Lohnbetrug billigend in Kauf genommen

Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung zu bekämpfen ist Aufgabe der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS), angesiedelt beim Zoll. Nach Angaben der Bundesregierung auf eine Anfrage von Die Linke im Bundestag sind Unternehmenskontrollen zur Bekämpfung von Mindestlohnverstößen im Jahr 2023 um rund 20 Prozent auf etwa 42.600 zurückgegangen. Statt der veranschlagten 11.250 Beamten ermittelten im vergangenen Jahr nur 8.900 Fahnder gegen die Lohndrücker, etwa 2400 Stellen blieben unbesetzt. Im Jahr 2022 betrug die Lücke nur knapp 1980 Dienststellen, berichtet die Augsburger Allgemeine Ende Juli. Trotz der geringeren Anzahl an Kontrollen wurden aber deutlich mehr Verstöße festgestellt und Verfahren wegen Mindestlohnbetrugs eingeleitet – etwa ein Viertel mehr als im Vorjahr.

Die Linken-Arbeitsmarktexpertin Susanne Ferschl kommt dennoch zum Schluss, dass durch die Minderbesetzung der Behörde insbesondere durch das Finanzministerium „Lohnbetrug billigend in Kauf genommen“ werde. Betrug bei Löhnen, Steuern und Sozialabgaben sei aber kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat.

„Schätzungen von Ökonomen gehen davon aus, dass etwa zehn Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung an Recht und Gesetz vorbei erbracht werden. Das entspricht einem Wert von rund 500 Milliarden Euro. Das wiederum deckt sich mit der Größenordnung des Bundeshaushalts. Durch die Schattenwirtschaft entgehen dem Staat Steuereinnahmen und den Sozialkassen Beiträge. Der Zoll selbst beziffert die aufgedeckten Schäden auf 615 Millionen Euro, die Dunkelziffer dürfte deutlich darüber liegen.“ (Augsburger Allgemeine)

Besonders die Baubranche steht dabei im Fokus der Fahnder. Die Süddeutsche Zeitung (SZ) beschreibt eindrucksvoll die skandalöse Situation:

„Es ist ein unscheinbarer Eingang. Doch hier, direkt neben einer Bahnstrecke in Frankfurt am Main, hinter einem alten metallenen Rolltor, gibt es einen Einblick in die Realitäten des deutschen Niedriglohnsektors. Vor Jahrzehnten hat eine Baufirma an dieser Stelle Unterkünfte für ihre Angestellten errichtet. Auf den ersten Blick erinnern die Gebäude an holzvertäfelten Garagen. Das Unternehmen ist längst pleitegegangen, die Anlage schimmelt seitdem vor sich hin, vermietet wird sie trotzdem noch. 800 Betten gibt es in den Baracken und dem ähnlich heruntergekommenen Wohnblock daneben, drei bis vier pro Zimmer. Es ist das Zuhause von Hunderten ausländischen Bauarbeitern, die allermeisten von ihnen aus Rumänien. (…)

Alle, die hier wohnen, verdienen weit unter dem Tariflohn, teilweise auch unter dem Mindestlohn. In der Baubranche mit ihren vielen Subunternehmern kommt das häufiger vor. Doch das Problem des Lohnbetrugs geht weit über die Baustellen hinaus: Mehr als zwei Millionen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen wurden 2021 unter Mindestlohn bezahlt (…). Immerhin fast fünf Prozent der arbeitenden Bevölkerung – ein Wert, der deutlich über dem EU-Durchschnitt liegt.“

Gegenüber der SZ stellt der Wirtschaftssoziologe von der Universität Duisburg, Gerhard Bosch, einen „politischen Unwillen“ bei der Verfolgung von Lohn- und Sozialversicherungsbetrug fest. „Manche meinen“, so Bosch, „das sei ein Standortvorteil, wenn man nicht so genau hinschaut“. Auch Finanzminister Lindner (FDP) beklagte wiederholt, in Deutschland werde zu viel am Fiskus vorbei gearbeitet. Die Augsburger Allgemeine kommentiert spöttisch: „Zuletzt hat sich der Fokus auf Bürgergeldbezieher verschoben, die Stütze kassieren und sich nebenher schwarz etwas hinzuverdienen. Die Ampel-Koalition hat sich darauf verständigt, ihnen die Leistung um 30 Prozent zu kürzen, wenn ein Sozialbetrug aufgedeckt wird.“

Quellen:

Christian Grimm: „Zoll fehlen über 2000 Beamte im Kampf gegen Schwarzarbeit“, Augsburger Allgemeine (Online) vom 30. Juli 2024

https://www.augsburger-allgemeine.de/wirtschaft/schattenwirtschaft-zoll-fehlen-ueber-2000-beamte-im-kampf-gegen-schwarzarbeit-102924229

 

