Sehr geehrte Gastgeber, sehr geehrte Gäste dieser Hauptversammlung,
im Dachverband der Kritischen Aktionäre spreche ich hier für die Initiative Ordensleute für den Frieden (IOF). Mit weniger als zwei Tagen Vorlauf haben Sie, Herr Achleitner, für den 9. Mai 2018 die entscheidende Sitzung des Aufsichtsrats mit seinen dreizehn Herrn und sieben Damen einberufen. Den meisten in aller Welt befindlichen Mitgliedern hat die Zeit für die Anreise gefehlt, sodass die wenigen Anwesenden in Ihrem Büro genug Platz gehabt haben. Gleich zu Beginn erklärten Sie per zugeschalteter Telefonkonferenz und vorbereiteter Pressemitteilung, warum die Bank so rasch einen Wechsel im Vorstand braucht: Der dritte Jahresverlust in Folge, der Aktienkurs halbiert, global auf dem Rückzug, in Deutschland Postbank-geschüttelt. Trotzdem wird die Bank ihren Beschäftigten gut zwei Mrd. Euro an Boni zahlen, mehr als die Hälfte davon den Investmentbankern. Die Anteilseigner sollen jedoch mit nur 1/10 dieser Summe abgespeist werden. Erst öffentliche Empörung hat den Vorstand veranlasst, auf seine eigenen Boni zu verzichten.

1. Frage: Wie erklären Sie den Aktionären, dass die Investmentbanker trotz unerreichter Ertragsziele höhere Boni verdient haben und die Eigentümer nur so miese Dividenden? Nach vergeblichen Bemühungen um fähige Bankmanager von außen (Richard Gnodde, Jean Pierre Mustier und Bill Winters) haben Sie Ihr Heil in Hast und Hatz gesucht: John Cryan fliegt ‚raus, Christian Sewing wird Vorsitzender, Karl von Rohr und Garth Ritchie werden Vize-Vorsitzende, Markus Schenck gibt düpiert freiwillig auf. Einige Aufsichtsräte, einfach vor vollendete Tatsachen gestellt, verlangten Einzelabstimmung, äußerten sich kritisch. Sie, Herr Achleitner, sahen Ihre Autorität infrage gestellt und verhinderten eine offene Aussprache, eine Szene, in die die aus Schillers Don Carlos bekannte Bitte gehört hätte: „Sir, geben Sie Gedankenfreiheit!“ In dieser Skizze (Süddeutsche Zeitung, 14./15. April 2018) stecken all die bekannten Taten und Untaten von Vorstand und Aufsichtsrat, in den Sie John Thain, den Spezialisten für vorgezogene Boni, geholt haben.

2. Frage: Wie bewerten Sie die Tatsache, Herr Achleitner, dass es im neuen Aufsichtsrat bei dem flink verkündeten Prioritätenwechsel vom Investmentbanking zum Privat- und Firmengeschäft keinen Vertreter der deutschen Realwirtschaft mehr gibt? Seit Ihrem Amtsantritt vor sechs Jahren hat die Bank sage und schreibe sechs Vorstandsmitglieder verschlissen, eine Belastung Ihres eigenen Kontos an Fähigkeit und Glaubwürdigkeit und dessen der Bank. Die zunehmende Unzufriedenheit vor allem der Großinvestoren hat Sie wieder zu dem Trick greifen lassen, statt einer Analyse der Möglichkeiten und der Erwartungen die gebotenen Sach- einfach durch Personalentscheidungen zu fällen. Nach der Ablösung von Josef Ackermann haben Sie bei der Doppelspitze Jain/Fitschen den Dritten im Vorstand gespielt. Das beißt sich zwar mit der gebotenen Rollenverteilung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat. Doch auf diese Weise haben Sie Ihre Qualifikation so erweitert, dass Sie eigentlich hätten klar wissen können und müssen, welchen Menschen man so ein Himmelfahrtskommando zumuten kann, wie es der Bankchef unter Ihnen als Aufsichtsratsvorsitzender ist. Sie hatten John Cryan aus dem Aufsichtsrat geholt, bald zum alleinigen Chef der Bank gemacht, damit er die mit dem Aufsichtsrat abgestimmte Strategie umsetzt. Handverlesen haben Sie einst weitere Leute wie Markus Schenck und Kim Hammonds in ihre Positionen gehievt. „Trial and error“ als Prinzip ist doch nur dann sinnvoll, wenn nach einem error eigenes Fehlverhalten erkannt, eingestanden und korrigiert wird. Sonst wiederholt sich das gleiche Spiel mit erneutem trial – da capo al fine.

