Stiftung Familienunternehmen – das Netzwerk der Superreichen in Deutschland
Greenpeace und das NDR-Magazin Panorama stellten im September 2025 die Ergebnisse ihrer Recherchen zur umstrittenen Lobbyorganisation „Stiftung Familienunternehmen“ vor.
Laut Greenpeace ist der Name der Stiftung geschickt gewählt:
„(…) er klingt nach Mittelstand, nach Tradition, nach über Generationen geführten kleinen oder mittelgroßen Betrieben. In Wahrheit aber steht die Stiftung für ein elitäres Netzwerk, das vor allem die Interessen der Reichsten vertritt. Hinter verschlossenen Türen nutzen sie ihre Macht, um politische Entscheidungen in Berlin und Brüssel im Sinne ihrer Konzerne zu beeinflussen – auf Kosten von Klimaschutz und Steuergerechtigkeit. Wer dazugehört, zählte bislang zu den am strengsten gehüteten Geheimnissen der Stiftung und ihres politischen Ablegers, der ‚Stiftung Familienunternehmen und Politik‘.“
Nach intensiven Recherchen kann Greenpeace mindestens 258 Familien und Konzerne dem Netzwerk der Stiftung zuordnen. Darunter Weltkonzerne wie BMW, Bosch, Henkel, Deichmann oder die Schwarz-Gruppe (Lidl und Kaufland) – anders als der Stiftungsname vermuten lässt. „Besonders brisant, wenn auch kaum verwunderlich: Fast 90 Prozent der identifizierten Unternehmen stammen aus besonders klimakritischen Wirtschaftszweigen, darunter Chemie, Automobilbau, Lebensmitteleinzelhandel oder dem Transportwesen.“
Für die Umweltschutzorganisation blockiert die „Stiftung Familienunternehmen“ den gesellschaftlichen und ökologischen Fortschritt in Deutschland und hat unter anderem mit dafür gesorgt, dass Milliardäre seit Jahrzehnten keine Vermögensteuer mehr zahlen müssen.
Die wichtigsten Daten der Greenpeace-Recherche:
- Greenpeace hat 258 Unternehmen und Familiendynastien im SFU/SFUP*-Netzwerk identifiziert
- 82 Familien gehören zur Milliardärsriege – darunter die drei reichsten deutschen Clans Schwarz, Quandt/Klatten und Merck mit zusammen über 110 Milliarden Euro Vermögen
- 37 der dem SFU-Netzwerk zugeordneten Familien gehören zu den 100 reichsten Deutschen
- Fast 90 Prozent der Unternehmen stammen laut Greenpeace-Berechnung aus besonders klimaschädlichen Wirtschaftszweigen
- 6,2 Mio. Euro wurden für Lobbyarbeit in Deutschland ausgegeben (2022–2024)
* Anm.: SFU (Stiftung Familienunternehmen), SFUP (Stiftung Familienunternehmen und Politik)
Greenpeace zur Lobbyarbeit der Stiftung:
– „Exklusive Events: Beim jährlichen ‚Tag des Familienunternehmens‘ im Berliner Hotel Adlon treffen sich Milliardäre:innen und Konzernbosse mit Spitzenpolitiker:innen – zuletzt auch mit hochrangigen Vertreter:innen von Kanzleramt, Wirtschafts- und Finanzministerium.“
– „Zweifelhafte Auftragsstudien: Mit Studien, die einseitige Methoden und eine selektive Datenauswahl nutzen, versucht sie zu politisch motivierten Ergebnissen zu gelangen.“
– „Gezielte Diskurslenkung: Durch alarmistische PR-Kampagnen wie dem ‚SOS Wirtschaftswarntag‘ werden Ängste vor einem Niedergang der Wirtschaft geschürt, um z.B. die Senkung von Unternehmenssteuern durchzudrücken. Damit lassen sich nämlich die effektiven Steuersätze der Superreichen effektiv senken.“
– „Gezieltes Framing: mit dem Begriff ‚Familienunternehmen‘ verschleiert die elitäre Ausrichtung der Stiftung.“
– „Medienpartnerschaften und Journalistenschulen: Nachwuchsreporter:innen werden adressiert und für die Belange von Familienunternehmen ‚sensibilisiert‘. Gegen unliebsame Medienberichte Druck ausgeübt, sodass beispielsweise das ZDF den auf Youtube platzierten Film ‚Steuerparadies Deutschland? So viel kosten uns die Reichen‘ offline nahm.“
Die Stiftung blockiert bei den Themen Steuern und Klima:
