Im Frühjahr 2020 beherrschten im Kontext der Corona-Krise die skandalösen Arbeitsbedingungen in deutschen Schlacht- und Zerlegebetrieben vorübergehend die Schlagzeilen. So wurden im Juni mehr als 1.500 Beschäftigte der Firma Tönnies im ostwestfälischen in Rheda-Wiedenbrück positiv auf das Coronavirus getestet und der Betrieb für rund vier Wochen geschlossen.

Zur Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen beschloss die Bundesregierung am 27. Juni 2020 den Entwurf eines Gesetzes, das Werkvertragsbeschäftigung und Arbeitnehmerüberlassung in industriellen Schlachtbetrieben unterbinden soll. Einen zentralen Punkt des Gesetzesentwurfs zum Arbeitsschutzkontrollgesetz bildet dabei das Verbot der Beschäftigung auf Basis von Werkverträgen ab Januar 2021 und von Leiharbeit ab April 2021 in Betrieben mit über 50 Beschäftigten.

Die Gewerkschaft NGG beschreibt den aktuellen Stand des Gesetzgebungsverfahrens:

„Das Gesetz wäre ein Meilenstein auf dem Weg zu ordentlichen Bedingungen in der deutschen Fleischwirtschaft. Ob die wirklich kommen, steht allerdings in den Sternen. Der Gesetzgebungsprozess ist ins Stocken geraten (…) Zuletzt war auf Betreiben von CDU/CSU die Beratung über das Arbeitsschutzkontrollgesetz von der Tagesordnung des Bundestages verschwunden. Hinter den Kulissen wird weiter zwischen den Mitgliedern der Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD um die Zukunft des Gesetzes gerungen. Ob es wie geplant zum 1. Januar 2021 in Kraft treten kann, ist unklar. Ebenso unklar ist, ob das Gesetz dann noch seinen Zweck erfüllen kann: Es droht die Gefahr, dass das Arbeitsschutzkontrollgesetz weichgespült, durchwässert und zum zahnlosen Tiger wird (…) Es bleibt abzuwarten, ob den schönen Worten aus dem Frühjahr doch noch Taten folgen. Oder, ob die Fleischlobby einmal mehr ganze Arbeit geleistet hat und das geplante Gesetz dank ihres Engagements so durchlöchert wird, dass in der Fleischwirtschaft der Ausbeutung weiterhin Tür und Tor offen stehen.“

Auch Peter Birke warnt in einem Beitrag der Zeitung express (Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit) vor der Macht der Branchenlobby:

„Zwar ist das Verbot der Werkverträge und der Leiharbeit ein Schritt in die richtige Richtung. Doch Betriebe, die Werkverträge unlängst abgeschafft haben, greifen oft auf kurzzeitige Befristungen zurück. Andere Forderungen, die die Position der ArbeiterInnen stärken würden, standen in der Debatte nicht einmal auf der Tagesordnung: so der Zugang zu Lohnersatzleistungen und sozialen Rechten für alle hier Arbeitenden, eine wirksame Kontrolle der Arbeitszeiten und -bedingungen, etwa durch ein Verbandsklagerecht, eine Amnestie für alle Beschäftigten, die bei Razzien als illegalisiert identifiziert werden. Schließlich ist – Stand 9. November 2020 – zudem offen, ob ein Verbot der Leiharbeit gegen die Fleischindustrie-Lobby in der CDU/CSU durchsetzbar ist. Der vorgesehene Gesetzesentwurf wurde deshalb zunächst auf Eis gelegt, und es ist derzeit unklar, ob der Zeitplan noch gehalten werden kann. (…) Es wird deutlich, dass die Fleischindustrie strategisch Werkverträge teilweise durch Leiharbeit ersetzen möchte und ein Comeback der Leiharbeit für die Fleischwirtschaft vorbereitet. Dabei wird argumentiert, dass die Leiharbeit im Unterschied zur Werkvertragsarbeit formal in die Betriebe und die Verantwortung der Fleischunternehmer integriert ist. Wird also die Reform noch einmal halbiert?“

Aus Protest gegen die Entwicklung wurde am 6. November 2020 ein von 142 Aktivist*innen und Wissenschaftler*innen unterschriebener offener Brief an die Regierungsfraktionen im Deutschen Bundestag übermittelt.

Quellen:

„Fleischwirtschaft: Schöne Worte, keine Taten: CDU/CSU blockiert“, Meldung der Gewerkschaft NGG vom 13. November 2020
https://www.ngg.net/alle-meldungen/meldungen-2020/fleischwirtschaft-schoene-worte-keine-taten-cducsu-blockiert/

Peter Birke: „Eine halbe halbierte Reform in der Fleischindustrie?“, express (Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 11/2020
https://express-afp.info/wp-content/uploads/2020/11/birke_eine-halb-halbierte-reform_express112020.pdf

„Offener Brief an die Regierungsfraktionen: Keine Verwässerung der Gesetzesinitiative zur Fleischindustrie!“ vom 6. November 2020
https://www.labournet.de/wp-content/uploads/2020/11/fleischgesetz-offenerbrief.pdf