3. Frage: Wie hoch schätzen Sie realistisch die betriebsinternen Kosten für das fortlaufende Auswechseln der Vorstände in Ihrer Amtszeit, Herr Achleitner? John Cryan, ebenfalls handverlesen, sollte die Deutsche Bank aus ihrer hundsmiserablen Lage herausmanövrieren. Seine tatsächliche Leistung kann ich nicht beurteilen, aber wie Sie Ihren ehemaligen Freund aus dem Vorsitz katapultiert haben, das kann nicht als die feine englische Art bezeichnet werden. Wohl unter anderem ist Ihr Zerwürfnis unterschiedlichen Ansichten über die Bonität des chinesischen Großaktionärs HNA geschuldet.

4. Frage: Wäre es nicht naheliegend gewesen, John Cryan einzugestehen, dass er die Lage beim HNA-Konzern richtig eingeschätzt hat und Sie sich verschätzt haben? Für mich ist das skizzierte Szenarium Ausdruck eines kannibalisch zu nennenden Systems, getrieben von der Gier nach mehr Geld und mehr Macht. Dieser Zweck scheint fast alle Mittel zu heiligen und lässt die Akteure über Leichen gehen. Diese Aussage ist seit über 25 Jahren Bestandteil der allmonatlichen, 2-stündigen Mahnwache der IOF. Auch die Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre reißen sich nicht darum, dass ihr in einem ramponierten Institut angelegtes Geld immer weiter an Wert verliert, aber sie legen großen Wert darauf, dass mit ihrem Geld ethisch verantwortbar umgegangen wird. Während Ihnen persönlich an Glaubwürdigkeit und Ansehen gelegen ist, haben beide Qualitäten bei der Bank krisenreich gelitten, mit den bekannten Folgen von Strafzahlungen von rund zwölf Mrd. Euro, die eine enorme Bandbreite an unethischen bis illegalen Aktivitäten belegen. ICAN hat für seine Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen den Friedensnobelpreis bekommen, nicht die vorrangig für Finanzierung sorgende Bank.

5. Frage: Wird die Deutsche Bank das zaghaft begonnene Divestment aus fossilen und nuklearen Energieunternehmen und aus Menschen- und Völkerrecht verletzenden Staaten verstärkt fortführen und den Menschenrechten zur Vorrangigkeit verhelfen? Das Schicksal von John Cryan ist die eine Seite der hässlichen Achleitner-Medaille, die andere betrifft den am 9. Mai 2018 durchgeboxten Nachfolger für PCB, die „private and commercial bank“. PCB steht auch für hochgiftige polychlorierte Biphenyle.