„Schon 2009 drängte sie eine Reform der Erbschaftsteuer durch, die es Milliardärsfamilien ermöglicht, riesige Betriebsvermögen nahezu steuerfrei weiterzugeben. (…) Heute geht die Organisation noch weiter: Im offiziellen Lobbyregister führt sie sogar die vollständige Abschaffung der Erbschaftsteuer als Ziel auf. Parallel bekämpft sie die Wiedereinführung einer Vermögensteuer, die Milliardärsfamilien stärker in die Pflicht nehmen würde. (…) Auch beim Klimaschutz stellt sich die Stiftung quer. Sie lobbyiert gegen zentrale Klima- und Umweltschutzauflagen und entsprechende Berichtspflichten für große Unternehmen wie z. B. das Lieferkettengesetz.“
Laut Reportage von Panorama (NDR), das auch Greenpeace-Dokumente auswerten konnte, hat die Stiftung keine Mitglieder im formalen Sinn, hingegen Förderer, deren Namen sie unter Verschluss hält. Die NDR-Journalisten fanden heraus, dass lediglich zwei Firmen auf dieser Liste kleine und mittlere Unternehmen sind, das heißt Firmen mit einem Jahresumsatz von unter 50 Millionen Euro. „Demnach“, so Panorama, „sind 98,4 Prozent der recherchierten Förderer Großunternehmen, also Firmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 50 Millionen Euro. Nur 1,6 Prozent fallen in die Kategorie kleiner oder mittlerer Betriebe“.
Zum Thema „Etikettenschwindel“ äußert sich Panorama weiter:
„Der ‚Stiftung Familienunternehmen‘ und ihrer Schwesterorganisation wird seit Jahren vorgeworfen, in erster Linie die Interessen von Superreichen und Konzernen zu vertreten ‒ und dabei vom mittelständischen Image von Familienunternehmen zu profitieren, die oft mit kleinen und regional verwurzelten Betrieben assoziiert werden. NGOs wie Finanzwende, Lobbycontrol und das Netzwerk Steuergerechtigkeit äußerten diesen Vorwurf bereits früher, ohne jedoch die hier recherchierten Namen zu kennen.“
Greenpeace fordert als Alternative eine ökologische Milliardärssteuer:
„Eine Steuer von 2 Prozent auf hohe Vermögen ab 100 Millionen Euro würde Einnahmen von bis zu 200 Milliarden Euro bis 2030 erzielen. Geld, das wir dringend für den Klimaschutz und eine gerechte Zukunft brauchen. Sie würde weniger als 5.000 Haushalte in Deutschland betreffen, aber jährlich Milliarden in die Staatskassen bringen – Mittel, die dringend benötigt werden, um Klimaschutz, Bildung und soziale Gerechtigkeit zu finanzieren.
Wir fordern Bundesfinanzminister Lars Klingbeil von der SPD auf, eine Milliardärssteuer zur Finanzierung von Klimaschutz einzuführen – und zwar gemeinsam mit einem starken Bündnis:
Oxfam, tax me now – Initiative für Steuergerechtigkeit e.V., Forum ökologisch-soziale Marktwirtschaft, AWO, Netzwerk Steuergerechtigkeitm Attac, Ungleichheit.info, Germanwatch, Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung e.V., Initiative BGE Rhein-Main, Care-Revolution Rhein-Main, Gemeinwohlökonomie, Arbeitsgemeinschaft des Saarlandes, 350.org, Gemeingut in BürgerInnenhand, Klima-Allianz, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft.“
Quellen:
Michelle Bayona: „Stiftung Familienunternehmen: das geheime Netzwerk der Superreichen“. Eine Recherche von Greenpeace vom 25. September 2025
https://www.greenpeace.de/klimaschutz/finanzwende/sfu-recherche
Eine ausführliche Darstellung in:
„Der Club der Superreichen. Das geheime Netzwerk der Stiftung Familienunternehmen und wie sie gegen Klimaschutz und Steuergerechtigkeit agiert“. Eine investigative Recherche von Greenpeace Autor:innen Katharina Heider, Bastian Neuwirth und Mauricio Vargas, Hamburg, September 2025 (36 Seiten)
https://www.greenpeace.de/publikationen/Recherche_Stiftung_Familienunternehmen.pdf
Sebastian Friedrich/Timo Robben/Kevin Gensheimer/Carlotta Smok: „Stiftung Familienunternehmen: Lobby für Superreiche?“, Panorama (NDR) vom 25. September 2025

