 8000 Firmen, bei gut 11000 Einwohnern. (…) Viele, wenn nicht gar die meisten Firmen kommen von außerhalb, weil die Gewerbesteuer so niedrig ist. Durch solche Oasen gehen den Gemeinden und Städten, in denen die betreffenden Unternehmen eigentlich ansässig sind, nach einer Schätzung des Netzwerks Steuergerechtigkeit jährlich rund eine Milliarde Euro verloren. Die Tandler-Firma Little Penguin (Zwergpinguin) war in einem 15 Quadratmeter großen Büro ansässig, zusammen mit 26 weiteren Firmen. Das macht 0,55 Quadratmeter pro Firma. Würde ein Zwergpinguin unter solchen Umständen gehalten werden, dann würden die Behörden wegen massiver Verstöße gegen den Tierschutz einschreiten.“
(vgl. auch die BIG-„Nachricht“ vom 8. Februar 2023 zum Fall Tandler)
Quellen:
Kristian Stemmler: „Den Hals nicht voll bekommen“, junge Welt (Online) vom 16. Dezember 2023
https://www.jungewelt.de/artikel/465355.maskendeal-den-hals-nicht-voll-bekommen.html
Matthias Monroy: „Andrea Tandler: Clankriminelle“, Neues Deutschland (Online) vom 15. Dezember 2023
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1176728.steuerhinterziehung-andrea-tandler-clankriminelle.html
Dominik Baur: „Knast für Tochter von CSU-Granden“, taz (Online) vom 15. Dezember 2023
https://taz.de/Geschaeft-mit-Corona-Masken-in-Bayern/!5980467&s/
Klaus Ott: „Tandler muss büßen, andere nicht“, SZ vom 13. Dezember 2023
ders.: „Ein blinder Fleck mitten im Wald“, SZ vom 13. Dezember 2023