Eine im Januar 2022 veröffentlichte Studie der Finanzwende Recherche (Tochtergesellschaft der Bürgerbewegung Finanzwende) analysiert die Einflussmöglichkeiten von finanzstarken Akteuren auf Justiz und Rechtswissenschaft – auch anhand „hochproblematischer Einzelfälle von Interessenkonflikten und Beeinflussung“.

Lobbyisten aus der Wirtschaft bieten Richter*innen lukrative Nebenjobs an oder attraktive Anschlussbeschäftigungen. Banken- oder Versicherungsunternehmen finanzieren Lehrstühle an Universitäten oder geben teure Gutachten in Auftrag, die Gerichtsentscheidungen beeinflussen können. Auch werden die „Drehtüreffekte“ (Justizbeschäftigte wechseln in die Privatwirtschaft) und die politische Einflussnahme auf die Justiz thematisiert.

Ein Auszug aus der Studie zur Unabhängigkeit der Justiz:

„Es wäre naiv anzunehmen, dass das Gefälle zwischen verschiedenen Interessengruppen vor dem Justizsystem und der Entwicklung der rechtswissenschaftlichen Meinungen, die richterlichen Entscheidungen zugrunde liegen, Halt macht. Schließlich geht es bei gerichtlichen Grundsatzentscheidungen im Banken-, Versicherungs- oder Steuerrecht immer wieder um Milliardensummen. (…) Das deutsche Justizsystem insgesamt kann als fair und funktionstüchtig angesehen werden. Und doch gilt es, alles zu tun, um eine wirklich faire und unabhängige Justiz sicherzustellen und mögliche Einfallstore zu schließen. (…) Höchst bedenkliche Einzelbeispiele zeigen, dass Justiz und Wissenschaft, strukturell bedingt, Gelegenheiten für eine Einflussnahme durch Lobbyisten bieten und daraus Gefahr für den Rechtsstaat resultiert. Es ist deshalb wichtig, sich mit der Thematik des Finanzlobbyismus und der Interessenkonflikte im Bereich der Justiz zu beschäftigen.“ (Seite 3)

Ein Auszug aus der Studie zum Einfluss der Wirtschaft auf Richter*innen:

„Jenseits der finanziellen Komponente verschärft sich der Eindruck eines ungesunden Näheverhältnisses, wenn Richter*innen zusammen mit namhaften Vertretern aus der Wirtschaftslobby nach außen hin auftreten. Auffällig ist, dass in den Rechtsbereichen, in denen eine starke Lobbyvertretung existiert, also insbesondere im Finanz- und Kapitalmarktrecht sowie Versicherungsrecht auch häufig gemeinsame Publikationen von Richter*innen und Rechtsanwälten als Fachexperten aus der Wirtschaft erfolgen.“ (Seite 13)

Ein Auszug aus der Studie zur Rolle der Rechtswissenschaft beim Cum-Ex-Skandal:

„Die Beraterschaft vertrat insbesondere ab dem Jahr 2007 die Ansicht, CumEx-Geschäfte seien per se legal. Flankierend hatte Steueranwalt Dr. Berger seine Beratung zu CumEx-Geschäften durch Gutachten und Aufsätze von Steuerrechtsprofessoren untermauern lassen. Hierzu titelte das Handelsblatt am 2. August 2017: ‚In der größten Finanzaffäre der Republik spielen Wissenschaftler mit bezahlten Gutachten eine unrühmliche Rolle‘.“ (Seite 27)

Ein Auszug aus der Studie zum Problem der Nebentätigkeit von Juristen:

„Problematisch werden solche Nebentätigkeiten allerdings immer dann, wenn eine klare Trennung zwischen wissenschaftlicher (und in der Regel staatlich finanzierter) Arbeit einerseits und Tätigkeiten für Privatinteressen aus der Wirtschaft andererseits nicht mehr möglich ist. Dies ist immer dann der Fall, wenn öffentliche Äußerungen von Wissenschaftlern in Form von Fachaufsätzen oder Urteilskommentierungen auf privatwirtschaftliche Beauftragungen zurückgehen und dies nicht entsprechend gekennzeichnet wird.“ (Seite 29)

Ein Auszug aus der Studie zur politischen Einflussnahme auf die Justiz (am Beispiel der Beeinflussung von Richterkarrieren):

„Bis heute hält etwa die Kritik an der Berufung von Stephan Harbath zum Bundesverfassungsgericht an. Rechtsanwalt Dr. Stephan Harbarth war für die CDU im Bundestag und bis zu seinem Wechsel in das Bundesverfassungsgericht Vize-Fraktionsvorsitzender. Er war zugleich Partner der Mannheimer Kanzlei SZA Schilling Schutt Anschütz, die etwa Volkswagen in der Dieselaffäre vertrat. Die Höhe seiner neben seinem Bundestagsmandat erzielten Nebeneinkünfte und der damit im Zusammenhang stehende Zeiteinsatz sind hoch umstritten und bis heute nicht aufgeklärt.“ (Seite 40f.)

 

Quelle:

Finanzwende Recherche (Hg.): Lobbyismus in Justiz- und Rechtswissenschaft, Januar 2022 (58 Seiten)

https://www.finanzwende-recherche.de/wp-content/uploads/Report_Lobbyismus-in-Justiz-und-Rechtswissenschaft.pdf

siehe auch:

https://www.finanzwende-recherche.de/unsere-themen/finanzlobbyismus/lobbyismus-in-justiz-und-rechtswissenschaft/

https://www.finanzwende.de/themen/finanzlobbyismus/lobbyismus-im-rechtsbereich/forderungspapier-zum-lobbyismus-im-rechtsbereich/