In einer Anhörung am 7. September 2020 im Haushaltsausschuss des Bundestages kritisierte der Bundesrechnungshof, dass die Kommunen in vielen Fällen vom Bund überhöhte Mietzahlungen für Wohnungen von Flüchtlingen verlangen. In einer schriftlichen Stellungnahme der Behörde heißt es:

„So lagen bei den KdU*-Leistungen für Geflüchtete die Gebühren kommunaler Träger häufig weit über den ortsüblichen Mieten für Wohnräume vergleichbarer Größe ‒ oft mehr als 100 %.“ Der Rechnungshof ist dabei weniger um die Situation der geflüchteten Menschen besorgt als um die hohen Ausgaben der Kommunen und des Bundes. Da viele Geflüchtete keine Mietwohnungen finden, werden sie in Heimen und Hostels untergebracht. Bei Geflüchteten übernimmt der Bund seit 2016 die gesamten Wohnkosten.

(*Kosten der Unterkunft)

https://www.bundesrechnungshof.de/de/veroeffentlichungen/produkte/sonderberichte/2020/Stellungnahme_KdU

https://taz.de/Miete-fuer-Gefluechtete/!5712653&s=rechnungshof/

Bekannt ist, dass Vermieter mit der Wohnungsnot von Geflüchteten viel Geld verdienen können. Die junge Welt schreibt dazu: „Das Problem endet nicht bei den satten Gewinnen für Vermieter auf Kosten der Steuerzahler. Erzielen Geflüchtete Einkommen, müssen sie sich an den Wuchermieten selbst beteiligen. Zudem taucht die Mietsumme auch in den Leistungsbescheiden für Asylsuchende auf, was von Rechtspopulisten und Neonazis immer wieder für Propaganda missbraucht wurde. Denn Hartz-IV-Bezieher bekommen oft nur einen Bruchteil dieser Summe für ihre Miete zugebilligt.“ (junge Welt vom 8. September 2020)

https://www.jungewelt.de/artikel/385920.wohnungspolitik-geförderte-abzocke.html

Laut Pressemitteilungen vom 8. September steigt der Regelsatz von alleinstehenden Hartz-IV-Empfänger*innen zum 1. Januar 2021 um 14 Euro auf 446 Euro im Monat. Die im August vom Bundeskabinett beschlossene Neuberechnung der Regelsätze hatte noch eine Erhöhung um mindestens sieben Euro vorgesehen. Das zusätzliche Plus resultiert aus der gesetzlich vorgeschriebenen jährlichen Anpassung der Leistungshöhe an die durchschnittliche Lohn- und Preisentwicklung. Unter anderem kritisieren Sozialverbände und Gewerkschaften die Anhebung als bei weitem nicht ausreichend.

Und wieder einmal werden die Regelbedarfe gezielt kleingerecht. Arme, alte, kranke Menschen sollen vorzeitig ableben, arbeitsfähige durch gezielte Unterdeckung in prekäre Beschäftigung gehungert werden. Anders ist das Regierungskalkül nicht zu verstehen, genau so schafft es die Bundesregierung und das BMAS in einem der reichsten Länder der Erde einen immer größer werdenden Niedriglohnsektor durchzusetzen.“

So kommentiert der Referent für Arbeitslosen- und Sozialhilferecht Harald Thomé das systematische Kleinrechnen der Regelbedarfe für das Jahr 2021.

https://tacheles-sozialhilfe.de/startseite/tickerarchiv/d/n/2688/

Der Paritätische Wohlfahrtsverband kritisiert die geplante Anhebung der Regelsätze zum neuen Jahr als „realitätsfern, nicht bedarfsgerecht und viel zu niedrig“. Sie sei „geradezu lächerlich niedrig angesichts der bitteren Lebensrealität armer Menschen in diesem Land“. Laut einer Pressemitteilung vom 8. September wirft der Verband der Bundesregierung „statistische Trickserei und unverschämtes Kleinrechnen“ vor. Fehler und Schwächen der umstrittenen Methodik zur Regelbedarfsermittlung würden einfach fort- und festgeschrieben.

https://www.der-paritaetische.de/presse/hartz-iv-paritaetischer-gesamtverband-kritisiert-geplante-erhoehung-der-regelsaetze-als-viel-zu-niedri/

Auszug aus einer bereits am 31. August 2020 erfolgten Stellungnahme des von mehreren Erwerbslosenorganisationen getragenen „Bündnis ‚Auf Recht Bestehen‘“:

„Die Bundesregierung hat angekündigt, den Hartz IV-Regelsatz ab 2021 um sieben Euro auf dann 439 Euro im Monat zu erhöhen. Das sind ganze 23 Cent am Tag. Nach Abzug der Miete bleiben den ärmsten 15 Prozent der Bevölkerung (abzüglich derer, die ausschließlich von Grundsicherungsleistungen leben) rund 600 Euro für den täglichen Bedarf und die soziokulturelle Teilhabe. (…) Zur Ermittlung des Regelsatzes werden diese 15 Prozent und ihr viel zu geringes, nicht bedarfsdeckendes Einkommen als Vergleichsgrundlage herangezogen, um von diesem wenigen nochmal rund ein Drittel als vorgeblich ‚nicht regelsatzrelevant‘ überwiegend politisch motiviert abzuziehen. Wir fordern die Zurücknahme aller politisch motivierten Streichungen beim Existenzminimum! Wir fordern somit eine sofortige Erhöhung des Regelsatzes auf mindestens 600 Euro!“

https://harald-thome.de/fa/redakteur/Harald_2020/Aufruf_Aktionstage_10-2020.pdf

Anja Piel, DGB-Vorstandsmitglied, nahm am 8. September dazu Stellung:

„Der schöne Schein angehobener Regelsätze trügt. Das Arbeitsministerium hat in Wahrheit nicht nachgebessert, sondern lediglich einen gesetzlich vorgeschriebenen Rechenschritt nachgeholt, um die Regelsätze bis 2021 fortzuschreiben. Es wäre unredlich und zynisch, diese Fortschreibung den Ärmsten der Gesellschaft als Erhöhung zu verkaufen und ihnen ein X für ein U vorzumachen.

Das Grundübel der Regelsatz-Herleitung bleibt unverändert: Das Wenige, was die einkommensschwächsten 15 Prozent der Haushalte laut Statistik ausgeben können, wird mit dem Existenzminimum gleichgesetzt. Dabei ist diese Vergleichsgruppe Welten von einem normalen Lebensstandard wie in der Mitte der Gesellschaft entfernt. So wird Armut nicht bekämpft, sondern zementiert. Auch mit dem neuen Betrag von 446 Euro für alleinstehende Erwachsene bleibt es dabei: Das Hartz-IV-Leistungsniveau liegt unterhalb der offiziellen Armutsgrenze.“

https://www.dgb.de/presse/++co++8d4a0830-f1da-11ea-bff8-001a4a160123

Die Gewerkschaft ver.di erklärte:

„Die Vorschriften über die Regelbedarfe gelten für über 7,2 Millionen Menschen, darunter rund 5,7 Millionen Leistungsberechtigte in der Grundsicherung SGB II. (…) Aktuell hat die Corona-Pandemie gezeigt, dass ohne all die zusätzlichen kostenlosen Unterstützungsangebote, wie Kleiderkammern und Suppenküchen, die Betroffene nicht über die Runden kämen. Bereits die derzeitigen Regelsätze leisten keinen Beitrag für die dringend notwendige Bekämpfung der Armut in Deutschland. (…) Die tatsächlichen Bedarfe der Betroffenen sind wesentlich höher als die nun vom Kabinett beschlossenen Regelsätze.“

https://arbeitsmarkt-und-sozialpolitik.verdi.de/ueber-uns/nachrichten/++co++8d6cecd2-eeb1-11ea-8c98-001a4a160100

Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland, beanstandet, dass bei der im August vom Bundeskabinett beschlossenen Ermittlung der Regelbedarfe vom Bedarf der Vergleichsgruppe 160 Euro willkürlich gestrichen wurden. Dabei befänden sich in der Vergleichsgruppe die einkommensschwächsten 15 Prozent der Haushalte. „In der Corona-Krise hat sich die Situation weiter verschärft“, so Loheide. „Darum sind mindestens 100 Euro mehr pro Monat als Soforthilfe für Menschen mit Grundsicherung dringend nötig.“

https://www.diakonie.de/diakonie-zitate/armut-verschaerft-sich-hartz-iv-regelsaetze-sinken-soforthilfe-dringend-noetig