Wie dramatisch sich die Spaltung in Arm und Reich – innerhalb von Gesellschaften und zwischen diesen – in der Corona-Pandemie verschärft hat, belegt eine am 17. Januar 2022 vorgestellte Studie der Entwicklungsorganisation Oxfam. Danach ist sowohl der Reichtum von Milliardär*innen als auch die Geschwindigkeit, mit der sie seit März 2020 ihr Vermögen vergrößert haben, in der Geschichte der Menschheit beispiellos. Das Vermögen der aktuell 2.755 Milliardär*innen stieg seitdem um fünf Billionen US-Dollar, von 8,6 auf 13,8 Billionen. Sie vermehrten damit ihr Vermögen während der Pandemie noch stärker als in den gesamten vierzehn Jahren zuvor – die aber selbst schon einem „Goldrausch für Superreiche“ (Oxfam, Seite 3) glichen.
Bereits 2019, so Oxfam, lebte fast die Hälfte der Menschheit – 3,2 Milliarden Menschen – unterhalb der von der Weltbank definierten erweiterten Armutsgrenze von 5,50 Dollar pro Tag. Heute sind es aufgrund der Pandemie weltweit 163 Millionen Menschen zusätzlich. Währenddessen konnten während der Pandemie die weltweit zehn reichsten Milliardäre ihr Vermögen verdoppeln – auf insgesamt 1,5 Billionen US-Dollar.
Mit Bezug auf eine Untersuchung des Paritätischen Gesamtverbandes stellt Oxfam auch für Deutschland eine im Vergleich zu anderen EU-und OECD-Ländern sehr starke Konzentration der Vermögen fest. Die zehn reichsten Personen haben demnach ihr Vermögen seit Beginn der Pandemie um rund 78 Prozent gesteigert – von etwa 144 Milliarden auf etwa 256 Milliarden US-Dollar. Dieser Gewinn entspricht fast dem Gesamtvermögen der ärmsten 40 Prozent, also von 33 Millionen Deutschen. Die Armutsquote in Deutschland erreichte währenddessen mit 16,1 Prozent einen Höchststand; 13,4 Millionen Menschen leben hierzulande in Armut.
Oxfam nennt als Ursache für die wachsende soziale Ungleichheit die „Profitlogik unserer Wirtschaft“. Die daraus folgende „strukturelle wirtschaftliche Gewalt“ hätte zum Teil tödliche Konsequenzen: Jeden Tag würden mindestens 15.000 Menschen sterben, weil ihnen eine adäquate medizinische Versorgung verwehrt bliebe. Im Zentrum wirtschaftlicher Entscheidungen dürfe nicht länger nur der Profit, sondern müsse vor allem das Gemeinwohl stehen. Die NGO spricht sich deshalb für ein „gerechtes und demokratisches Wirtschaftssystem“ aus. Weltweit sollten die Regierungen Konzerne und Superreiche stärker besteuern, Impfstoffe müssten als öffentliches Gut behandelt und Unternehmen demokratisiert und gemeinwohlorientiert ausgerichtet werden. Von der Bundesregierung fordert Oxfam konkret, die Vermögensteuer in Deutschland wieder einzuführen und eine einmalige Abgabe auf Vermögen über einer Million Euro „zu prüfen“.
Quellen:
„Gewaltige Ungleichheit: Warum unser Wirtschaftssystem von struktureller Gewalt geprägt ist und wie wir es gerechter gestalten können“, hrsg. von Oxfam Deutschland e.V., Januar 2022
https://www.oxfam.de/system/files/documents/oxfam_factsheet_gewaltige_ungleichheit.pdf
„10 reichste Männer verdoppeln ihr Vermögen – über 160 Millionen Menschen zusätzlich in Armut“, Nachricht von Oxfam vom 17. Januar 2022
https://www.oxfam.de/ueber-uns/aktuelles/corona-pandemie-ungleichheit-10-reichste-maenner-verdoppeln-vermoegen