Vier Jahre nachdem der Immobilienkonzern Deutsche Wohnen eine feindliche Übernahme durch den Branchenprimus Vonovia gerade noch verhindern konnte, entzündet sich eine erneute Debatte um einen Zusammenschluss der börsennotierten Wohnungsgiganten. Ein mit 37 Milliarden Euro bewerteter Immobilienriese könnte so entstehen und dem Konzentrationsprozess auf dem deutschen Immobilienmarkt einen weiteren Schub geben. Die Deutsche Wohnen wird derzeit an der Börse mit rund 12,7 Milliarden Euro, Vonovia mit etwa 24,3 Milliarden Euro bewertet. Die Deutsche Wohnen hat bundesweit rund 161.000 Wohnungen im Portfolio, davon befinden sich fast 112.000 in Berlin. Vonovia besitzt mehr als 400.000 Wohnungen in Deutschland, Schweden und Österreich, davon rund 40.000 in der deutschen Hauptstadt.

Vonovia erklärte in einer Stellungnahme vom 23. April 2020, dass Akquisitionen generell ein „integraler Bestandteil“ der Firmen-Strategie seien und „fortlaufend geprüft“ würden. Eine derartige Transaktion in Berlin „wäre aber überhaupt nur realistisch, wenn fundamentale Fragen geklärt wären und sie von einem entsprechenden Willen der Berliner Politik getragen würde, die derzeit mit Hochdruck an der Bewältigung der Corona-Krise“ arbeite. Die WirtschaftsWoche glaubt entsprechend zu wissen, dass Vonovia aktuell mit Beratern an einer Machbarkeitsstudie für eine freundliche Übernahme arbeite, die sowohl den Segen des Deutsche-Wohnen-Managements als auch des Berliner Senats hätte.

Der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild, wies laut Tageszeitung junge Welt darauf hin, dass in manchen Berliner Quartieren, wie zum Beispiel im Stadtteil Tempelhof, bei einer Fusion fast drei Viertel des Wohnbestandes in die Hand eines einzigen Eigentümers gelangen würden. Die auf möglichst hohe Rendite zielende Marktstrategie beider Konzerne sei dabei das Hauptproblem.

Die Berliner Mietergemeinschaft ergänzt: „Der Zeitpunkt des Vonovia-Vorstoßes dürfte auch damit zu tun haben, dass die Deutsche Wohnen bald in den Leitindex DAX aufgenommen werden könnte, was den Unternehmenswert beträchtlich erhöhen und eine Übernahme entsprechend teurer machen würde. (…) Für Berliner Mieter/innen würde eine Übernahme mit Sicherheit nichts Gutes bedeuten, da der neue Branchenriese seine Marktmarkt rigoros zur Profitmaximierung einsetzen würde. Daher bleibt die Vergesellschaftung aller privaten Wohnungsbaukonzerne für die Mieterbewegung ebenso auf der Tagesordnung wie die Verteidigung und Umsetzung des Mietendeckels, eine langfristige durchgreifende Mietenbegrenzung im Bestand sowie ein engagiertes kommunales Neubauprogramm.“

Laut Rouzbeh Taheri, Sprecher der Berliner Initiative Deutsche Wohnen und Co enteignen, scheint der Konzentrationsprozess in der Immobilienbranche einen neuen Schub zu bekommen. Die Vonovia wolle offenbar als Krisengewinnler die gesunkenen Aktienkurse nutzen und die Deutsche Wohnen schlucken. Werde aber ein Miethai durch einen anderen Miethai geschluckt, dann würden die Mieter unter noch größeren Druck geraten. (Berliner Zeitung vom 24. April 2020)

Seit Jahren wird Vonovia wegen überteuerter Mieten, schlechter Instandsetzung und fehlerhafter Nebenkostenabrechnungen scharf kritisiert. Auch hatten Wohnungs- und Gebäudemodernisierungen, die teilweise mit horrenden Mietsteigerungen verbunden waren, überregional zu immer mehr Mieterprotesten geführt und das Image des Konzerns ruiniert.

Quellen:

„Vonovia erwägt neuen Anlauf zur Übernahme von Deutsche Wohnen“, Wirtschaftswoche, 23. April 2020

https://www.wiwo.de/finanzen/immobilien/wohnungskonzern-vonovia-erwaegt-neuen-anlauf-zur-uebernahme-von-deutsche-wohnen/25766320.html

Joachim Jachnow: „Monopoly auf dem Wohnungsmarkt“, Junge Welt, 24. April 2020

https://www.jungewelt.de/artikel/377055.immobilienriesen-monopoly-auf-dem-wohnungsmarkt.html?sstr=vonovia

Rainer Balcerowiak: „Vonovia will erneut Deutsche Wohnen übernehmen“, MieterEcho online, 24. April 2020

https://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/uebernahme/

Ulrich Paul: „Übernimmt Vonovia die Deutsche Wohnen?“, Berliner Zeitung, 24. April 2020

https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/debatte-um-moegliche-uebernahme-der-deutsche-wohnen-li.81928