Mit Verweis auf einen aktuellen Artikel in dem linken britischen Magazin Tribune berichtet die junge Welt in ihrer Ausgabe vom 22. April 2020 von mehr als 50 spontanen Streiks, die es in den letzten Wochen in Großbritannien im Zusammenhang mit der Coronakrise gegeben haben soll. Als Gründe für diese Vielzahl an rechtswidrigen Arbeitsniederlegungen werden angeführt: fehlende Schutzausrüstung, Angriffe auf Löhne und Urlaubsansprüche sowie allgemein verschlechterte Arbeitsbedingungen. Neben dem Gesundheitswesen seien die Post, Lieferdepots großer Handelsketten und Großbaustellen betroffen.

Die Streiks sind illegal, da legale Urabstimmungen per Briefwahl erfolgen müssen. Diese sind aber zurzeit nicht möglich, weil die zu ihrer Ausführung gesetzlich vorgeschriebenen Organisationen („balloting organisations“) wegen der Corona-Pandemie nicht arbeitsfähig sind. Arbeitsrechtsexperte Gregor Gall betont in seinem Tribune-Beitrag, dass deshalb derzeit keine rechtmäßigen Streiks bzw. Arbeitskampfmaßnahmen in Großbritannien realisierbar seien.

In der jungen welt beschreibt Christian Bunke die zu den illegalen Streiks führenden unzumutbaren Arbeitsbedingungen in den verschiedenen Branchen:

„Bei der Post entzünden sich die Spontanstreiks rund um die großen Zentraldepots. So wurde in Kent wegen mangelnder Desinfektionsmittel gestreikt. In Warrington legten die Postler die Arbeit nieder, weil sich ein Kollege mit SARS-CoV-2 infiziert hatte, die Leitung aber weiterarbeiten ließ, als sei nichts geschehen (…). Im Gesundheitswesen sorgt die Unfähigkeit der Regierung zunehmend für Unmut. So stecken 400.000 Einheiten von Schutzkleidung derzeit auf einem Flughafen in der Türkei fest. Die englische Gesundheitsbehörde ‚Public Health England‘ hat die Beschäftigten angewiesen, die Ausrüstung mehrfach zu verwenden, wenn nicht genügend vorhanden ist. Mehr als 50 im Gesundheitsbereich Tätige sind inzwischen an der Lungenkrankheit Covid-19 verstorben (…). Nun zirkuliert laut dem in der Baubranche sehr bekannten Aktivisten Dave Smith ‚auf allen großen Baustellen‘ ein Video, das die Arbeitsbedingungen anprangert. Hunderte Bauarbeiter würden in den kommenden Wochen sterben, weil diese zur Arbeit auf sogenannten nicht essentiellen Baustellen gezwungen würden, heißt es in dem von der Londoner Aktivistengruppe ‚Reel News‘ produzierten Kurzfilm. Von ‚individuellen Beschwerden‘ über die Zustände wird in dem Video abgeraten, weil dies schnell den Job kosten könne. Wichtig sei es, sich mit anderen zusammenzutun und Forderungen kollektiv vorzutragen. Diese Methode habe an manchen Orten bereits zu Baustellenschließungen geführt.“

Quellen:

Christian Bunke: „Streiks in Großbritannien“, junge welt, 22. April 2020

https://www.jungewelt.de/artikel/376922.gro%C3%9Fbritannien-streiks-in-gro%C3%9Fbritannien.html?sstr=streiks 

Gregor Gall: „Right Now in the UK, Strikes Are Effectively Illegal“, Tribune, 16. April 2020

https://www.tribunemag.co.uk/2020/04/right-now-in-the-uk-strikes-are-effectively-illegal