„Galoppierende Preise. Der Zusammenbruch des Finanzsystems. Das nächste Virus. Vielleicht sogar ein Atomkrieg. Alles möglich. Und jeder reagiert auf die Unsicherheit, auf seine Weise (…) Und die Superreichen?“

Das Wochenmagazin Wirtschaftswoche (WiWo) beschreibt in seiner Ausgabe vom 15. Juli 2022 die Vorsorgestrategie Superreicher gegen „die Bedrohungen unserer Zeit: Kriege, Killerviren und Klimakatastrophen“. Nach einer Erhebung der Beratungsfirma Capgemini, so die WiWo, gab es 2021 weltweit 22,5 Millionen Dollar-Millionäre, acht Prozent mehr als im Vorjahr. Die meisten davon leben in den USA (7,46 Millionen), 1,63 Millionen in Deutschland.

Offensichtlich strebt die Geldelite danach, sich verschiedene Aufenthaltsrechte zu sichern. So vermittelt ein Züricher Geschäftsmann Staatsbürgerschaften und Aufenthaltstitel – mit 300 Mitarbeitern und in 35 Büros weltweit. Seine Firma ließ die Fluchtbewegungen der Reichen untersuchen. Danach werden in diesem Jahr rund 88.000 Millionäre in andere Staaten auswandern – darunter mehr als 15.000 Superreiche aus Russland,  10.000 aus China und etwa 8.000 aus Indien.

„Amazon-Gründer Jeff Bezos, laut ‚Forbes‘ 135 Milliarden Dollar schwer, hat ein Refugium auf Hawaii. PayPal-Gründer Peter Thiel (4,8 Milliarden) ist Staatsbürger Neuseelands, Google-Gründer Larry Page (98 Milliarden) hat dort einen ständigen Wohnsitz. Für Thiel ist Neuseeland ‚die Zukunft‘, also der Ort, an den er wohl fliehen wird, wenn es soweit ist.“ (WiWo vom 15. Juli 2022)

Ein weiteres Beispiel für einen „Flüchtling de Luxe“ ist der Multimilliardär Roman Abramovich. Neben der russischen Staatsbürgerschaft verfügt er auch über einen Aufenthaltstitel in Großbritannien, eine israelische und eine portugiesische Staatsbürgerschaft, die ihm Freizügigkeit im gesamten Schengen-Raum ermöglicht (WiWo Online vom 18. Juli 2022).

„Die Zahlen spiegeln auch die zunehmende Ungleichheit wider: Wenn’s ums Geld der Menschen geht, ist Mobilität über Grenzen hinweg willkommen. Wenn’s ums Überleben der Menschen geht, dann werden Grenzen immer strikter geschlossen“, stellt der Soziolge Steffen Mau im Interview mit der WiWo fest (ebd.).

Von den weltweit reichsten Menschen haben nach Angaben von Mau rund 30 bis 40 Prozent mindestens einen zweiten Pass. „Seit Jahren hat sich über diese goldenen Pässe ein globaler Mobilitätsadel entwickelt, für den Grenzen keine Bedeutung mehr haben. Diese Personen schweben quasi im Privatjet über Grenzen hinweg, sie bilden damit eine eigenständige, sehr privilegierte Kaste, zugleich gibt es auch Personen aus der gehobenen Mittelschicht, die so versuchen, politische und wirtschaftliche Risiken zu minimieren. (…) Wer verschiedene Aufenthaltsrechte hat, kann damit sein gesamtes Portfolio optimieren, also gewissermaßen Ortsrenditen so generieren, wie sie gebraucht werden. Etwa, indem dort Steuern gezahlt werden, wo es günstiger ist. Oder jemand lässt sich dort nieder, wo er mehr Rechte und Freiheiten bekommt und sich nicht der Willkür ausgesetzt sieht. Im Idealfall gibt es beides auf einmal.“ (ebd.)

Durch die „goldenen Pässe“ werde, so Mau, die Staatsbürgerschaft kommerzialisiert und tendenziell entwertet. Dass, was eigentlich eine Loyalitätsbeziehung sei, werde jetzt zu einem handelbaren Gut – das sich allerdings sich nur einige wenige Menschen leisten können. So werde eine extreme Ungleichheit produziert zwischen denjenigen, die sich eine Staatsbürgerschaft kaufen können, und den Menschen, die mühsam an einer Einbürgerung arbeiten müssen (Nachweis festes Einkommen, Sprach- und Integrationstests).

Quellen:

Volker Ter Haseborg u. a.: „Flüchtlinge De Luxe: Geldwerter Vorsprung“, Wirtschaftswoche vom 15. Juli 2022 (Print), Seite 16-21

„Der Mobilitätsadel schwebt im Privatjet über Grenzen hinweg“, Interview von Sonja Álvarez mit Steffen Mau, Wirtschaftswoche (Online) vom 18. Juli 2022

https://www.wiwo.de/politik/deutschland/millionaere-kaufen-goldene-paesse-der-mobilitaetsadel-schwebt-im-privatjet-ueber-grenzen-hinweg/28507518.html