„Drill, baby, drill“

Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung zu bekämpfen ist Aufgabe der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS), angesiedelt beim Zoll. Nach Angaben der Bundesregierung auf eine Anfrage von Die Linke im Bundestag sind Unternehmenskontrollen zur Bekämpfung von Mindestlohnverstößen im Jahr 2023 um rund 20 Prozent auf etwa 42.600 zurückgegangen. Statt der veranschlagten 11.250 Beamten ermittelten im vergangenen Jahr nur 8.900 Fahnder gegen die Lohndrücker, etwa 2400 Stellen blieben unbesetzt. Im Jahr 2022 betrug die Lücke nur knapp 1980 Dienststellen, berichtet die Augsburger Allgemeine Ende Juli. Trotz der geringeren Anzahl an Kontrollen wurden aber deutlich mehr Verstöße festgestellt und Verfahren wegen Mindestlohnbetrugs eingeleitet – etwa ein Viertel mehr als im Vorjahr.

Die Linken-Arbeitsmarktexpertin Susanne Ferschl kommt dennoch zum Schluss, dass durch die Minderbesetzung der Behörde insbesondere durch das Finanzministerium „Lohnbetrug billigend in Kauf genommen“ werde. Betrug bei Löhnen, Steuern und Sozialabgaben sei aber kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat.

„Schätzungen von Ökonomen gehen davon aus, dass etwa zehn Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung an Recht und Gesetz vorbei erbracht werden. Das entspricht einem Wert von rund 500 Milliarden Euro. Das wiederum deckt sich mit der Größenordnung des Bundeshaushalts. Durch die Schattenwirtschaft entgehen dem Staat Steuereinnahmen und den Sozialkassen Beiträge. Der Zoll selbst beziffert die aufgedeckten Schäden auf 615 Millionen Euro, die Dunkelziffer dürfte deutlich darüber liegen.“ (Augsburger Allgemeine)

Besonders die Baubranche steht dabei im Fokus der Fahnder. Die Süddeutsche Zeitung (SZ) beschreibt eindrucksvoll die skandalöse Situation:

„Es ist ein unscheinbarer Eingang. Doch hier, direkt neben einer Bahnstrecke in Frankfurt am Main, hinter einem alten metallenen Rolltor, gibt es einen Einblick in die Realitäten des deutschen Niedriglohnsektors. Vor Jahrzehnten hat eine Baufirma an dieser Stelle Unterkünfte für ihre Angestellten errichtet. Auf den ersten Blick erinnern die Gebäude an holzvertäfelten Garagen. Das Unternehmen ist längst pleitegegangen, die Anlage schimmelt seitdem vor sich hin, vermietet wird sie trotzdem noch. 800 Betten gibt es in den Baracken und dem ähnlich heruntergekommenen Wohnblock daneben, drei bis vier pro Zimmer. Es ist das Zuhause von Hunderten ausländischen Bauarbeitern, die allermeisten von ihnen aus Rumänien. (…)

Alle, die hier wohnen, verdienen weit unter dem Tariflohn, teilweise auch unter dem Mindestlohn. In der Baubranche mit ihren vielen Subunternehmern kommt das häufiger vor. Doch das Problem des Lohnbetrugs geht weit über die Baustellen hinaus: Mehr als zwei Millionen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen wurden 2021 unter Mindestlohn bezahlt (…). Immerhin fast fünf Prozent der arbeitenden Bevölkerung – ein Wert, der deutlich über dem EU-Durchschnitt liegt.“

Gegenüber der SZ stellt der Wirtschaftssoziologe von der Universität Duisburg, Gerhard Bosch, einen „politischen Unwillen“ bei der Verfolgung von Lohn- und Sozialversicherungsbetrug fest. „Manche meinen“, so Bosch, „das sei ein Standortvorteil, wenn man nicht so genau hinschaut“. Auch Finanzminister Lindner (FDP) beklagte wiederholt, in Deutschland werde zu viel am Fiskus vorbei gearbeitet. Die Augsburger Allgemeine kommentiert spöttisch: „Zuletzt hat sich der Fokus auf Bürgergeldbezieher verschoben, die Stütze kassieren und sich nebenher schwarz etwas hinzuverdienen. Die Ampel-Koalition hat sich darauf verständigt, ihnen die Leistung um 30 Prozent zu kürzen, wenn ein Sozialbetrug aufgedeckt wird.“

Quellen:

Christian Grimm: „Zoll fehlen über 2000 Beamte im Kampf gegen Schwarzarbeit“, Augsburger Allgemeine (Online) vom 30. Juli 2024

https://www.augsburger-allgemeine.de/wirtschaft/schattenwirtschaft-zoll-fehlen-ueber-2000-beamte-im-kampf-gegen-schwarzarbeit-102924229

 Leonard Scharfenberg: „Außer Kontrolle“, Süddeutsche Zeitung vom 17./18. August 2024