Der Zusammenbruch des Milliardenkonzerns Wirecard AG gilt als einer der größten Finanzskandale der Neuzeit. Das Unternehmen meldete im Juni 2020 Insolvenz an, weil angeblich in Ostasien geparkte Vermögenswerte in Höhe von 1,9 Milliarden Euro unauffindbar waren. Bis heute ist ungeklärt, ob die Gelder in dubiosen Kanälen versickerten oder ob sie niemals existiert hatten, nur zur Täuschung der Finanzmärkte erfunden waren. Dem ehemaligen Wirecard-Chef Markus Braun wird mittlerweile bandenmäßiger Betrug vorgeworfen.

In diesem Zusammenhang geriet auch das global agierende Wirtschaftsprüfungsunternehmen Ernst & Young (EY) ins Feuer der Kritik. Deren Prüfer hatten über Jahre hinweg die Abschlüsse von Wirecard testiert – auch noch, als sich Berichte über die dubiosen Geschäfte des Finanzriesen häuften. Inzwischen wurden umfängliche Schadensersatzklagen geschädigter Anlieger gegen EY eingereicht.

Ein Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages beauftragte Martin Wambach, den Vorsitzenden des Institutes der Wirtschaftsprüfer (IDW), mit einer Untersuchung des Vorgangs. Dessen Bericht listet zahlreiche Fehler und Versäumnisse der EY-Prüfer auf, wurde bis auf weiteres als geheim eingestuft und sollte unter Verschluss bleiben. Tatsächlich wurde der 168 Seiten umfassende sogenannte Wambach-Report kürzlich auf der Homepage des Handelsblattes veröffentlicht.

Es ist derzeit juristisch strittig, ob eine ungeschwärzte Veröffentlichung des Reports zulässig sei. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte dies im August 2021 verneint. Gegen diese Entscheidung läuft allerdings eine Beschwerde, über die noch nicht entschieden ist.

Das Prüfunternehmen EY reagierte auf die Veröffentlichung mit einer Strafanzeige gegen unbekannt. Gemeint seien Personen, die den als geheim eingestuften Bericht an das Handelsblatt weitergegeben hätten. Wie die FAZ berichtete, sieht das Unternehmen die „persönlichen Schutzrechte seiner Mitarbeiter und Mandanten“ verletzt. Außerdem handele es sich bei der Weitergabe um eine „Umgehung des rechtsstaatlichen Verfahrens“.

Nach einem weiteren Bericht des Handelsblattes ermittelt die Abschlussprüferaufsichtsstelle (Apas) derzeit gegen sieben ehemalige oder aktuelle EY-Mitarbeiter wegen „mutmaßlicher berufsrechtlicher Pflichtverletzungen“. Bei einem dieser Mitarbeiter handele es sich um den ehemaligen Deutschlandchef Hubert Barth. Dieser habe bereits am 6. Februar 2019 von unbekannten Whistleblowern einen Brief mit Informationen über dubiose Geschäfte in der Wirecard-Zweigstelle in Singapur erhalten.

Quellen:

Bernd Müller: „Milliarden versickert?“, junge Welt vom 24. November 2021
https://www.jungewelt.de/artikel/415176.finanzskandal-milliarden-versickert.html?sstr=Wirecard

Mark Fehr und Marcus Jung: „Wirecard-Skandal: EY erstattet Anzeige wegen Wambach-Bericht“, FAZ vom 22. November 2021
https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/wirecard-skandal-ey-erstattet-anzeige-wegen-wambach-bericht-17647144.html

Bender, Fröndhoff, Holtermann, Iwersen, Votsmeier: „EY und der Wirecard-Skandal – Immer Prüfer geraten ins Visier der Aufsicht“, Handelsblatt vom 26. November 2021
https://www.handelsblatt.com/finanzen/auch-ex-deutschlandchef-betroffen-ey-und-der-wirecard-skandal-immer-mehr-pruefer-geraten-ins-visier-der-aufsicht/27828336.html