BIG berichtete zuletzt am 13. Februar 2023 über die gravierenden Mängel bei der Bekämpfung der Geldwäsche in Deutschland. In der Aprilausgabe der Blätter für deutsche und internationale Politik skizzieren die Journalisten Andreas Frank und Markus Zydra das „politische Desinteresse Deutschlands am Kampf gegen die Finanzkriminalität“, wie es in dem Text heißt.*

Wesentliche Aussagen werden im Folgenden – inklusive ausgewählter Zitate – zusammengefasst:

– Die wichtigste Behörde bei der Geldwäschebekämpfung ist die FIU (Financial Intelligence Unit), die alle Verdachtsmeldungen zu prüfen hat. Sie ist eine Bundesbehörde, die der Rechtsaufsicht des Bundesfinanzministeriums untersteht und bei der Generalzolldirektion angesiedelt ist. An ihrem Standort beim Zollkriminalamt in Köln arbeiten zurzeit etwa 400 Personen, bis 2026 sollen dort und in Dresden insgesamt rund 700 Fachleute tätig sein.

– Neben Banken und Finanzdienstleistern sind auch Unternehmen bzw. Gewerbetreibende des Nichtfinanzsektors (Immobilienmakler, Notare, Juweliere usw.) verpflichtet, der FIU zu melden, wenn ihnen Kunden verdächtig erscheinen, Geldwäsche betreiben zu wollen. Der Großteil der stetig anwachsenden Verdachtsmeldungen stammt von den Banken, nur drei Prozent der Hinweise kamen in den letzten Jahren vom Nichtfinanzsektor.

– Die FIU ist mit der Menge der Verdachtsmeldungen überfordert, für eine effiziente Bearbeitung fehlen Personal und Informationszugänge. Gemäß einer Kleinen Anfrage der Bundestagsfraktion Die Linke von 2023 wurden insgesamt 525.000 Geldwäschemeldungen nicht bearbeitet, die allermeisten, weil sie nicht als prüfungswürdig eingestuft worden waren. Den Grund dafür sehen die Autoren in dem sogenannten risikobasierten Ansatz: „Eine Software trifft die Vorauswahl der Meldungen. Weil die Datenbasis fehlt, gehen der Behörde viele prüfungswürdige Verdachtsmeldungen durch die Lappen, die – wenn überhaupt – erst später händisch bearbeitet werden.“

– Dieser „risikobasierte Ansatz“ der FIU könnte laut Staatsanwaltschaft Osnabrück den Tatbestand der Strafvereitelung erfüllen. Im Februar 2020 leitete sie deshalb ein Ermittlungsverfahren ein und durchsuchte wenige Monate später die FIU-Zentrale in Köln.

– Nach einem an den Haushaltsausschuss des Bundestages gerichteten Bericht des Bundesrechnungshofs vom September 2020 über die Bekämpfung der Geldwäsche durch die FIU kann Letztere die in sie gesetzten Erwartungen nur unzureichend erfüllen, weil sie unter anderem nicht auf regionale Polizeidaten oder wichtige Steuerdaten der Finanzverwaltungen der Länder und des Bundes elektronisch zugreifen kann. „Der Bericht des Bundesrechnungshofs war ein Alarmsignal: Selten ist das Versagen einer Bundesregierung von der Konzeption bis zu Umsetzung einer auch international wichtigen Kontrollbehörde so schonungslos offengelegt worden.“

– Die Financial Action Task Force (FATF), die oberste internationale Antigeldwäsche-Behörde, präsentierte im Sommer 2022 ihren aktuellen Bericht. „Die Experten bemängeln das Kompetenzwirrwarr von über 300 Behörden und sehen Defizite bei der Überwachung des Bargeldschmuggels. Die wenigsten der vielen Tausend Verdachtsmeldungen, die die Sammelstelle FIU jedes Jahr an die Behörden weiterleite, würden zu knallharten Ermittlungsverfahren führen. Von rund 36.000 Geldwäscheverfahren 2020 mündeten dem Bericht zufolge nur 629 in eine Anklage und 773 in einen Strafbefehl.“

