Das Schweizer Obergericht hat den Prozess gegen den Stuttgarter Anwalt und Cum-Ex-Whistleblower Eckart Seith überraschend eingestellt. Schon zu Beginn der Cum-Ex-Ermittlungen hatte Seith wesentlich zur Aufdeckung  des Steuerraubs beigetragen, nachdem er interne Dokumente der Schweizer Bank J. Safra Sarasin an die deutsche Justiz weitergeleitet hatte. Während die deutschen Behörden seinen Vorwürfen nachgingen, verfolgten die Ermittler in der Schweiz dagegen Seith, den Hinweisgeber. „Die Schweizer Behörden warfen ihm vor, durch die Übermittlung der Schweizer Dokumente an deutsche Gerichte wirtschaftlichen Nachrichtendienst betrieben zu haben und andere zur Verletzung des Bankgeheimnisses angestiftet zu haben.“ (Manager Magazin) Er wurde wegen Wirtschaftsspionage und Verstößen gegen das Bankengesetz angeklagt, 2019 verurteile ihn deshalb das Bezirksgericht Zürich. Das Urteil wurde 2022 vom Zürcher Obergericht wieder einkassiert, die dortige Oberstaatsanwaltschaft ging jedoch dagegen vor und forderte erneut eine mehrjährige Haftstrafe für Seith. 

Im Dezember 2024 folgte dann die Kehrtwende. Begründung der Züricher Richter: Das Verfahren wurde eingestellt, denn der zuerst ermittelnde Staatsanwalt sei voreingenommen gewesen.

Die Bürgerbewegung Finanzwende schreibt zu den Hintergründen:

„Eckart Seith war bereits ein erfolgreicher Wirtschaftsanwalt, als 2013 der Drogerieunternehmer Erwin Müller auf ihn zukam. Müller hatte ohne Kenntnisse der genauen Hintergründe in einen Fonds der Bank Sarasin investiert, von wo aus dieses Geld für illegale CumEx-Geschäfte eingesetzt wurde. Als diese Geschäfte ans Licht der Öffentlichkeit kamen, verlor Müller viele Millionen.

Seith sollte bei der Bank Sarasin erfragen, wo das Geld geblieben war und ihm die verlorenen Millionen zurückholen. Dies gelang dem Anwalt: Seith wies offensichtliche Fehler in der Beratung der Bank Sarasin nach. Doch nebenbei – und das ist wesentlicher – hat Seith zur Aufklärung dieses unglaublichen Raubs beigetragen.

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Doch von vorne: Seith arbeitete sich, nachdem ihn Müller engagiert hatte, tief in die Materie der hemmungslosen Bereicherung rund um CumEx ein. Der Anwalt kam dank Hinweisgebende an interne Dokumente der CumEx-Bank Sarasin. Diese gewährten ihm noch detailliertere Einblicke. Er erkannte immer deutlicher, wie eine Finanzelite enorme Gewinne auf Kosten der Steuerzahlenden erzielen konnte. Die Gewinne wurden allein aus unberechtigten Steuerrückerstattungen erzielt, obwohl zuvor nie Steuern abgeführt worden waren. Der Staat wurde durch CumEx systematisch ausgeraubt.

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Seine umfangreichen Informationen bildeten eine wesentliche Grundlage dafür, dass heute die Geschäfte um CumEx und Co. besser verstanden werden und die Ermittlungen gegen zahlreiche an dem Steuerraub Beteiligte eingeleitet werden konnten.

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Erschreckend ist, dass am Raub Beteiligte durch das fragwürdige Agieren der Staatsanwaltschaft Zürich seit Jahren in gewisser Weise Unterstützung erfahren haben. Auf der einen Seite unternahm die Staatsanwaltschaft Zürich nichts, als Seith in Zürich die Verfehlungen der CumEx-Bank Sarasin offenlegte. Im Gegenteil, seine Anzeige wurde vom zuständigen Staatsanwalt unberechtigterweise an die Bank weitergeleitet, sodass diese zum Gegenschlag ausholen konnte. Dazu sagte Seith später:

Das war, als gebe man einem Täter die Tatwaffe zurück, die er am Tatort liegen gelassen hat.“

Die Süddeutsche Zeitung kritisierte – noch vor Verkündung der Verfahrenseinstellung –, dass der Schutz des Finanzstandortes für die Schweiz nach wie vor oberste Priorität hat, nicht dagegen die Verfolgung von Wirtschaftskriminalität:

„Bei dem Prozess geht es jetzt auch um die Frage, wie weit die Loyalität der Schweiz zu ihren Banken reicht. Auch wenn das strenge Schweizer Bankgeheimnis 2009 angeblich weitgehend abgeschafft und ein automatischer Informationsaustausch zu Steuerdaten mit dem Ausland eingeführt wurde, in der Praxis ist das Bankgeheimnis mehrmals verschärft worden: Wer heute Kundendaten stiehlt oder zugespielt bekommt und veröffentlicht, muss mit bis zu fünf Jahren Gefängnis rechnen, das gilt auch für Journalisten. Banken, so wirkt es heute noch, stehen für die Eidgenossenschaft weiterhin unter Artenschutz. Wer sie angreift, der bekommt die Rache der offiziellen Schweiz zu spüren.“ 

Quellen:

„Prozess gegen Cum-ex-Aufklärer in Zürich eingestellt“: Manager Magazin (Online) vom 12. Dezember 2024

https://www.manager-magazin.de/unternehmen/banken/cum-ex-skandal-prozess-gegen-anwalt-in-zuerich-eingestellt-a-90cd7f2f-c980-4074-9375-5ca879db994c

„Der Fall Eckart Seith“: Finanzwende e.V. vom 12. Dezember 2024

https://www.finanzwende.de/themen/cumex/der-fall-eckart-seith

Meike Schreiber: „Cum-Ex-Aufklärer vor Gericht“, Süddeutsche Zeitung vom 10. Dezember 2024