Vom 27. bis 29. Mai 2022 fand an der TU Berlin eine Konferenz zum Thema Enteignung und Vergesellschaftung von Immobilienkonzernen statt. Organisator war die Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ in Kooperation mit dem Asta der TU Berlin und der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Im Rahmen der Veranstaltung „Follow the money – Der deutsche Immobilienmarkt als Tummelplatz für Oligarchen, Kriminelle und Steuerhinterzieher“ sprachen am 28. Mai Christoph Trautvetter (Netzwerk Steuergerechtigkeit e.V.; externer Projektleiter „Wem gehört die Stadt?“ bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung) und Gabriela Keller (Investigativreporterin bei Correctiv). Moderiert wurde die Veranstaltung von Katalin Gennburg (MdA DIE LINKE Berlin).
In der Ankündigung hieß es:
„In Reaktion auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine wurden zahlreiche ‚Oligarchen‘ durch die EU und andere Staaten sanktioniert. Ihre Geschäftsaktivitäten sollten unterbunden und ihre Vermögenswerte eingefroren werden. Doch insbesondere bei Immobilien verschleiern verschachtelte Firmen- und Beteiligungskonstrukte, die bis in das außereuropäische Ausland reichen, oft die tatsächlichen wirtschaftlich Berechtigen und ermöglichen so die Umgehung von Sanktionen, aber auch ganz allgemein Steuerhinterziehung und Geldwäsche. So ist der Immobilienmarkt Tummelplatz für organisierte Kriminalität und dubiose Kapitalflüsse aus autoritären Regimen – nicht nur aus Russland.“
So verwies Trautvetter auf den neuen „Schattenfinanzindex“ des Tax Justice Network. Danach stellen nicht die bekannten Steueroasen in der Karibik das Hauptproblem dar. Vielmehr seien in den G7-Staaten geschätzt zehn Billionen US-Dollar in Finanzkonstrukten versteckt – und keiner wisse, woher die Gelder stammten. Die Hälfte der Schattenfinanzplätze würde sich in den G7-Staaten finden (USA, Großbritannien, Kanada, Deutschland, Frankreich, Italien, Japan). Deutschland sei der siebtgrößte Schattenfinanzplatz der Welt. Das Vermögen weltweit würde unterschiedliche Formen annehmen und nur zu einem ganz kleinen Teil in Form von Villen und Jachten auftreten. Wegen der fehlenden Transparenz sei insbesondere der Immobilienmarkt außer Kontrolle.
Die bestehende Intransparenz, so Trautvetter, müsse abgeschafft werden. Auch um in Berlin die Enteignungsfrage zu klären und „im gleichen Schritt die russischen Oligarchen, die Steuerhinterzieher und die anderen Kriminellen auszugraben“. So wisse der Berliner Senat derzeit nicht, wer die Besitzer von mehr als 3.000 Wohnungen in der Hauptstadt seien (Anmerkung der Redaktion: Private profitorientierte Immobiliengesellschaften mit mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin sollen gemäß des Volksentscheids vom Herbst 2021 nach Artikel 15 GG enteignet werden, um ihre Bestände in Gemeineigentum zu überführen).
Trautvetter äußerte sich verhalten optimistisch zum zweiten Sanktionsdurchsetzungsgesetz, das die Bundesregierung für den Herbst 2022 plant und die Rechtsgrundlage für eine neu zu schaffende Behörde bietet soll. Deren Aufgabe bestehe darin, systematisch nach verdächtigen Vermögen zu suchen und komplexe Eigentümerstrukturen zu ermitteln. Die Behörde solle dafür den Zugriff auf alle notwendigen Register und Steuerdaten erhalten. Mit dem Sanktionsdurchsetzungsgesetz könne ein Beitrag zur Kriminalitätsbekämpfung geleistet werden – über die anti-russischen Sanktionen hinaus. Mit dem Fortschritt auf Bundesebene könne dann hoffentlich bald auch die Frage nach den Eigentümern der mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin beantwortet werden. „Im Prinzip“, so Trautvetter, „haben die russischen Oligarchen das Volksbegehren rechts überholt“.
Quellen:
„Enteignungskonferenz: Tag 2 (Follow the Money + Abendpodium)“, live übertragen am 28. Mai 2022
https://www.youtube.com/watch?v=k1z4xoVpCaQ
Pressemitteilung vom Netzwerk Steuergerechtigkeit e.V. vom 17. Mai 2022 zum Schattenfinanzindex 2022:
„Der Schattenfinanzmarkt torpediert Sanktionen und Rechtsstaat“