Nach Auffassung des Generalstaatsanwalts von Siziliens Hauptstadt Palermo, Lo Voi, nimmt die Organisierte Kriminalität (OK) nicht nur Italien, sondern ganz Europa ins Visier, um in Zeiten der grassierenden Covid-Pandemie das große Geschäft zu machen. Die Mafia sei daran interessiert, sich „die Wirtschaft einzuverleiben“, wie es Italiens Antimafia-Staatsanwalt Federico Cafiero De Raho formuliert. Gemeint ist damit unter anderem, dass Organisationen wie die ’Ndrangheta die aktuelle Gelegenheit vor allem dazu nutzen wollen, ihre Gelder zu waschen. Die Mafia will außerdem ihre Aktivitäten in Branchen verstärken, die vom Corona-Lockdown besonders betroffen sind: im Transportgeschäft, Großhandel, Gaststättengewerbe und Tourismus.

In einem Beitrag des Nachrichtensenders n-tv vom 11. April 2020 heißt es dazu:

„Dabei bewegt sie sich gleichzeitig auf drei Ebenen, auf der lokalen, der nationalen und der internationalen. Auf lokaler Ebene bedeutet das, sich als Wohltäter zu stilisieren und Geschäftsinhabern zum Beispiel Überbrückungskredite zu gewähren. Angeblich aus reiner Nächstenliebe. Doch irgendwann wird daraus Wucher oder es werden Gefälligkeiten abverlangt. Auf noch niedrigerer Ebene heißt es, denen unter die Arme zu greifen, die normalerweise von Schwarzarbeit leben und jetzt nicht einmal mehr das Geld haben, um Lebensmittel einzukaufen. Wo der Staat zu langsam handelt, sind Cosa Nostra, ’Ndrangheta oder Camorra zur Stelle. Und das stärkt natürlich die Loyalität der Hilfebedürftigen gegenüber den Mafiosi.“

Generalstaatsanwalt Lo Voi unterstreicht, dass die Mafia erfahrungsgemäß bei jeder Krise sofort zur Stelle ist, auch auf internationaler Ebene. Gesetze und Kontrollmaßnahmen mit Blick auf Geldflüsse und Investitionen seien deshalb nicht nur in Italien, sondern in ganz Europa zu verschärfen ‒ vor allem bei öffentlichen Ausschreibungen.

Die Corona-Krise erschwert zugleich den Kampf gegen die OK. So verweist der Staatsanwalt in Kalabrien, Nicola Gratteri, darauf, dass hunderte Prozesse gegen mutmaßliche Mafiosis zum Stillstand gekommen seien. Seit dem Beginn der Pandemie werden in Italien offenbar nur noch die dringendsten Prozesse weitergeführt.

Quellen:

Andrea Affaticati: „Einmalige Geldwäsche-Möglichkeit. Mafia wird in ganz Europa einkaufen“, n-tv 11. April 2020

https://www.n-tv.de/panorama/Mafia-wird-in-ganz-Europa-einkaufen-article21707786.html

 „Mafia will von Corona-Krise profitieren“, n-tv, 1. April 2020
https://www.n-tv.de/panorama/Mafia-will-von-Corona-Krise-profitieren-article21684306.html