Nach einer im März dieses Jahres herausgegebenen Studie der International Labour Organization (ILO) erzielt die Privatwirtschaft durch Zwangsarbeit jährlich 236 Milliarden US-Dollar an illegalen Gewinnen. Dies sei ein dramatischer Anstieg um 37 Prozent seit dem Jahr 2014 – „angetrieben sowohl durch eine wachsende Zahl von Menschen, die zur Zwangsarbeit gezwungen wurden, als auch durch höhere Gewinne erzielt durch die Ausbeutung der Opfer“. (Pressemitteilung vom 19. März)

Wie es in der genannten Pressemitteilung weiter heißt, sind die jährlichen illegalen Profite pro Opfer in Europa und Zentralasien am höchsten, gefolgt von den Arabischen Staaten, Nord- und Südamerika, Afrika sowie Asien und dem Pazifik.

Zwangsarbeit ist in fast allen Bereichen der Wirtschaft zu finden. Mehr als zwei Drittel der gesamten illegalen Gewinne entfallen auf die kommerzielle sexuelle Zwangsausbeutung, obwohl sie nur 27 Prozent der Gesamtzahl der Opfer von privater Zwangsarbeit ausmacht. Über die Dunkelziffer ist naturgemäß nichts bekannt:

„Nach der kommerziellen sexuellen Zwangsausbeutung ist die Industrie mit 35 Milliarden US-Dollar der Sektor mit den höchsten jährlichen illegalen Gewinnen aus Zwangsarbeit, gefolgt vom Dienstleistungssektor (20,8 Milliarden US-Dollar), Landwirtschaft (5,0 Milliarden US-Dollar) und Hausarbeit (2,6 Milliarden US-Dollar). Bei diesen illegalen Gewinnen handelt es sich um die Löhne, die rechtmäßig in die Taschen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gehören, stattdessen aber bei den Ausbeutern verbleiben.“ (Pressemitteilung vom 19. März 2024)

Als Zwangsarbeit definiert die ILO „jede Arbeit oder Dienstleistung, die von einer Person unter Androhung einer Strafe verlangt wird und für die sich diese Person nicht freiwillig zur Verfügung gestellt hat“ (junge Welt). Im Jahr 2021 waren danach an  jedem Tag 27,6 Millionen Menschen von Zwangsarbeit betroffen.

Die ILO-Studie stellt flüchtende Menschen als besonders gefährdet heraus, da sie häufig kommerziellen Fluchthelfern ausgeliefert sind und ihre Schulden durch Zwangsarbeit zurückzahlen müssen (vgl. Studie, Seite 19ff.).

Die junge Welt ergänzt: 

„Schuldenknechtschaft kann (..) praktisch überall dort entstehen, wo der Ausbeuter finanziell in Vorleistung tritt. Sei es, dass er die Reisekosten und die Gebühren für das Visum bezahlt oder korrupte Beamte bestochen hat. Oft müssen Arbeiter auch für ihre Ausrüstung oder Arbeitskleidung selbst aufkommen und nehmen dafür einen Kredit auf. Ist die Arbeit informell, was laut ILO beispielsweise auf 80 Prozent der Hausangestellten zutrifft, sind zu geringe Löhne und unbezahlte Überstunden üblich. ‚Das Fehlen formeller Verträge bedeutet weniger Lohntransparenz und eine größere Anfälligkeit für Lohnmissbrauch‘, stellen die Studienmacher fest. Ähnliches gelte auch für Saisonarbeiter in der Landwirtschaft.“

Die Studie äußert sich auch zu notwendigen Gegenmaßnahmen:

„In dem Bericht wird die dringende Notwendigkeit betont, in Vollstreckungsmaßnahmen zu investieren, um illegale Gewinnströme einzudämmen und die Täter zur Verantwortung zu ziehen. Er empfiehlt die Stärkung des Rechtsrahmens, die Schulung von Vollzugsbeamten, die Ausweitung der Arbeitsaufsicht auf Hochrisikosektoren und eine bessere Koordinierung zwischen arbeitsrechtlicher und strafrechtlicher Verfolgung.“ (Pressemitteilung vom 19. März 2024)

Quellen:

„Profits and Poverty. The economics of forced labour“, hrsg. von International Labour Office (ILO), März 2024

https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/—ed_norm/—ipec/documents/publication/wcms_918034.pdf

„Jährliche Gewinne aus Zwangsarbeit steigen um 236 Milliarden US-Dollar nach Daten der ILO“, Pressemitteilung der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) vom 19. März 2024

https://www.ilo.org/berlin/presseinformationen/WCMS_920156/lang–de/index.htm

Gerrit Hoekman. „Das Joch der Jobs“, junge Welt vom 21. März 2024

https://www.jungewelt.de/artikel/471841.mehrwertproduktion-das-joch-der-jobs.html?