Olaf Scholz, Bundesfinanzminister und Kanzlerkandidat der SPD, gab am 9. September 2020 gegenüber dem Finanzausschuss des Bundestages zu, dass es im Jahr 2016 ein weiteres Treffen mit dem ehemaligen Miteigentümer der Hamburger Privatbank M. M. Warburg gegeben hat. Bis dahin war nur ein Treffen von Scholz – zu der Zeit Hamburgs Erster Bürgermeister ‒ mit Christian Olearius bekannt gewesen. Schon damals liefen gegen die Bank und gegen Olearius Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der schweren Steuerhinterziehung. Die Warburg Bank hatte über Jahre hinweg Cum-Ex-Deals abgewickelt und sich einmal bezahlte Steuern mehrfach zurückerstatten lassen. Das Hamburger Finanzamt ließ damals die Rückforderung von 47 Millionen Euro, die sich die Warburg Bank durch Cum-Ex-Geschäfte erschlichen hatte, verjähren. Scholz war in diesem Zusammenhang vorgeworfen worden, auf die Entscheidung der Hamburger Behörde politisch Einfluss genommen zu haben. Im Bundestag wies Scholz erneut alle derartigen Vorwürfe zurück: Er habe keine konkrete Erinnerung an diese Meetings und ihnen offensichtlich nur geringe Bedeutung beigemessen.

Eintragungen im Tagebuch des Bankers Olearius, in dem dieser mehrere Gespräche mit Scholz (SPD) dokumentiert hatte, brachten den SPD-Politiker in Erklärungsnöte. Die Tageszeitung taz kommentierte:

„Nicht verwunderlich, dass die Opposition bereits den Geruch von Korruption wahrgenommen und ‚schmutzige Deals zu Lasten der Steuerzahler‘ erkannt haben will. Einen Untersuchungsausschuss vermeiden ließe sich wohl nur noch, wenn Senat und Warburg-Bank der Aufhebung des Steuergeheimnisses zustimmen würden, wie es die Linke fordert. Das wäre aber eine Überraschung.“ (taz vom 4. September 2020)

 

http://big.businesscrime.de/nachrichten/stadt-hamburg-verzichtet-auf-rueckforderung-von-47-millionen-euro/)

https://www.sueddeutsche.de/politik/scholz-cum-ex-warburg-1.5026142

https://taz.de/Scholz-und-die-Cum-Ex-Affaere/!5709394&s=olearius/

 

Aber Cum-Ex-Geschäfte sind weiterhin möglich. Das belegt eine am 7. September veröffentlichte und von der Initiative Finanzwende bei dem Wirtschaftsanwalt und Steuerexperten Alexander Heist in Auftrag gegebene Untersuchung. Sie kommt zu dem Ergebnis, „dass steuergetriebene Geschäfte über den Dividendenstichtag nach den bekannten CumEx- und CumCum-Muster weiterhin möglich scheinen“.

https://www.finanzwende.de/themen/cumex/geht-der-steuerraub-mit-cumex-weiter/?L=0

„Auch heute erscheint es möglich, dass so gut wie keine Kapitalertragsteuer auf Dividendenauszahlungen beim Fiskus ankommt“, schreibt Heist auf der ersten Seite seiner Untersuchung. Und weiter: „Steuergetriebene Cum/Ex-Trades sollten mit einer Gesetzesänderung zum Jahresbeginn 2012 endgültig abgeschafft werden. (…) Lange Zeit wurde nach der öffentlichen Berichterstattung erhebliches Steuervolumen, teilweise in dreistelliger Millionenhöhe, unter anderem an ‚Briefkastenfirmen‘ ausbezahlt. Dies führte zum Aufgriff durch die Finanzverwaltung und letztlich zur Aufdeckung des Cum/Ex-Skandals. Mittlerweile hat die Finanzverwaltung mit der Auszahlung an diese Stellen und in diesem Umfang den Verlautbarungen nach aufgehört. Es besteht jedoch Anlass anzunehmen, dass die Cum/Ex-Geschäfte mit veränderter Struktur bis zum heutigen Tage weiterlaufen.“ 

https://www.finanzwende.de/fileadmin/user_upload/Kampagnen/Staatsanwaltschaft/Strategien_Aktienhandel_nach_OGAW_IV_final.pdf

Das Neue Deutschland vom 7. September 2020 zitiert Gerhard Schick von Finanzwende: „Bei organisierter Finanzkriminalität muss Deutschland endlich mit der ganzen Härte des Gesetzes durchgreifen“. Jeder Täter müsse vor Gericht landen. Doch hapere schon an der juristischen Aufarbeitung der alten Cum-Ex-Deals, die den Fiskus mindestens zehn Milliarden Euro kosteten. Nach sieben Jahren Ermittlungen wären erst zwei Täter verurteilt worden ‒ zu Bewährungsstrafen. Nur ein Bruchteil des Milliardenschadens sei bisher zurückgeholt worden, viele Taten drohten zu verjähren.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1141467.steuertricks-cum-ex-ist-nicht-geschichte.html

Finanzwende fordert deshalb auch eine bessere personelle Ausstattung der Ermittlungsbehörden ‒ zum Beispiel von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) die Schaffung einer „Soko Cum-Ex“ mit mindestens 150 Ermittlern. Um Druck aufzubauen hat, hat Finanzwende eine Petition im Internet gestartet. Diese richtet sich direkt an Laschet: „Holen Sie unser Steuergeld zurück und ermöglichen Sie eine Bestrafung aller Täter!“

https://www.finanzwende.de/kampagnen/armin-laschet-holen-sie-unser-steuergeld-zurueck/?L=0