2012 starben in Pakistan 258 Beschäftigte eines Zulieferers des Textil-Discounters KiK bei einem Fabrikbrand. Die Frage nach der Verantwortung des deutschen Unternehmens bleibt jedoch ungeklärt. Das Landgericht Dortmund wies am 10. Januar 2019 die Klage von vier pakistanischen Betroffenen, die die Mitverantwortung von KiK für den mangelnden Brandschutz in der Fabrik klären sollte, wegen Verjährung ab. Die Kläger hatten ein Schmerzensgeld von je 30.000 Euro gefordert. Unterstützt wurden sie in dem Verfahren von den NGOs European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) sowie Medico International.
Kritische Stimmen wiesen nach der Entscheidung auf die unzureichenden gesetzlichen Grundlagen in Deutschland hin, um deutsche Firmen bei Menschen- und Arbeitsrechtsverstößen im Ausland zur Verantwortung ziehen zu können. Es fehlten klare gesetzliche Regelungen unternehmerischer Sorgfaltspflichten auf europäischer und weltweiter Ebene. Das Verfahren sollte aus Sicht der Kläger und der sie unterstützenden Organisationen deutlich machen, dass Unternehmen wie KiK für Mindeststandards in Zulieferbetrieben rechtlich einzustehen haben, also global agierende Konzerne auch für lebensgefährliche und ausbeuterische Arbeitsbedingungen in ihren Tochter- bzw. Zulieferbetrieben verantwortlich sind.
Freiwillige Selbstverpflichtungen der Unternehmen reichen offensichtlich nicht aus, um menschenwürdige Standards zu garantieren. Und die Politik hat kein Interesse, Konzerne überprüfbar auf die Einhaltung der Menschenrechte zu verpflichten. Auf die Frage, wie wirkungsvoll aber rechtliche Verfahren überhaupt sein können, gegen ausbeuterische Verhältnisse in global agierenden kapitalistischen Unternehmen vorzugehen, antwortet die Rechtsanwältin Miriam Saage-Maaß vom ECCHR aber verhalten optimistisch:
„Rechtliche Verfahren haben ihre Grenzen, weil sie systemimmanent argumentieren. Dennoch beinhalten sie emanzipatorisches Potential. Recht ist nicht nur der Ausdruck des ökonomischen und politischen Status quo, sondern eröffnet auch Handlungsräume, in denen bestehende soziale und politische Machtverhältnisse in Frage gestellt werden können. Das Recht ermöglicht Arbeiterinnen und Arbeitern aus Pakistan, vor ein deutsches Gericht zu ziehen. Das ist ein Akt der Selbstermächtigung. Sie können verlangen, dass drei Richter in Dortmund sich mit ihrem Fall beschäftigen und das Unternehmen KiK seine Anwälte einschalten muss. Das ist systemimmanent, fordert das System aber heraus.“ („Verfahren haben emanzipatorisches Potential“, Ein Gespräch von Gitta Düperthal mit Miriam Saage-Maaß, Junge Welt,12.1.2019)
Links:
https://www.medico.de/landgericht-dortmund-weist-klage-von-pakistanern-gegen-kik-ab-17285/
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/werte-gibt-es-nicht-als-schnaeppchen