Nach dem großen Crash des Signa-Konzerns ist der ehemalige Selfmade-Milliardär René Benko aus der Öffentlichkeit verschwunden. Anfragen von Journalisten zu seinem kollabierenden Immobilienimperium beantwortet er nicht. Die mediale Recherche aber geht unvermindert weiter, um vor dem Hintergrund der undurchsichtigen Konzernstruktur Licht in die fragwürdigen Finanzströme und die politischen Verbindungen Benkos zu bringen. Denn die Folgen der Signa-Pleite sind gravierend: von Jobverlust betroffene Beschäftigte, verlorene Staatshilfen, Bauruinen, Politikversagen (und ja, auch geprellte Großinvestoren).
Hamburgs Polit-Elite in der Mitverantwortung
Im Januar 2024 rutschte Hamburgs Prestigeobjekt Elbtower, als eines der höchsten Gebäude Deutschlands von einem Stararchitekten entworfen, in die Insolvenz. Heute symbolisiert die Bauruine sowohl den Niedergang der Signa-Gruppe als auch das herrschende autokratische Politikverständnis, das Spekulanten à la Benko den Weg zum Aufstieg ebnete. Denn gleich mehrere Erste Bürgermeister sorgten in der Hansestadt dafür, dass eine deutsche Projektgesellschaft des Signa-Konzerns den Zuschlag für das Bauvorhaben erhielt. Im Februar 2018 stellte der damalige Amtsinhaber Olaf Scholz (SPD) im Rahmen einer Pressekonferenz das Projekt der Öffentlichkeit vor. Offensichtlich wurde der Kaufvertrag über das Grundstück schon zwei Tage davor abgeschlossen; die Zustimmung der politischen Gremien der Stadt Hamburg erfolgte dagegen erst ein Jahr nach der Präsentation.
Ein ehemaliger Abgeordneter der hamburgischen Bürgerschaft (CDU) berichtete gegenüber der ARD, dass es sich um ein „absolutes Geheimverfahren“ gehandelt habe, um eine „große Mauschelei“, von der die Volksvertreter:innen nur durch Zufall erfahren hätten. Schon damals sei Signa ein „höchst problematischer Bewerber“ mit einem schlechten Ruf gewesen. 122 Millionen Euro sollte das Baugrundstück für Signa kosten, zwei andere Bieter hätten bis zu 13 Millionen Euro mehr geboten, wie sich später herausgestellt habe.
Benkos Kontakt zu Scholz hatte der ehemalige SPÖ-Bundeskanzler und Signa-Lobbyist Alfred Gusenbauer hergestellt. Im März 2018 traf Benko dann Peter Tschentscher (SPD), den Nachfolger von Scholz als Erster Bürgermeister. Bereits zwei Tage danach wurde ein Beratervertrag zwischen Signa und der Agentur von Ole von Beust (CDU), dem ehemaligen Ersten Bürgermeister, abgeschlossen. Dessen Aufgabe bestand darin, Kontakte zur lokalen Politik und Verwaltung herzustellen und damit politische Zustimmung zu organisieren. Die Baugenehmigung, so eine ARD-Doku zum Fall Benko, sei dann unter Tschentscher in nicht einmal drei Monaten durchgewunken worden. Außerdem sei das Bauvolumen (Bruttogeschossfläche) nachträglich um 18 Prozent vergrößert worden, ohne dass sich der Kaufpreis erhöht hätte – nach Aussage des CDU-Abgeordneten ein völlig unübliches Verfahren im Baugeschäft und somit ein Geschenk an Benko.
Benko zieht Berliner Senat über den Tisch
Mit diesen Worten beschrieb schon Mitte 2023 Katalin Gennburg, stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Linkspartei im Berliner Abgeordnetenhaus, einen Deal zwischen dem Senat der Hauptstadt und der Signa Holding. Im August 2020 schloss der damalige rot-rot-grüne Senat eine Absichtserklärung („Letter of Intent“) mit Signa als Eigentümerin des Warenhauskonzerns Galeria Karstadt Kaufhof ab. „Arbeitsplätze gegen Baugenehmigungen von Großprojekten“ hieß die Devise. Nach Gennburg war das Versprechen der Signa-Gruppe, vier Galeria-Standorte zu erhalten, rechtlich allerdings nicht bindend, die milliardenschweren Baugenehmigungen in Berlin dagegen sehr wohl rechtswirksam (vgl. MieterEcho und ARD-Doku). Das ernüchternde Resultat: Vier Jahre später existieren zwei der vier Warenhaus-Filialen nicht mehr, zugesagte Millioneninvestitionen blieben zudem aus. Eine wichtige Rolle bei der gemeinsamen Absichtserklärung von Senat und Signa dürfte die Unternehmensagentur Joschka Fischer & Company gespielt haben. Als Benkos Lobbyist in Berlin sollte der Ex-Außenminister die Kontakte zu den Politiker:innen auf Bezirksebene und im Abgeordnetenhaus herstellen und vor allem bei den Grünen für ein besonders umstrittenes Bauvorhaben werben.
