Der Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift iz3w („Informationszentrum 3. Welt“) widmet sich dem Thema „Banden und Rackets“, also der Schnittstelle von Politik und Kriminalität. Nachfolgend ein Auszug aus dem Einleitungstext des Hefts: „Die basale Bedeutung von Racket ist Gewaltkriminalität wie zum Beispiel Schutzgelderpressung. In der Racket-Theorie meint es den Umbau des Staates zum Anhängsel einer Clique oder einer völkisch-faschistischen Gruppe, wie es die NSDAP war. Der Racket entsteht innerhalb der liberalen Ordnung und kann diese ergänzen, beseitigen oder ersetzen. Die Konkurrenz der Kapitale führt zu einer Konzentration von Reichtum; und auch kriminelle oder rechtsextreme Netzwerke kämpfen dabei um die Vorherrschaft. Dabei kann sich die liberale, konkurrenzbasierte und rechtlich vermittelte Gesellschaftsordnung aufheben. Das Kapital bildet Banden.“ (Seite 17)

Der Themenschwerpunkt umfasst acht Beiträge: Der Autor Thorsten Fuchshuber analysiert den Racket-Begriff in der Kritischen Theorie bei Max Horkheimer (vgl. auch die Rezension seines Buches zum Thema unter http://big.businesscrime.de/rezensionen/kampf-um-die-beute/). In weiteren Beiträgen werden aktualisierte Formen einer Racket-Herrschaft anhand der „postsozialistischen Korruptionsgesellschaft im Kosovo“ und von Viktor Orbáns „Staat der Seilschaften“ beschrieben.

Weiterhin schildern zwei Anthropologen, wie Justiz, Wirtschaft und Verwaltung im Norden Malis zum Teil von islamistischen, teilweise aber auch von lokal agierenden Stammesmilizen dominiert werden. Ein Afrikanist beleuchtet unter anderem die Rolle islamistischer Gruppen in Nigeria. Eine Mitarbeiterin von medico international geht auf den Zusammenhang von Hilfsgeldern und Korruption in Haiti ein. Und schließlich berichtet eine Politologin in einem Interview über ihre Forschungen zu neuen Formen der organisierten Kriminalität in Mexiko.

Für Winfried Rust, Mitarbeiter im iz3w, entstehen kriminelle Banden „im Vakuum der krisenhaften ökonomischen Umbrüche“ (Seite 18). Wir zitieren nachfolgend Auszüge aus seinem Artikel „Bildet keine Banden!“:

„Das Thema Banden ist relevant, weil es die bürgerliche Gesellschaft wie ein Schatten verfolgt und Leid und Tod mit sich bringt. Weltweit zeigt sich ein Machtzugewinn bandenartiger Strukturen innerhalb und jenseits der staatlichen Gewaltmonopole. Gerade in Ländern des Globalen Südens wird heute in ganzen Regionen Herrschaft von Banden ausgeübt, oft durch brutale Gewalt. (…) Das 21. Jahrhundert ist eine Zeit krisenhafter Ökonomie, Staatlichkeit und Gesellschaftlichkeit. Dabei versuchen Kriminelle und Banden, jedes sich öffnende Vakuum von Herrschaft und Gelderwerb zu füllen. Das 21. Jahrhundert ist außerdem von einer Krise der liberalen Demokratie und der Moderne geprägt. Die Krise gebiert die konformistische Revolte. Der antimoderne Reflex reicht von den neurechten und rechtspopulistischen Bewegungen in Europa oder den USA bis hin zu der islamistischen Bewegung oder anderen fundamentalistischen und autoritären Strömungen weltweit. Die entsprechende Organisationsform ist nicht selten die Bande oder der Racket, die versuchen, ins Vakuum der Transformationen vorzustoßen.“ (Seite 18ff.)

Quelle:

„Verbrechen lohnt sich – Rackets & Bandenherrschaft“, iz3W, Ausgabe 389, März/April 2022
https://www.iz3w.org/zeitschrift/ausgaben/389_rackets