Unter dem Motto „Miteinander statt gegeneinander“ fand am 27. Juni 2019 in Berlin der jährliche Immobilientag des Zentralen Immobilienausschusses (ZIA) statt. Der ZIA ist der wichtigste Lobbyverband der Branche und bündelt die Interessen seiner Mitglieder gegenüber Öffentlichkeit, Politik und Verwaltung. Nach eigener Aussage spricht er für insgesamt 28 Verbände und 37.000 Unternehmen. Der ZIA betont in seiner Selbstdarstellung seine kapitalmarktorientierte Ausrichtung und teilt mit, dass er mit seinen Mitgliedsunternehmen die gesamte Wertschöpfungskette der Immobilienwirtschaft abbildet und diese mit Vertreter*innen von Wirtschaft, Politik und Wissenschaft vernetzt (vgl. auch BIG Extra, Mai 2019, Seite 19-21).

Als prominente Gäste der Veranstaltung traten deshalb auch in diesem Jahr verschiedene Spitzenpolitiker*innen auf: Svenja Schulze (SPD, Bundesumweltministerin), Andreas Scheuer (CSU, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur), Ralph Brinkhaus (CDU-Fraktionschef im Bundestag), Christian Lindner (FDP-Fraktionschef im Bundestag), Marco Wanderwitz (parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium) und Oliver Wittke, parlamentarischer Staatssekretär, in Vertretung für den verhinderten Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU).

Über 2.000 „Entscheider*innen“ nutzten die Gelegenheit, ihre Kontakte mit Vertreter*innen aus Politik und Wirtschaft zu intensivieren. Einigkeit bestand weitgehend darin, dass bereits vorsichtige staatliche Regulierungsversuche Investoren abschrecken und sich negativ auf die Stadtentwicklung auswirken würden. In seiner Eröffnungsrede spottete denn auch ZIA-Präsident Andreas Mattner (CDU) darüber, dass „in der ehemaligen Hauptstadt der DDR wieder über Enteignung und Mietendeckel gestritten“ werde. Zugeben musste er jedoch, dass sich das Image der Branche in den letzten Jahren zunehmend verschlechtert hat. Als Reaktion auf diese Verschlechterung ist zu werten, dass Mattner die Bedeutung der Immobilienwirtschaft für die Erreichung der Klimaziele der Bundesregierung unterstrich. Nur durch die energetischen Gebäudesanierungen seien die gemeinwohlorientierten Ziele überhaupt erreichbar. Dass in der Konsequenz dieser Sanierungen dann zum Teil exorbitante und profitmaximierende Mietpreissteigerungen anfallen, verschwieg der Oberlobbyist.

Der Immobilientag demonstriert Jahr für Jahr den engen Schulterschluss zwischen dem Spitzenverband der gesamten Immobilienwirtschaft und der Bundes-, Länder- und Kommunalpolitik. Folgt die Politik ausnahmsweise mal nicht den „Empfehlungen“ der Immobilienlobby beispielsweise hinsichtlich Steuerrecht und Vereinfachung bei Planungs- und Baugenehmigungsverfahren, wird eine schärfere Ansprache gewählt und die „Systemrelevanz“ betont. So zeigte sich ZIA-Präsident Mattner jüngst einmal mehr verärgert: „Es scheint aus dem Blick geraten zu sein, dass die Politik auf die Akteure aus der Wirtschaft angewiesen ist, will sie die Herausforderungen stemmen.“ (Vorwort zum Frühjahrsgutachten 2019 des Rats der Immobilienweisen)

Mit Blick auf die Regelung des sogenannten Berliner Mietendeckels (keine Mieterhöhungen für die Dauer von fünf Jahren und für nicht preisgebundene Wohnungen) hatte der ZIA bereits zuvor von einem „fatalen Signal“ gesprochen (Pressemitteilung vom 6. Juni 2019). Niclas Karoff, Sprecher der ZIA-Region Ost, führte die üblichen Argumente der Immobilienwirtschaft an: Potenzielle Investoren würden verschreckt, Modernisierungen von Bestandswohnungen verhindert und als dessen Folge mehr Wohnungen verwahrlosen. Zudem hatte ein Staats- und Verfassungsrechtler in einem vom ZIA in Auftrag gegebenen Gutachten sowohl Verstöße gegen die Berufsfreiheit gewerblicher Vermieter als auch gegen die grundgesetzlich gewährleistete Vertragsfreiheit der Mietvertragsparteien festgestellt. Dem Land Berlin fehle auch die entsprechende Gesetzgebungskompetenz.

ZIA-Vertreter Karoff forderte deshalb den Berliner Senat auf, „sich ebenso gesetzeskonform zu verhalten, wie er dies beispielsweise auch von den Wohnungsunternehmen verlangt“. Die skurrile Aussage stammt nun ausgerechnet von einem Lobbyisten, dessen Branche aus Gründen der Renditeorientierung von wirtschaftskriminellen Handlungen durchsetzt ist (vgl. auch BIG Extra, Mai 2019, Seite 33-35). Präsident Mattner wiegelte in Erwartung entsprechender Vorwürfe bei seinem Eröffnungsvortrag des Immobilientags vorsorglich ab: Nur wenige „schwarze Schafe“ in der Branche seien identifizierbar, die Mehrheit verhielte sich „verantwortungsvoll“.

Nach außen Unzufriedenheit mit der Politik zu dokumentieren, gehört zum Lobbygeschäft. Der Auftritt des CDU-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Ralph Brinkhaus, beim Tag der Immobilienwirtschaft zeigte hingegen die tatsächlich symbiotische Beziehung von Politik und Wirtschaft. In seinem Grußwort zu Beginn der Veranstaltung bekannte er sich geradezu euphorisch zur Marktwirtschaft, gefolgt von einer unmissverständlichen Absage an alle „Verstaatlichungsphantasien“.

Joachim Maiworm lebt in Berlin und ist aktiv in der Berliner MieterGemeinschaft.