Seit 2013 klärt der Investigativ-Journalist Oliver Schröm die Öffentlichkeit über die kriminellen Cum-Ex-Geschäfte auf. Am 1. Februar 2022 sprach er im Rahmen eines Livestreams mit Daphne Weber von der Rosa-Luxemburg-Stiftung über das Thema. Einige seiner Aussagen sind im Folgenden zusammengefasst.
Zur Frage, welche Banken in Cum-Ex-Geschäften involviert waren:
Eigentlich sei jede Bank involviert gewesen, selbst „irgendwelche Sparkassen im Hinterland“. „Natürlich auch die großen Banken, die großen Investmentbanken, die amerikanischen Banken. Aber zum Beispiel auch die Commerzbank.“ Und es sei ziemlich makaber, dass Letztere nach der Finanzkrise Milliardenzuschüsse vom Bund bekommen und gleichzeitig Cum-Ex-Geschäfte betrieben habe. Sie habe sich quasi vom Staat zwei Mal Milliardenbeträge auszahlen lassen. Es sei eigentlich unfassbar, dass eine Landesbank den Bund ausraube.
Zur Frage, ob es sich um einzelne oder viele Täter handelt:
Allein in Köln sei eine Staatsanwaltschaft dabei, gegen mittlerweile über tausend Personen zu ermitteln. Weitere Beschuldigte gäbe es in Frankfurt und München. Es handele sich dabei um die „Spitze des Eisbergs“. „Bislang wird eigentlich nur gegen die Möglichmacher von Cum-Ex ermittelt. Also gegen Banker, gegen Anwälte, gegen Broker. Wer bisher strafrechtlich außen vor ist, das sind die Investoren, also die Privatinvestoren, also die Carsten Maschmeyers. Der Grund ist ganz einfach: Es ist eine Frage der Kapazitäten. Man kann nicht von Einzelnen sprechen, es waren sehr, sehr viele.“
Zum Hamburger Untersuchungsausschuss zur Rolle der Hamburger Privatbank Warburg:
Der Untersuchungsausschuss sei vor über einem Jahr eingesetzt worden, habe aber bisher einen „Dornröschenschlaf“ geführt. Auch medial hätte der Ausschuss bisher wenig Aufmerksamkeit erregt. „Ein Skandal im Skandal ist: Als die Entscheidung gefällt wurde, dass man die Gelder nicht zurückhaben will*, hat diese Bank insgesamt 45.500 Euro an die SPD gespendet – und zwar an den Wahlkreis von Johannes Kahrs. Als das publik wurde jetzt im Ausschuss, ist herausgekommen, dass in dem Gremium, das über die Annahme des Geldes entschieden hat, just der Ausschuss-Vorsitzende saß wie auch der Obmann der SPD im Untersuchungsausschuss. Also die haben damals zugestimmt, diese Gelder entgegenzunehmen, und zwar im Jahr 2017, da wurde schon seit anderthalb Jahren gegen die Bank ermittelt. Wie man quasi Gelder entgegennehmen kann, Spenden von einer Bank, die wegen schwerster Steuerhinterziehung im Fokus der Staatsanwaltschaft steht, ist mir ein Rätsel. Und noch seltsamer ist, dass genau zwei Personen, die in dieser Entscheidung eingebunden waren, jetzt im Ausschuss sitzen und (…) sich quasi selber aufklären sollen.“
Zur Frage, ob noch weitere Enthüllungen im Cum-Ex-Zusammenhang zu erwarten sind:
Die Aufarbeitung von Cum-Ex habe erst so richtig Fahrt aufgenommen. „Es gab jetzt zwei Urteile letztes Jahr, und es wird schon in zwei Wochen ein weiteres Urteil in Köln geben. Und dann wird es Anklagen hageln. (…) Die Strafermittlungsbehörden machen ihren Job – und das finde ich auch ziemlich beeindruckend. Weil, die haben teilweise über zehn Jahre an diesen Fällen gearbeitet und jetzt zur Anklage gebracht. (…) Da geht es jetzt Schlag auf Schlag.“ Es sei jetzt auch wirklich Eile geboten, weil teilweise Verjährung drohe.
Zum Auftreten von Olaf Scholz (SPD) vor dem Hamburger Untersuchungsausschuss:
Der Auftritt von Scholz am 30. April 2021 sei peinlich gewesen. Schröm selbst habe eine Strichliste geführt. „Er hat über 40-mal geantwortet: ‚Ich kann mich nicht erinnern.‘ (…) Sein Auftritt war eine einzige Amnesie.“ Schröm bedauere es sehr, dass solche Anhörungen in Deutschland nicht wie in den USA live übertragen würden.
* Die Hamburger Finanzverwaltung verzichtete nach einem Gespräch zwischen dem damaligen Ersten Bürgermeister Scholz und dem Chef der Warburg-Bank auf eine Rückzahlung von Geldern, die die Bank sich zuvor durch illegale Cum-Ex-Geschäfte hatte erstatten lassen.
Quelle:
„Der Cum-Ex-Clan. Der Steuerraub der Reichen und die Politik“, Daphne Weber im Gespräch mit Oliver Schröm, Rosa-Luxemburg-Stiftung: Ausnahme&Zustand#39‚ 1. Februar 2022
Das Gespräch ist in der Mediathek der Rosa-Luxemburg-Stiftung zu finden: