Eine gemeinsam von der NGO Finanzwende und der Heinrich-Böll-Stiftung herausgegebene aktuelle Studie untersucht das Agieren aggressiv auftretender Investoren im Pflegebereich. Welche Rolle haben Private-Equity-Firmen in den letzten Jahren für die Finanzialisierung des Pflegesektors gespielt? Anhand der drei Beispiele Deutschland, Frankreich und Großbritannien wird erläutert, wie und mit welchen Ergebnissen sich Finanzmarktakteure mit hohen Gewinnerwartungen auch in diesem sensiblen Bereich der Daseinsfürsorge ausbreiten, also Pflegheimgruppen aufkaufen und sie in kurzer Zeit gewinnbringend umgestalten.

„Der Pflegesektor scheint das perfekte Investitionsziel für Private-Equity-Firmen und die dahinterstehenden Investoren zu sein. Die Nachfrage nach Pflegedienstleistungen ist rasch gestiegen und wird angesichts einer alternden Bevölkerung weiter zunehmen. Der Sektor bietet verlässliche Einkommensströme durch Pflegeversicherungen, Steuergelder sowie die Eigenbeteiligungen von Patienten und Angehörigen. Zudem sind die Immobilien von Pflegeheimketten für Investorinnen ein attraktiver Vermögensgegenstand, der in Paketen an andere Investoren weiterverkauft werden kann.“ (Théo Bourgeron et al., Seite 3)

Die Studie zeigt, dass die verschiedenen Private-Equity-Firmen in ihrer Renditeorientierung ähnlich vorgehen. Erleichtert wird deren Agieren durch den geringen gewerkschaftlichen Organisationsgrad sowie unzureichende Qualitätskontrollen in diesem Sektor.

  • Die Finanzunternehmen setzen nur wenig Eigenkapital ein, nutzen dagegen zum einen das Geld anderer Investoren wie etwa Pensionsfonds und zum anderen hohe Schulden, um Investitionen durchzuführen. Ein großer Teil der Schulden wird dann auf die erworbenen Unternehmen übertragen, so dass die langfristige Existenz der Pflegeheimgruppen gefährdet ist.
  • Pflegeheimgruppen müssen oft „Gesellschafterdarlehen“ mit hohen Zinssätzen bedienen. In der Folge führte das zu einzelnen Insolvenzen.
  • Private-Equity-Firmen strukturieren den Immobilienbestand erworbener Pflegeheimgruppen um. Nahezu alle Immobilien wurden in den untersuchten Fällen verkauft und anschließend nach der Methode „Sale & Lease Back“ wieder angemietet. 
  • Die Gewinne der Pflegeheimgruppen wurden in allen Fällen an Muttergesellschaften in Schattenfinanzzentren wie Luxemburg oder Jersey transferiert (vgl. Théo Bourgeron et al., Seite 3f.).

 

Die kontinuierlichen Übernahmen im deutschen Pflegeheimsektor verweisen auf die Strategie, größere Ketten zu schaffen, die mit großen Gewinnspannen weiterverkauft werden können. „So kaufte das US-amerikanische Private-Equity-Unternehmen Carlyle 2013 die deutsche Pflegeheimgruppe Alloheim für 180 Milllionen Euro und verkaufte das Unternehmen vier Jahre später für 1,1 Milliarden Euro an den nächsten Finanzinvestor.“ (Théo Bourgeron et al., Seite 14)

Die Studie stellt mit Bezug auf eine britische Untersuchung fest, dass bei Private-Equity-Modellen mindestens zehn Prozent der jährlichen Gesamteinnahmen des Sektors in Großbritannien in den Taschen von Finanzinvestoren landen. Die Bürgerbewegung Finanzwende geht davon aus, dass in Deutschland ähnliche Summen nicht bei den Pflegebedürftigen ankommen, sondern dem ohnehin schlecht finanzierten Pflegesystem entzogen werden.

Die Autor*innen bezweifeln, dass Private-Equity-Firmen überhaupt im Pflegebereich aktiv sein sollten. Unterstützt werden sie dabei vom Ergebnis einer zusätzlich in Auftrag gegebenen Umfrage, nach der 60 Prozent der Bevölkerung den Aufkauf von Pflegeheimen durch private Investoren ablehnen.

Was ist eigentlich Private Equity?

Eine ausführliche Erklärung findet sich auf Seite 14 der angegebenen Studie.

Quellen:

„Private-Equity-Investoren in der Pflege“, Finanzwende Recherche, 14. Oktober 2021

https://www.finanzwende-recherche.de/unsere-themen/private-equity-investoren-in-der-pflege/

„Neue Studie: Schädlicher Einfluss von Private-Equity-Investoren im Pflegebereich“, Pressemitteilung von Finanzwende Recherche, 14. Oktober 2021

https://www.finanzwende-recherche.de/2021/10/14/neue-studie-schaedlicher-einfluss-von-private-equity-investoren-im-pflegebereich/

Théo Bourgeron/Caroline Metz/Marcus Wolf: Private-Equity-Investoren in der Pflege: Eine Studie über das Agieren von Private-Equity-Investoren im Pflegebereich in Europa, Finanzwende/Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin 2021

https://www.finanzwende-recherche.de/wp-content/uploads/2021/10/Finanzwende_BourgeronMetzWolf_2021_Private-Equity-Investoren-in-der-Pflege_20211013.pdf

Eine vom Journalistenteam Investigate Europe durchgeführte Recherche stellt ebenfalls fest:

„Ein stetig wachsender Teil der staatlichen Ausgaben für die Pflege fließt in die Kassen transnationaler Unternehmen, die damit eine wichtigen Teil der sozialen Infrastruktur in ihren Besitz bringen; die 20 größten Konzerne verwalten bereits mehr als 4.681 Heime für mehr als 400.000 Pflegebedürftige (…).

Anonyme Finanzinvestoren übernehmen immer größere Anteile am Pflegegeschäft und entziehen ihre mit öffentlichen Geldern erzielten Gewinne der Besteuerung, indem sie ihre Erlöse in Offshore-Zentren verschieben.

Die zunehmende Privatisierung geht in vielen EU-Ländern einher mit Einsparungen beim Personal und Mängeln bei der Pflegequalität, aber die Regierungen lassen den Prozess laufen und versagen vielerorts bei der Kontrolle.

Quelle:

Nico Schmidt/Harald Schumann: „Heime als Gewinnmaschinen für Konzerne und Investoren“, Der Tagesspiegel vom 16. Juli 2021

https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/das-milliardengeschaeft-altenpflege-heime-als-gewinnmaschinen-fuer-konzerne-und-investoren/27424770.html

vgl. auch:

https://www.investigate-europe.eu/de/2021/heime-als-gewinnmaschinen-fuer-konzerne-und-investoren/

https://www.investigate-europe.eu/de/2021/millardengeschaeft-altenpflege-konzerne/