An der Grenze der Bezirke Neukölln und Kreuzberg wollte Signa vor einigen Jahren auf einer zentralen Liegenschaft ein altes Karstadt-Gebäude abreißen, dann für 500 Millionen Euro einen neuen Gebäudekomplex mit Kaufhaus, Hotel, Büros und Wohnungen errichten. Im Rahmen eines städtebaulichen „Werkstattverfahrens“ sollte frühzeitig eine breite Mitwirkungsmöglichkeit der Öffentlichkeit gewährleistet werden – so die offizielle Darstellung. Für die Präsidentin der Architektenkammer Berlin, Theresa Keilhacker, kam das einer letztlich von Signa über Jahre organisierten „gelenkten Beteiligung“ gleich. Die Bürger:innen dürften bei solchen Verfahren zwar ihre Meinungen kundtun, so die Architektin, aber danach passiere alles hinter verschlossenen Türen. Stadt und Investor würden entscheiden, welche Wünsche berücksichtigt würden. Und im Gegensatz zu einem normalen Planungswettbewerb erfahre niemand außerhalb, warum (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 16. Februar 2024). Berlins Lokalpolitikerin Katalin Gennburg hält diese Form der Bürgerbeteiligung für eine Farce. Sie würde formal durchgeführt und medial ausgeschlachtet, aber den Einwendungen der Bürger:innen kein Gewicht einräumen: „Das Verfahren von Signa war von Beginn an antidemokratisch und ist ohne Abstimmungen im Parlament gelaufen.“ (MieterEcho)
Staatshilfen perdu
Die enge politische Verbindung von Benko zur Politik zeigt sich auch bei der Gewährung öffentlicher Hilfen. Im Zuge der Coronakrise pumpte die Bundesregierung während der ersten beiden Insolvenzen von Galeria Karstadt Kaufhof über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) insgesamt 680 Millionen Euro in das Unternehmen – obwohl es sich bereits vor der Pandemie in einer wirtschaftlichen Schieflage befand und der WSF schon damals mit einer erneuten Insolvenz gerechnet hatte (vgl. Deutsche Wirtschaftsnachrichten). Nach Expertenmeinung handelte es sich dabei offensichtlich um einen Rechtsbruch, da Unternehmen nach EU-Richtlinien nur unterstützt werden dürfen, wenn sie noch über ausreichend Eigenkapital verfügen: „Bei Galeria war das zu diesem Zeitpunkt bereits bei null.“ (ebd.) Das war kaum ein Problem für Benko, denn der verfügte offenbar auch über einen direkten Kontakt zum Ex-Finanzsenator Berlins, Ulrich Nußbaum, der als damaliger Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium für die Staatshilfen an Galeria Karstadt Kaufhof zuständig war. Von den 680 Millionen an staatlichen Hilfen ist aber offenbar nur ein kleiner Teil ausreichend abgesichert worden, weshalb sie für die Steuerzahler weitgehend verloren sein dürften.
Benko interessierte sich nur wenig für ein profitables langfristiges Handelsgeschäft, dagegen sehr für wertvolle Immobilien und spekulative Geschäfte. Nach der kompletten Übernahme von Galeria Karstadt Kaufhof im Jahr 2019 wurden der Warenhauskonzern und die Immobiliensparte unter dem Dach der Signa rechtlich voneinander getrennt. Damit müssen die Kaufhäuser Miete an Signa zahlen, und zwar extrem hohe. Und die trieben den Handelskonzern in den Ruin. Würden marktübliche Mieten gezahlt, seien die Warenhäuser durchaus profitabel, bestätigte jüngst der Galeria-Chef in einem Spiegel-Interview (sieben bis elf Prozent des Umsatzes, statt über 30 Prozent wie im Falle eines Kölner Galeria-Hauses).
