„Wenn wir an Sklaverei denken, sehen wir in Ketten gelegte Menschen, die aus Afrika gewaltsam in alle Welt verschifft werden. Nur selten verbinden wir die Sklaverei mit den Arbeits- und Lebensbedingungen der Gegenwart. Tatsächlich ist die Sklaverei als rechtlich abgesichertes Arbeitssystem heute fast weltweit abgeschafft. (…) Doch die Annahme, es gäbe heutzutage keine Sklaverei mehr, geht an der Realität vorbei. Tatsächlich sind heute – in absoluten Zahlen – mehr Menschen versklavt als jemals zuvor in der Geschichte.“ 

So beginnt der von der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) im November 2021 vorgelegte „Atlas der Versklavung“, der anhand von zahlreichen Daten und Fakten die vielen heutigen Gesichter der Zwangsarbeit und Ausbeutung aufzeigt. „Kriminelle, die mit Menschen handeln, beuten ihre Opfer auf vielfältige Weise aus und beeinflussen auch die globalisierte legale Wirtschaft. Sklaverei existiert in vielen Wirtschaftszweigen, sie wird genutzt bei der Produktion unserer Smartphones, des Palmöls in unseren Kosmetika und Shampoos, der Meeresfrüchte, die wir im Supermarkt kaufen; sie ist in unsere Kleidung eingewebt und in der globalen Sexindustrie sowie unter Haushaltshilfen verbreitet“, heißt es im Vorwort der Broschüre.

Der Atlas geht auf 50 Seiten unter anderem auf die Definitionsprobleme des Themas ein, beschreibt Zwangsarbeit in den globalen Lieferketten und untersucht weltweit einzelne Branchen (Fischerei, Baugewerbe, Landwirtschaft). Einzelne Länder und Regionen werden beispielhaft in den Fokus gerückt (zum Beispiel Mauretanien, Mali, Haiti, Brasilien, Nordkorea, aber auch Europa). Auch wird der vielfältige zivilgesellschaftliche Widerstand gegen die verschiedenen Formen der Sklaverei thematisiert.

Sklaverei könne nur dadurch beendet werden, dass die Wirtschaft reguliert, der Zugang zu sozialen Rechten verbessert und legale Formen der Migration ermöglicht würden, hieß es im Rahmen der Präsentation der Studie in Berlin. Nur etwa 0,2 Prozent der weltweiten Fälle von Sklaverei würden juristisch untersucht und strafrechtlich verfolgt. Nötig seien deshalb auch in Deutschland der Ausbau und die langfristige Finanzierung von Beratungsstellen für Betroffene von Arbeitsausbeutung sowie regelmäßige Kontrollen des Zolls.

Quellen:

„Atlas der Versklavung. Daten und Fakten über Zwangsarbeit und Ausbeutung“, Rosa-Luxemburg-Stiuftung (Hg.), November 2021

https://www.rosalux.de/publikation/id/45336/atlas-der-versklavung?cHash=2b22333b1bfd69112e0f017fe48d06bc

Haidy Damm: An unsichtbaren Ketten, Neues Deutschland vom 10. November 2021

https://www.nd-aktuell.de/artikel/1158489.moderne-sklaverei-an-unsichtbaren-ketten.html?sstr=versklavung