Fehlender Mindestlohn in Bayern

Das Projekt „Faire Mobilität“ des DGB teilte der Tageszeitung taz im August 2020 mit, ein großer Gemüsehof im bayerischen Mamming mit etwa 500 Saisonarbeitskräften – vor allem aus Rumänien – habe den gesetzlichen Mindestlohn umgangen, den Arbeiter*innen ihre Personalausweise weggenommen und die Menschen ohne Corona-Sicherheitsabstand untergebracht. In dem Großbetrieb hatten sich 250 Erntehelfer*innen mit Corona infiziert. Der Hof gilt als einer der größten Infektionsherde in Deutschland. Die dort Beschäftigten hätten teilweise nur sechs Euro pro Stunde statt der vorgeschriebenen 9,35 Euro erhalten. Ein Teil des Lohns musste demnach noch für die Unterkunft und die Endreinigung abgegeben werden. Außerdem hätten die Menschen 200 bis 300 Euro an einen Vermittler zahlen müssen. Der Ausweis sei erst nach Bezahlung der Vermittlungsgebühr zurückgegeben worden.

Quelle:

Jost Maurin: „Vorwürfe gegen Gemüsehof in Bayern“, taz vom 13. August 2020

https://taz.de/Vorwuerfe-gegen-Gemuesehof-in-Bayern/!5707029/

 

 

Menschenrechtsverstöße in Südafrika

Die aktuelle Studie „Günstiger Wein, bitterer Nachgeschmack“, unter anderem herausgegeben von der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Gewerkschaft ver.di, beschreibt die Lieferverbindungen von südafrikanischen Weinfarmen nach Deutschland und stellt dabei elementare Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen fest. Die Marktmacht des hiesigen Lebensmitteleinzelhandels setzt die Kellereien und Weinfarmen in Südafrika unter Preisdruck. Diese wiederum drücken als Reaktion darauf die Löhne, ersetzen Festangestellte durch Leiharbeiter*innen und vertreiben Arbeiter*innen willkürlich aus ihren Unterkünften.

Die Preismargen entlang der Zulieferkette der Supermarktkonzerne sind extrem ungleich. Ein Beispiel dafür sei für einen bestimmten Lieferkettentyp angegeben, bei dem die Kellereien (die die Trauben von den Winzerbetrieben zu Wein verarbeiten) den Wein als Tankwein weiterverkaufen. Die Weine werden erst in Deutschland von deutschen Kellereien in Flaschen abgefüllt.

Verkaufspreis für eine 0,75-Liter-Flasche Wein:                        2,49 Euro

Darin enthalten

Mehrwertsteuer:                                          19,0 Prozent             (0,47 Euro)

Discounter:                                                  24,2 Prozent             (0,60 Euro)

Kellerei in Deutschland (füllt Wein ab):   39,4 Prozent             (0,98 Euro)

Fracht und Import:                                         1,7 Prozent             (0,05 Euro)

Kellerei in Südafrika (produziert Wein):    7,6 Prozent             (0,19 Euro)

Weinfarm:                                                       6,7 Prozent             (0,17 Euro)

Farmarbeiter*in:                                            1,4 Prozent             (0,03 Euro)

(Idealtypische Berechnung für eine 0,75-Liter-Flasche Wein nach Preisen von 2017, vgl. Studie, Seite 15)

Es kann nicht überraschen, dass der Mindestlohn in der südafrikanischen Landwirtschaft aktuell nur 18,68 Rand pro Arbeitsstunde (rund 1,16 Euro) beträgt. Der Wochenlohn bei einer angenommenen 45-Stunden-Arbeitswoche liegt damit etwa ein Drittel unter dem von einer Nichtregierungsorganisation errechneten notwendigen existenzsichernden Einkommen eines Haushalts. Die Studie belegt anhand von Untersuchungen auf vier Farmen, dass grundlegende Menschenrechte verletzt werden (Recht auf angemessene Arbeitsbedingungen; Recht auf Gesundheit; Recht auf soziale Sicherheit; Recht, sich zu organisieren/Recht auf Kollektivverhandlungen; Recht auf angemessene Unterkunft). Diese Farmen beliefern sowohl Einzelhandelskonzerne wie Edeka und Kaufland/Real als auch den Weinfachhandel in Deutschland (vgl. Studie, Seite 3f.).

Der Autor der Studie fordert unter anderem, dass die deutsche Bundesregierung ein nationales Lieferkettengesetz verabschiedet, das menschenrechtliche Sorgfaltspflichten von transnational agierenden Unternehmen mit Sitz in Deutschland festschreibt. Eigentlich sollte das Gesetz Ende August im Bundeskabinett beschlossen werden. Was aber wegen der ablehnenden Haltung des Bundeswirtschaftsministers Altmaier, der das Gesetz offensichtlich mit allen Mitteln verhindern will, nicht geschah (vgl. neues deutschland vom 27. August 2020).

Quellen:

Benjamin Luig: „Günstiger Wein, bitterer Nachgeschmack. Weinexporte von Südafrika nach Deutschland, Studie der Rosa-Luxemburg-Stifung, von ver.di u.a., August 2020

https://www.rosalux.de/publikation/id/42827/guenstiger-wein-bitterer-nachgeschmack?cHash=9d47285a335b824c179f83fcd8e2bc80

Haidy Damm: „Lieferkettengesetz stockt“, neues deutschland vom 27. August 2020

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1140950.lieferkettengesetz-stockt.html?sstr=haidy|damm

 

 

Rechtlose Saisonarbeiter*innen in Süditalien

Mindestens dreitausend Menschen leben im Slum von Borgo Mezzanone, der größten illegalen Siedlung Italiens. Die hygienischen Bedingungen in dem Ort im süditalienischen Apulien kann man nur als prekär bezeichnen: Wasser muss von außerhalb des Camps beschafft werden, Strom gibt es nicht. Seit mehr als zwanzig Jahren werden hier Erntehelfer*innen für die Tomatenernte ausgebeutet, mit täglichen Arbeitszeiten von zehn bis zwölf Stunden. In den Sommermonaten halten sich rund siebentausend Menschen aus Afrika, aber auch Osteuropa in den informellen Siedlungen rund um Foggia auf. In der Zeitschrift der Freitag berichtet eine Gewerkschafterin dazu: “Die Erntehelfer*innen aus Rumänien und Bulgarien in den Orten in der Umgebung stehen immer unter Bewachung. Da sie nur als Saisonarbeiter*innen kommen, haben sie kein großes Interesse daran, ihre Rechte einzufordern. Sie akzeptieren sehr niedrige Löhne, um Geld für zu Hause zu verdienen. Gleichzeitig leben im Slum viele nigerianische Frauen, die für einen sogenannten anderen Markt vorgesehen sind.“

Eine Reporterin der Zeitung Die Welt nannte die Siedlung „den hoffnungslosesten Ort des Landes, vielleicht sogar ganz Europas“.

Quellen:

Alessia Manzi: „Apuliens Slum“, der Freitag vom 27. August 2020

Virginia Kirst: „Europas Ernte-Sklaven“, Die Welt vom 13. Juli 2020

https://www.welt.de/politik/ausland/plus211539447/Migranten-in-Italien-Europas-Ernte-Sklaven.html