Gerhard Schick, Geschäftsführer der Organisation Finanzwende und ehemals finanzpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, stellte Anfang Juni in einem Gastkommentar für das Handelsblatt fest, dass der weltweit mächtigste Finanzdienstleister in mehrere Einzelteile aufgeteilt werden solle, um nicht noch mehr Einfluss zu erhalten. Wie Schick anmerkt, verwaltet BlackRock derzeit etwa neun Billionen US-Dollar – mehr als das Doppelte des jährlichen Bruttoinlandsprodukts Deutschlands. Sein starkes Wachstum verdankt der Konzern besonders seinem Geschäft mit passiven Exchange Traded Funds (ETF)*, aber auch den aktiv gemanagten Fonds in Höhe von fast zwei Billionen US-Dollar. Daneben ist BlackRock der größte Anteilseigner zahlreicher Aktiengesellschaften. Als Hauptaktionär übt er weltweit einen entscheidenden Einfluss auf deren Geschäftspolitik aus.
„An die Stelle der Marktwirtschaft tritt Machtwirtschaft“, bringt es Schick auf den Punkt. Das zeige sich darin, dass bei gleichzeitigem Besitz von Anteilen eigentlich konkurrierender Unternehmen der Wettbewerb leide, wie es seit langem von Wissenschaftler*innen und Kartellbehörden kritisieren würde. Aber es komme noch schlimmer: „Nehmen wir beispielsweise Blackrocks Datenanalysesystem Aladdin. Das System kommt bei zahlreichen Unternehmen und Zentralbanken zum Einsatz; es hilft bei der Verwaltung von gut zehn Prozent der globalen Vermögenswerte, das sind mehr als 20 Billionen Dollar. Hier trifft also ein relevanter Anteil der weltweiten Investoren seine Entscheidungen mithilfe eines gemeinsamen Systems. Tendenziell begünstigt diese Verflechtung riskantes Herdenverhalten – und erhöht damit Risiken, die die Finanzstabilität gefährden. Außerdem steigert Aladdin nach dem Motto ‚Wissen ist Macht‘ Blackrocks Position in der weltweiten Finanzwirtschaft.“
Auch erwähnt Schick BlackRocks enge Kontakte in die Politik. So beabsichtige etwa Friedrich Merz (CDU), „langjähriger Deutschland-Statthalter des Konzerns“, in der nächsten Bundesregierung „Superminister für Wirtschaft und Finanzen“ zu werden. Obwohl BlackRock eine Marktmacht erzeuge, die kein Staat mehr kontrollieren könne, werde, so Schick, selten von dem Konzern gesprochen, wenn im politischen Raum von der Macht der US-Konzerne die Rede sei.
Was soll seiner Meinung nach „zur Stärkung der Marktwirtschaft und zur Schwächung der Machtwirtschaft“ geschehen? „Es geht nicht ohne eine Aufteilung, sprich Zerschlagung des Konzerns in mehrere Teilbereiche. Nur so können Interessenkonflikte vermieden und Macht beschränkt werden. (…) Außerdem braucht es mehr Transparenz bei der Ausübung von Stimmrechten und der Einflussnahme bei Unternehmen. Generell benötigen wir bei Schattenbanken, zu denen Blackrock zählt, endlich eine der Bankenregulierung vergleichbare Begrenzung der Kreditfinanzierung (Leverage), Mindestvorgaben für die Liquidität und einen von den Unternehmen zu finanzierenden Notfallfonds, damit nicht wieder der Staat mit Milliardenspritzen als Retter einspringen muss.“
Überdies sollten Interessenkonflikte unterbunden werden: Die öffentliche Hand dürfe nicht länger BlackRock als Berater bei Aufträgen engagieren, an denen der Konzern wie im Fall Griechenland eigene Interessen habe. Bei den Großbanken hätte man gesehen, zu welchen Kosten es für die Gesellschaft kommt, wenn Marktmacht und Erpressungspotenzial erst in einer Finanzkrise zum Thema werden. Denn für Bankenrettungen mussten in der Weltfinanzkrise Milliarden an Steuergeldern ausgegeben werden, weil versäumt worden sei, den Aufstieg von Lehman Brothers und Co. zu systemrelevanten Megainstituten mit Bilanzsummen in Billionenhöhe rechtzeitig zu verhindern. „Daraus“, so Schick, „müssen wir beim Aufstieg von Blackrock Konsequenzen ziehen – und die wirtschaftliche Macht des Konzerns rechtzeitig brechen“.
Schicks Beschreibung der Bedeutung von BlackRock ist jedoch nicht ganz neu. Dass von BlackRock nur selten die Rede sei, wenn es über die Macht von US-Konzernen im politischen Bereich geht, darf bezweifelt werden. So fand im September 2020 an der Freien Universität Berlin ein „BlackRock-Tribunal“ statt, bei dem der Konzern öffentlichkeitswirksam „an den Pranger“ gestellt wurde. Folgendes symbolisches Urteil wurde gefällt: „Das Unternehmen Blackrock mit dem juristischen Sitz in der US-amerikanischen Finanzoase Wilmington/Delaware und dem operativen Hauptsitz in New York wird aufgelöst. Das betrifft auch alle Tochtergesellschaften in den USA und im Ausland.“ (vgl. „BIG-Nachricht“ vom 4. Oktober 2020)
In jüngster Vergangenheit wurde immer wieder über die Rolle der neuen, weltweit agierenden Kapitalakteure berichtet, sowohl in politisch links orientierten Medien wie auch in der bürgerlichen Presse. Deshalb folgen am Schluss einige Lektüreempfehlungen.
* Ein ETF („Exchange Traded Fund”) ist ein börsengehandelter Indexfonds, der die Wertentwicklung eines Index, zum Beispiel des Dax, abbildet.
Quelle:
Gerhard Schick: „Die Macht brechen: Blackrock muss zerschlagen werden“ (Gastkommentar), Handelsblatt (Online) vom 1. Juni 2021
Empfohlene Lektüre für den Einstieg in das Thema:
Werner Rügemer: „BlackRock-Kapitalismus. Das neue transatlantische Finanzkapital“, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 10/2016, Seite 70-83
https://www.blaetter.de/ausgabe/2016/oktober/blackrock-kapitalismus
Harald Schumann/Elisa Simantke: „BlackRock – Ein Geldkonzern auf dem Weg zur globalen Weltherrschaft“, in: Tagesspiegel vom 8. Mai 2018
https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/b–lackrock-ein-geldkonzern-auf-dem-weg-zur-globalen-vorherrschaft/21246966.html
Über den Einfluss BlackRocks auf den deutschen Wohnungsmarkt:
Arbeitsausschuss Immobilien-Aktiengesellschaften der Berliner MieterGemeinschaft (Hg.), „Den Aktionären verpflichtet. Immobilien-AGs – Umverteilungsmaschinerie und neue Macht auf den Wohnungsmärkten“, Berlin, Januar 2019 (Kapitel V: „Wem gehören eigentlich die börsennotierten Immo-AGs?“), Seite 16-19