6. Frage: Haben Sie, Herr Sewing, sich vor Ihrer Zustimmung gefragt, ob Sie – als bekanntlich dritte Wahl – nicht über kurz oder lang ein ähnliches Schicksal ereilen wird? Mich erinnert Ihre Situation an ein Phänomen, das die VDI-Nachrichten (15. März 1996) unübertrefflich gut auf den Punkt gebracht haben, tauglich als geflügeltes Wort: „Der Reiz der Beförderung überdeckt oft die mit ihr verbundenen Probleme.“ Wer diesem Phänomen tiefer nachspüren möchte, sei auf den Schriftsteller Werner Bergengruen und sein Buch „Der Großtyrann und das Gericht“ (1949) verwiesen: Die Versuchungen der Mächtigen, ihre Macht zu missbrauchen und die Verführbarkeit der Unmächtigen, von dieser Macht zu profitieren. Ein zweites Beispiel belastet Ihre Fähigkeit und Glaubwürdigkeit, Herr Achleitner: Kim Hammonds, bis vor kurzem verantwortlich für den – von John Cryan einst lausig genannten – IT-Bereich. Deren harsche Kritik der „most dysfunctional company“ hat Sie gewiss not amused. Doch solche blitzartigen Äußerungen setzen ja zuvor angesammelte Energie voraus. Ihre einst für sehr qualifiziert gehaltene Kollegin wird zuvor auf das jahrelang versäumte, be- und verhinderte Aufräumen hingewiesen und frustriert erfahren haben, für den nötigen Total-Umbau nicht die nötige Unterstützung zu bekommen. Dies trifft ins Nervenzentrum der Machtelite und speziell in das System Achleitner.

7. Frage: Halten Sie es nach wie vor für richtig, dass Aufsichtsratsplätze eher vererbt als nach Erfahrung und Können vergeben werden, dass Aufsichtsräte also einem Orden oder einer Kaste angehören, die neue Ansätze und den Mut zu Veränderungen ausbremst? „Nicht nur wer zu spät kommt, auch wer zu spät geht, den bestraft das Leben“ – mit dieser kleinen Anleihe bei Michail Gorbatschow danke ich Ihnen allen für Ihre Aufmerksamkeit.

„Ohne mich hätten sie´s leichter gehabt“

Ob so eine knapp fünfminütige Rede auf der Hauptversammlung der Deutschen Bank eine Wirkung hat, lässt sich relativ leicht bezweifeln, weil so ein Goliath wie die Deutschen Bank es wohl nie zugeben würde, der dringenden Empfehlung eines winzigen David zu folgen. Ein Beweis für die Wirkungslosigkeit ist das aber keineswegs, wie folgende Entdeckungen nach der Hauptversammlung ergeben haben:

Die „Friedenssteuer Nachrichten Juli 2018“ vermeldeten gleich oben als erste Botschaft: „Die Regierung boykottiert das Internationale Atomwaffenverbot – Dagegen ist die Deutsche Bank pazifistisch.“ Dieser Meldung nach hat die Bank eine neue Richtlinie beschlossen, „nach der keine Rüstungsfirmen mehr unterstützt werden dürfen… (Da) sollten doch auch die konservativen Politiker aufhorchen.“

Diese erstaunliche Meldung stellt also die Regierung an den Pranger und lobt die Bank, was im Grunde ein Armutszeugnis für die Politik wäre, die sich doch vorrangig um die Gestaltung besserer Lebensverhältnisse nicht nur in unserm Land, sondern im Zeichen der Globalisierung insbesondere in den ärmeren Ländern bemühen sollte oder gar müsste, wenn man ihre eigene Verlautbarungen ernstnähme. Der Meldung nach könnte man geneigt sein anzunehmen, dass sich die Bank endlich auf den Weg gemacht hat, Frieden ohne Waffen zu schaffen, indem sie mit dem Ausstieg aus der Finanzierung der Atomwaffen anfängt.

Eine Rückfrage bei der Deutschen Bank hat am 28. September 2018 folgende, gewiss „von oben“ gedeckte Antwort ergeben: “Die Richtlinie zu sogenannten ‚Controversial Weapons‘ der Deutschen Bank verbietet jegliche Interaktion mit Unternehmen, die in die Produktion von chemischen, biologischen, nuklearen und radiologischen Waffen, Streumunition, Anti-Personen Minen und kontroversen konventionellen Waffen involviert sind. Desweitern wird die Bank normalerweise keine Geschäfte machen mit Herstellern und Vertreibern von halb-automatischen und automatischen Waffen für die zivile Bevölkerung. Alle Transaktionen mit einem Bezug zur Rüstungsindustrie werden im Einzelfall von einem spezialisierten Team überprüft, das die Aspekte Nutzer, Einsatzfeld sowie Faktoren wie die geopolitischen Begebenheiten berücksichtigt. Des Weiteren verfügt die Bank über ein Eskalationsprozess, der bis zum Vorstand reicht, um solche Themen zu diskutieren. Diese Überlegungen werden darüber hinaus sicherstellen, dass alle Lizenzen und Genehmigungen der involvierten Länder vorliegen.”