Die überhöhten Mieten bliesen über Jahre die Immobilienwerte auf, so dass Benko Investoren, Banken und Ratingagenturen von seinem Geschäftsmodell überzeugen und immer wieder günstig an frisches Geld kommen konnte. Auch die Millionen an Staatshilfen (Steuergelder), als Stützung der Kaufhäuser gedacht, flossen direkt in die Kasse von Signa. Benko ließ sich also staatliche Gelder für das Handelsgeschäft zuschießen, trieb damit die Immobilienwerte an und schüttete zugleich auf dieser Basis bis 2021 jährlich hohe dreistellige Millionenbeträge als Dividenden an die Investoren aus.
Geld vom Insolvenzverwalter
Viel Geld fordern auch die mehr als 300 Gläubiger von der seit vergangenen November insolventen Signa Holding – insgesamt etwa 8,6 Milliarden Euro. Der Insolvenzverwalter erkennt derzeit davon jedoch nur knapp ein Prozent an: 80,3 Millionen. Die Süddeutsche Zeitung findet es bemerkenswert, dass einige von denen, die Millionensummen von der Signa Holding fordern, maßgeblich dazu beigetragen haben, die Holding in die Zahlungsunfähigkeit zu steuern. Ganz vorne mit dabei sei René Benko selbst. Er wolle gewissermaßen von sich selber Geld, denn die Holding gehöre ihm mehrheitlich.
„Allein die österreichische Familie Benko Privatstiftung fordert 75 Millionen Euro von der Holding. Weitere 57 Millionen Euro wollen Gesellschaften aus einem weiteren privaten Stiftungskonstrukt mit dem Namen von Laura Benko. Rechnet man die Forderungen aller Signa-Tochtergesellschaften zusammen, kommt man schnell auf eine Summe von mehr als 1,6 Milliarden Euro. Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass sich dahinter beim ein oder anderen Fall auch der Name René Benko verbirgt. So viel, wie Benko von sich selber, will sonst niemand.“ (Süddeutsche Zeitung vom 31. Januar 2024)
Quellen:
„René Benko: Der Zocker und die Politik“, ARD-Doku (WDR und NDR), Erstausstrahlung 7. Februar 2024, ein Film von Ingolf Gritschneder und Georg Wellmann
https://www.ardmediathek.de/video/story/rene-benko-der-zocker-und-die-politik/ard/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL2FyZC1zdG9yeS8yMDI0LTAyLTA3XzIyLTUwLU1FWg
Kristina Gnirke/Alexander Kühn: „Wir trennen uns von Führungskräften“ (Interview mit Galeria-Chef Olivier van den Bossche und Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus), Der Spiegel vom 3. Februar 2024, Seite 66-67
Lea Hampel: „Big in Berlin“, Süddeutsche Zeitung vom 16. Februar 2024
Michael Kläsgen/Uwe Ritzer/Meike Schreiber: „Benko will viel Geld von Benko“, Süddeutsche Zeitung vom 31. Januar 2024
„Klassenpolitik am Hermannplatz“, Interview mit Katalin Gennburg, MieterEcho, Juni 2023, Seite 12-13
https://www.bmgev.de/mieterecho/archiv/2023/me-single/article/klassenpolitik-am-hermannplatz/
Stephanie Schoen: „Signa-Pleite: Sind 660 Millionen Euro Steuergelder für Galeria Karstadt Kaufhof futsch?“, Deutsche Wirtschaftsnachrichten vom 28. Februar 2024
https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/707608/signa-pleite-sind-680-millionen-euro-steuergelder-fuer-galeria-karstadt-kaufhof-futsch
Weitere informative Quellen:
„Der Elbtower in Hamburg: Desaster mit Ansage“, Handelsblatt-Crime (Podcast vom 11. Februar 2024)
https://www.handelsblatt.com/audio/crime/der-elbtower-in-hamburg-desaster-mit-ansage/29648986.html
Gudrun Giese, „Benko hat Schäfchen im Trockenen“, junge Welt vom 29. Februar 2024
https://www.jungewelt.de/artikel/470332.immobilienspekulation-benko-hat-schäfchen-im-trockenen.html