Ein Gesetzentwurf des Bundeskabinetts vom 29. Juli 2020 sieht vor, vom kommenden Jahr an Werkverträge und Leiharbeit in der Fleischindustrie zu verbieten. Mit dem Beschluss reagiert die Bundesregierung allerdings weniger auf die seit Jahren bekannten „unterirdischen“ (Bundesarbeitsminister Hubertus Heil) Arbeitsbedingungen in der Branche. Vielmehr veranlasste die Verbreitung des Coronavirus in der Umgebung mehrerer deutscher Schlachthöfe die Politik zu ihrer gesetzgeberischen Initiative.

Arbeitsminister Heil zur Begründung des Gesetzentwurfs:
„16-Stunden-Tage und beengtes Wohnen in Gemeinschaftsunterkünften akzeptieren wir nicht länger. Gezielte Kontrolle und klare Verhältnisse sind das Gebot der Stunde. Deshalb werden wir den Missbrauch von Werkverträgen beenden, mehr Kontrollen und höhere Bußgelder einführen, Arbeitszeit elektronisch erfassen lassen und auch branchenübergreifend Standards für die Unterkünfte festlegen.“

https://www.bmas.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2020/bundeskabinett-verabschiedet-arbeitsschutzkontrollgesetz.html

Die Tageszeitung taz zitiert den Minister zudem mit den Worten: „Wir wollen, dass Menschen festangestellt werden und dass Gesundheitsschutz, Arbeitsschutz und faire Arbeitsbedingungen auch gewährleistet sind.“ In den vergangenen Jahren, so der Minister nach Angaben der taz, habe sich gezeigt, dass durch das „Sub-Sub-Sub-Unternehmertum“ keine Verantwortung übernommen worden ist. Schon vor Corona sei das eine Katastrophe“ gewesen, aber nun zum allgemeinen Pandemierisiko geworden.

https://taz.de/Verbot-von-Werkvertraegen-beschlossen/!5704767/ 

Die Gewerkschaft NGG schreibt dem beabsichtigten Gesetz eine „historische“ Bedeutung zu. Allerdings hält sie es zugleich für nicht nachvollziehbar, dass es „erst in Betrieben ab 50 Beschäftigte greifen soll und dass Werkverträge in der Branche bis Jahresende 2020, Leiharbeit aber noch drei Monate länger, bis Ende März 2021, erlaubt bleiben sollen“, wie es in einer Pressemitteilung vom 29. Juli heißt.

https://www.ngg.net/presse/pressemitteilungen/2020/ngg-fordert-arbeitgeber-der-fleischindustrie-zu-tarifverhandlungen-auf/

Übermäßiger Optimismus ist tatsächlich nicht angebracht. Denn es liegt bisher nur ein Regierungsbeschluss vor, der noch den Weg durch das Parlament gehen muss. „Und nach dem, was aus den Reihen der Union zu hören ist, ist sie gewillt, aus dem Entwurf des SPD-Ministers Hackfleisch zu machen. Denn der will der Leiharbeit generell an den Kragen, und vor allem der Wirtschaftsflügel der Union will das schon im Ansatz unterbinden“, kommentiert die taz.

https://taz.de/Tonnies-und-das-Verbot-von-Werkvertraegen/!5699464/

So fordert etwa der Wirtschaftsrat der CDU laut Pressemitteilung vom 29. Juli „Entlastungen für Betriebe statt immer neuer Eingriffe in die unternehmerische Freiheit“. Der Gesetzesentwurf zum Verbot von Zeitarbeit und Werkverträgen in der Fleischindustrie sei, so der Generalsekretär des Wirtschaftsrates, gerade für mittelständische Betriebe nach Datenschutzgrundverordnung, Mindestlohn-Dokumentation und Entgeltgleichheitsgesetz „ein weiterer regulatorischer Mühlstein um den Hals“. Zeitarbeit und Werkverträge bildeten für Unternehmer in Deutschland „ein zentrales Element, um durch arbeitsteilige Beschäftigung Flexibilität zu erhalten und Spitzen abzufedern“.

https://www.wirtschaftsrat.de/wirtschaftsrat.nsf/id/entlastungen-statt-eingriffe-in-unternehmerische-freiheit-de

Bei so viel Gegenwind aus marktliberalen Kreisen muss sich die Fleischindustrie wohl nicht allzu viele Sorgen machen. Noch einmal der Kommentar der taz:

„Die Politik muss deshalb dafür sorgen, dass ihre Regelungen auch effektiv überprüft werden. Und zwar, was Umwelt, Tierwohl und Arbeitsbedingungen angeht. Ein Blick in den Heil’schen Entwurf offenbart, was der Fleischwirtschaft da blüht. Er sieht Kontrollen erst ab 2026 vor und dann in nur 5 Prozent der Betriebe jährlich, also durchschnittlich einmal alle 20 Jahre pro Schlachthof.“

Die im Gesetz vorgesehenen Maßnahmen im Detail unter:

https://www.bmas.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2020/bundeskabinett-verabschiedet-arbeitsschutzkontrollgesetz.html