– Auch der Skandal um das ehemalige Vorzeigeunternehmen Wirecard verdeutlicht, „wie schlimm es um die Geldwäschekontrolle durch die deutsche FIU steht“. Die Commerzbank hatte der FIU bereits im Februar 2019 eine umfangreiche Geldwäsche-Verdachtsmeldung übermittelt. Die FIU reagierte nicht, es dauerte fast dreieinhalb Jahre, bis sie die Verdachtsmeldungen an die zuständigen Ermittlungsbehörden weiterreichte. Zu diesem Zeitpunkt war Wirecard bereits insolvent und der Betrugsskandal offenbar. „Der Wirecard-Skandal hätte vielleicht verhindert werden können, wenn die deutschen Aufsichtsbehörden ihre Pflicht zur Geldwäschebekämpfung ernst genommen hätten.“

– Im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission wurde die Bundesregierung bereits in den 2000er Jahren angewiesen, das Geldwäschegesetz korrekt anzuwenden. „Danach wurden in den Bundesländern die bis dahin fehlenden Aufsichtsbehörden bestimmt, allerdings in jedem Bundesland anders: Die Zuständigkeiten gingen hier an Regierungspräsidien, dort an Bezirksregierungen, anderswo an Ministerien und Ordnungsämter. Die Bundesländer merkten bald, dass sie mit dieser Aufgabe überfordert waren. Geldwäsche passiert international, was soll da ein kleiner Beamter im Regierungspräsidium schon tun? In Wolfsburg kümmerte sich damals eine einzige Person im Ordnungsamt um die Aufsicht im Fall des VW-Konzerns und aller anderen zur Meldung an die FIU Verpflichteten des Nichtfinanzsektors. Eine effektive Bekämpfung der Geldwäsche ist so nicht möglich.“

– Länderaufsichten setzen im Nichtfinanzsektor nach wie vor zu wenig Personal ein, besonders bei Vor-Ort-Prüfungen der über 1,1 Millionen zur Meldung an die FIU Verpflichteten – 30 Jahre nach Inkrafttreten des Geldwäschegesetzes. „Bei einer jährlichen Vor-Ort-Kontrollquote von deutlich unter 0,5 Prozent muss ein Verpflichteter durchschnittlich nur höchstens alle zweihundert Jahre mit einer Vor-Ort-Prüfung rechnen.“

– Vor allem im Bereich des Glücksspiels zeigen sich Aufsichtsschwächen. Denn bei Onlinecasinos sind Geldflüsse schwer nachvollziehbar. „Die Geldwäschegefahr im Glücksspielsektor steht in scharfem Kontrast zu der Freiheit, die dieser Sektor in Europa und auch in Deutschland genießt. Dies ist politisch gewollt; die Konsequenzen werden sehenden Auges in Kauf genommen. (…) Seit der Umsetzung der EU-Zahlungsdienstrichtlinie 2007 gibt es neben den Vollbanken, die Spareinlagen annehmen dürfen, auch Zahlungsdienstleister. Diese Anbieter übernehmen den Zahlungspart zwischen Kunden und Händlern. Es ist ein weniger streng regulierter Bereich des Finanzsektors, der politisch gewollt war, um den ‚alten‘ Banken Konkurrenz zu machen.“

Quelle:

Andreas Frank/Markus Zydra: „Geldwäsche leicht gemacht. Das Versagen der deutschen Finanzkontrollbehörden“, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 4/2023

https://www.blaetter.de/ausgabe/2023/april/geldwaesche-leicht-gemacht

* Laut Information der Redaktion der Zeitschrift basiert der Artikel von Frank und Zydra auf einem kürzlich erschienenen Buch der Autoren: „Dreckiges Geld. Wie Putins Oligarchen, die Mafia und Terroristen die westliche Demokratie angreifen“ (Piper-Verlag).