Tatsächlich hat die Bank zur Hauptversammlung 2018 eine neue „Richtlinie zu kontroversen Waffen“ herausgegeben. Damit zieht sich die Bank jetzt aus Unternehmensfinanzierungen für Atomwaffenhersteller zurück, zweifellos ein guter erster Schritt. Als Ausnahme ist jedoch zugelassen, für bestimmte zivile Transaktionen wie z.B. Passagierflugzeuge weiterhin die Finanzierung zu ermöglichen.

Diese Richtlinie gilt für die Bank, nicht jedoch automatisch für das über die DWS nach ihren eigenen Regeln abzuwickelnde Geldanlagegeschäft. Die DWS Group GmbH & Co. KGaA (DWS) ist ein deutscher Vermögensverwalter mit Sitz in Frankfurt am Main, einst mitbegründet von der Deutschen Bank, der gegenwärtig rund 700 Mrd. Euro verwaltet.
Siehe: In englisch: https://www.db.com/newsroom_news/2018/deutsche-bank-upgrades-its-policy-on-controversial-weapons-en-11582.htm
In deutsch: https://www.db.com/newsroom_news/2018/deutsche-bank-verschaerft-richtlinie-zu-umstrittenen-waffen-de-11582.htm

Man muss also heute, nach der diesjährigen Hauptversammlung, der Deutschen Bank Bewegung bescheinigen, was aber leider noch lange nicht für einen generellen Ausstieg aus der Finanzierung von Rüstungskonzernen oder Rüstungsexporten reicht. Immerhin werden nun die Finanzierungen von der Atomwaffenherstellung ausgeschlossen. Und damit ist die Deutsche Bank jetzt weiter als andere deutsche Großbanken!

Es wäre völlig verkehrt, auf diesen Erfolg der jahre-, jahrzehntelangen Kritik an den Geschäften mit der Rüstung – mit dem Tode, wie man ohne Übertreibung sagen kann – stolz zu sein: „Dummheit und Stolz wachsen auf gleichem Holz“, wie ein Sprichwort trefflich sagt. Es wäre aber auch völlig verkehrt, diesen Erfolg klein zu reden oder unter den Tisch fallen zu lassen: Er zeigt doch sehr deutlich die Richtigkeit jener guten, bewährten, zu uns aus Afrika gekommenen Orientierung, die man auch bei dem Schriftsteller Stefan Zweig (1881-1942) findet: „Viele kleine Leute in vielen kleinen Orten, die viele kleine Schritte tun, können das Gesicht der Erde verändern.“ Die von uns „kleinen Leuten“ wahrgenommenen und hier kurz festgehaltenen Veränderungen dürfen und sollen wir als Ermutigung verstehen, in unser aller Anstrengungen nicht nachzulassen – engagiert z.B. in urgewald, Eirene, Ohne Rüstung leben, Versöhnungsbund, pax christi, Initiative Ordensleute für den Frieden, Dachverband der kritischen Aktionäre, Business Crime Control und vielen anderen Initiativen mehr. Das ganze Geschäft um Waffenherstellung, deren Finanzierung und Verbreitung tötet bekanntlich schon, bevor diese Waffen zum Einsatz kommen. Weil nämlich infolge dieser Finanzierung das Geld nicht dort zum Einsatz kommt, wo in Not befindliche Menschen gerettet und damit Wege beschritten werden können, Frieden ohne Waffen zu schaffen.

Der Autor
Christoph Rinneberg
ist aktiv bei der Initiative Ordensleute für den Frieden und bei den Kritischen Aktionären