Am 25. Januar 2019 brach in der Nähe der brasilianischen Kleinstadt Brumadinho ein Staudamm in einer Eisenerzmine des Bergbaukonzerns Vale S.A., der als weltweit größter Eisenerzexporteur gilt. Eine giftige Schlammlawine zerstörte das Minengelände und ein Wohnviertel, verseuchte Ackerböden und Teile eines Flusses, der die Region mit Trinkwasser versorgt hatte. Insgesamt starben mindestens 259 Menschen.

Nur vier Monate zuvor hatte eine brasilianische Tochtergesellschaft des deutschen Unternehmens TÜV Süd die Sicherheit des Damms bescheinigt. Nach einer Information der zuständigen Staatsanwaltschaft des Bundesstaates Minas Gerais vom 21. Januar 2020 kommt es nun zu einer Anklage. Gegen elf Mitarbeiter von Vale und fünf vom TÜV Süd (einer aus Deutschland) wird der Vorwurf des Mordes erhoben (darunter technische Berater, Ingenieure sowie Mitarbeiter in verantwortlichen Positionen).

Die Süddeutsche Zeitung schrieb am 22. Januar 2020: „Die Vorwürfe, die die Ermittler im vergangenen Jahr zusammengetragen haben, wiegen schwer. Der Betreiber der Eisenerzmine, der Konzern Vale, und der TÜV Süd hätten bewusst zusammengearbeitet mit dem Ziel, den inakzeptablen Sicherheitszustand mehrerer Staudämme zu verheimlichen‘, heißt es in der Mitteilung der Staatsanwaltschaft. Daraus ergeben sich mehrere Anklagepunkte, die in ihrer Härte für Überraschung sorgen. So werden der Vale-Konzern und TÜV Süd in Brasilien (…) nicht nur wegen ‚Verbrechen gegen Flora und Fauna‘ sowie wegen Umweltverschmutzung angeklagt ‒ sondern auch wegen Mordes.“

Aber auch die deutsche Justiz wird jetzt tätig. Fünf Hinterbliebene des Dammbruchs hatten im Oktober 2019 gemeinsam mit der Menschenrechtsorganisation European Center for Constitutional and Human Rights e.V. (ECCHR) und dem katholischen Hilfswerk Misereor bei der Staatsanwaltschaft München eine Strafanzeige und Anzeige wegen Ordnungswidrigkeit eingereicht. Sie werfen dem verantwortlichen Mitarbeiter von TÜV Süd fahrlässige Tötung, Privatbestechung und fahrlässiges Herbeiführen einer Überschwemmung vor. In der aktuellen Ausgabe der Blätter für deutsche und internationale Politik heißt es dazu auf Seite 25: „Ihre Anzeige könnte sich als bahnbrechend erweisen: Sie könnte dazu beitragen, der Straflosigkeit von Menschenrechtsverletzungen deutscher Unternehmen im Ausland ein Ende zu setzen.“

Quellen:

Klaus Ott/Benedikt Peters, Staudamm-Desaster: „Schwere Vorwürfe gegen den TÜV Süd“, Süddeutsche Zeitung vom 22. Januar 2020
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/brasilien-staudamm-tuev-sued-1.4767152

Miriam Saage-Maaß/Claudia Müller-Hoff, „Kontrolle statt Freiwilligkeit: Konzerne an die Kette“, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 1/2020, Seite 25-28
https://www.blaetter.de/ausgabe/2020/januar/kontrolle-statt-freiwilligkeit-konzerne-an-die-kette