Vor über einem Jahr kassierte das Bundesverfassungsgericht den sogenannten Berliner Mietendeckel. Nun eröffnet ein Jurist in der Hauptstadt eine neue Diskussion. Stefan Klinski, Professor für Wirtschaftsrecht an der dortigen Hochschule für Wirtschaft und Recht, schlägt dem Land Berlin in einem auf eigene Initiative entstandenen 52-seitigen Rechtsgutachten vor, alle Unternehmen vom Immobilienmarkt auszuschließen, „von denen in besonderer Weise Druck auf den Wohnungsmarkt ausgeht“. Die bisher im Eigentum solcher Unternehmen stehenden Mietwohnungen müssten, so die Idee, innerhalb eines bestimmten Zeitraumes an Dritte (Private oder Unternehmen in anderen Rechtsformen) veräußert werden. Ziel sei es, „den durch einen ausgeprägten Mangel an preiswertem Wohnraum extrem belasteten Berliner Wohnungsmarkt zu entspannen“.

Klinski denkt bei seiner Initiative insbesondere an „Unternehmen, deren eigene Anteile an einem Kapitalmarkt gehandelt werden (typischerweise börsennotierte Aktiengesellschaften, Hedgefonds, Immobilienfonds) sowie Unternehmen verschiedener Rechtsformen mit intransparenten Eigentumsverhältnissen und/oder Gewinnverlagerung in Steueroasen“. Gesetzliche Marktzugangsbeschränkungen, so der Jurist, würde es in anderen Rechtsbereichen – etwa der Energiewirtschaft oder des Personennahverkehrs – schon seit langem geben. Für seinen Vorschlag sehe er weder verfassungsrechtlich noch EU-rechtlich ernstliche Bedenken. Vielmehr erfülle das Konzept die im Artikel 28 der Berliner Verfassung verankerte öffentliche Aufgabe, „die Schaffung und Erhaltung von angemessenem Wohnraum auch für Menschen mit geringem Einkommen“ zu fördern. Bei einer Marktzugangsbeschränkung und der Pflicht, sich innerhalb des Übergangszeitraums von den Immobilien zu trennen, handelt es sich laut Klinski zwar um einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff der betroffenen Unternehmen, keineswegs jedoch um eine Enteignung nach Art. 14 Grundgesetz (Eigentumsgarantie). Deshalb müsse der Staat auch keine Entschädigungen aufbringen wie im Rahmen einer Vergesellschaftung von Wohnungsbeständen (vgl. Berliner Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co enteignen“).

Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), der auch die Interessen von börsennotierten Konzernen wie Vonovia vertritt, lehnt den Vorschlag erwartungsgemäß ab. Der Berliner Mieterverein hingegen spricht sich für diese Idee aus: „Neben dem Volksentscheid zur Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen sei dies ‚nun ein weiterer interessanter Vorschlag, um kapitalmarktgetriebene Wohnungsunternehmen in die Schranken zu verweisen und deren Expansionsgelüste zu stoppen‘, sagt BMV-Geschäftsführer Reiner Wild.“ (Berliner Zeitung vom 9. Mai 2022).


Quellen:

Stefan Klinski: „Zur Zulässigkeit eines Landesgesetzes zur sozialverträglichen Ordnung des Berliner Wohnungsmarkts, durch das bestimmte Unternehmen vom Mietwohnungsmarkt ausgeschlossen werden“, Rechtsgutachten, Berlin, Februar 2022

https://gesellschaftfuernachhaltigkeit.de/wp-content/uploads/2022/03/Klinski-Gutachten-Wohnungsmarkt-2022-02-11.pdf

ders.: „Wohnungsmarkt ohne Börsendruck. Zur rechtlichen Machbarkeit von Zugangsbeschränkungen für den Wohnungsmarkt“, 25. April 2022, verfassungsblog.de

https://verfassungsblog.de/wohnungsmarkt-ohne-borsendruck/

Ulrich Paul: „Ein Vorschlag, Miethaie vom Berliner Wohnungsmarkt zu vertreiben“, Berliner Zeitung vom 9. Mai 2022

https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/kein-platz-mehr-fuer-deutsche-wohnen-und-co-in-berlin-li.226905

Erik Peter: „Vermieter richtig deckeln“, taz vom 9. Mai 2022

https://taz.de/Neue-Idee-fuer-Berliner-Mietenmarkt/!5850965&s=klinski/

Nicolas Šustr: „Vonovia einfach vom Markt ausschließen“, Neues Deutschland vom 9. Mai 2022

https://www.nd-aktuell.de/artikel/1163620.mietenwahnsinn-vonovia-einfach-vom-markt-ausschliessen.html