Gedanken und Vorschläge zur Gestaltung politischer Schriften

Politisch interessierte und zugleich engagierte Menschen sind oft ziemlich ratlos, wenn sie zum wiederholten Male feststellen müssen, dass sich viele Mitbürger*innen anscheinend kaum noch über die systematische Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen aufregen. Um das zu ändern, versuchen die Unermüdlichen unter ihnen, wenigstens die schlimmsten Machenschaften aufzudecken, indem sie Petitionen starten, (Volks-)Initiativen ins Leben rufen, Demos organisieren und/oder Vereine gründen.

Bestandteil all dieser aufklärerischen und widerständigen Bemühungen ist die Weiterverbreitung unterdrückter Informationen und die schriftliche Darlegung von Argumenten und Schlussfolgerungen. (Die Verbreitung von Propagandaschriften der radikalen Rechten klammere ich hier ganz bewusst aus.) Am Ende aller Bemühungen, größere Bevölkerungsgruppen aufzuklären und gegen die aufgezeigten Missstände zu mobilisieren, steht aber oft die frustrierende Erfahrung, dass die zu diesem Zweck verfassten Artikel und Bücher zumeist nur diejenigen erreichen, die ohnehin schon gut informiert sind.

Bei der Betrachtung der für das leider zunehmende Desinteresse an linksorientierten Argumenten häufig genannten Gründe fällt schnell auf, dass der Fokus auf dem nicht erreichten Publikum liegt. Allerdings geht es dabei nicht so sehr um direkte Beschuldigungen, sondern vielmehr um den Versuch, das Verhalten großer Teile der Bevölkerung als zwangsläufige Folge des neoliberalen Siegeszuges zu interpretieren. Hierzu einige Beispiele:

  • In unserem derzeitigen Schul- und Bildungswesen wird eigenständiges Denken und Handeln eher bestraft als gefördert.
  • Die Menschen werden dermaßen mit seichten Unterhaltungsangeboten überschwemmt, dass sie zu einem Verständnis anspruchsvollerer Inhalte schon gar nicht mehr in der Lage sind.
  • Die diversen Selbstoptimierungswellen haben dazu geführt, dass das Denken vieler Menschen nur noch um ihr Aussehen beziehungsweise ihr Erscheinungsbild kreist.
  • Die permanenten (nicht nur elektronischen) Reizüberflutungen verhindern ein längerfristiges Verweilen bei ein- und demselben Gegenstand.
  • Vor diesem Hintergrund durchbrechen nur noch Angst auslösende Signale das politische Desinteresse und befördern zugleich das Verweilen in den hierauf bezogenen „Filterblasen“.
  • Der tägliche Überlebenskampf der Geringverdiener und prekär Beschäftigten ist so kräftezehrend, dass eine Beteiligung am politischen Diskurs praktisch ausgeschlossen ist.
  • Die völlig Abgehängten haben mit ihren Perspektiven auch jede Würde und Selbstachtung verloren, was sie für gemeinschaftsschädliche Heilsversprechungen empfänglich macht.

Die Plausibilität der hier skizzierten Erklärungsversuche kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch selbst verursachte Gründe für die mangelnde Aufmerksamkeit gibt, von der nicht zuletzt jene Schriften betroffen sind, die sich explizit dem Gemeinwohl beziehungsweise den Belangen der weniger privilegierten Bürger*innen verpflichtet fühlen. Um es noch drastischer auszudrücken: Nicht selten sind ausgerechnet die aufklärerisch gemeinten Texte in einer elitären und damit abstoßenden Sprache verfasst.

Dabei gibt es meines Erachtens so etwas wie eine „intellektuelle Bringschuld“. Wer in seinem Leben eine gute (Aus-)Bildung genießen durfte, kann nicht einfach erwarten, dass diejenigen, denen es nicht so ergangen ist, bereit sind, sich nur deshalb mit schwer verständlichen Texten abzuquälen, weil es darin um eine Verbesserung ihrer Lebenssituation geht.

Umgekehrt kann aber von gut ausgebildeten Menschen, die es mit ihrem Anliegen ernst meinen, durchaus erwartet werden, dass sie sich um sprachliche Vereinfachungen bemühen. Wie so etwas gelingen könnte, soll hier in Form eines kleinen „kollegialen Breviers“ vorgestellt werden:

a)        Seid euch stets dessen bewusst, dass viele derjenigen, die ihr erreichen wollt, kaum Zeit haben und schon allein deshalb keine langen Texte lesen können.

b)        Greift beim Schreiben eurer Texte unbedingt die Fragen auf, die für die jeweiligen Betroffenen momentan im Mittelpunkt stehen.

c)         Drückt euch so verständlich und kurz wie möglich aus, auch wenn ihr dafür gegebenenfalls auf interkollegiale Hochschätzung verzichten müsst.

d)        Bemüht euch außerdem um eine Verdichtung der Kernaussagen zu zündenden Slogans, die aber eindeutig und sachlich richtig sein müssen.

e)        Fazit: Erhöht die potenzielle Wirksamkeit eurer Botschaften dadurch, dass ihr „Leserfreundlichkeit“ und zutreffende Inhalte miteinander kombiniert

f)         Scheut euch nicht vor der Verwendung ungewöhnlicher Darstellungsformen wie einst, als Fabeln oder Schwänke Träger widerständiger Gedanken waren.

Die Autorin

Magda von Garrel ist Sonderpädagogin und Diplom-Politologin