„Mafia-Käufe lassen Immobilienpreise explodieren“ – unter diesem Titel berichtete ein TV-Magazin des Bayerischen Rundfunks (BR) Ende März 2018 darüber, wie die italienische Mafia illegale Einnahmen aus Drogenhandel und anderen kriminellen Aktivitäten in die legale Wirtschaft schleust. Demnach drängt vor allem die organisierte Kriminalität in den deutschen Immobilienmarkt, der als beliebter, weil sicherer Anlageort für „schmutziges“ Geld gilt. Laut BR macht Europol die organisierte Kriminalität insbesondere für steigende Wohnungs- und Mietpreise mit verantwortlich. Und Burkhard Körner, Präsident des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz, spricht in dem Fernsehbeitrag davon, dass die freie Marktwirtschaft und das Staatswesen insgesamt durch das Delikt der Geldwäsche bedroht werden.

 Die Reportage legt wie der Großteil der übrigen Medienberichterstattung den Fokus darauf, dass Geldwäsche die Bereiche von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft gleichermaßen gefährdet. Danach schwappt erstens das Delikt in Form organisierter Kriminalität von „außen“ nach Deutschland und zersetzt die hiesige Demokratie, zweitens unterminiert die Geldwäsche das Spiel von Angebot und Nachfrage auf dem legalen Markt und drittens treibt sie redliche Bürgerinnen in existenzielle Nöte, da das investierte illegale Geld unter anderem die Mieterinnen unter Druck setzt.

 Die negativen Effekte von Geldwäsche sind grundsätzlich nicht zu bestreiten: Die Akkumulation „gewaschener“, sprich legalisierter Verbrechensgewinne honoriert kriminelles Verhalten im Bereich der Wirtschaft. Kriminelle Marktteilnehmer können sich aufgrund ihrer illegalen Gewinne gegen rechtskonforme Konkurrenten besser durchsetzen. Die Geldwäsche selbst wirkt dabei als „der wirtschaftliche Turbo der illegalen Wirtschaft“ (Bussmann, Seite 9). Zudem gehen Geldwäsche und Steuerhinterziehung Hand in Hand. Dem Fiskus vorenthaltene Steuerleistungen schädigen das Gemeinwohl, weil sie für die Bereitstellung öffentlicher Güter fehlen und dem Trend zu einer weiteren Privatisierung öffentlicher Güter Vorschub leisten. Schließlich sind auch die sogenannten Vortaten, also die Straftaten (z.B. Drogen-, Waffen-, Menschenhandel, Schutzgelderpressung), die den kriminellen Akteuren erst die zu legalisierenden Geldmittel beschaffen, nicht von der Geldwäsche zu trennen. Diese ist zudem nicht nur die Folge organisierter Kriminalität, sondern auch deren Voraussetzung, denn die legalisierten Gewinne stehen wieder einer neue kriminelle Gewinnerzielung zur Verfügung, so dass sich das Rad weiterdrehen kann.

 Tatsächlich lockt auch der boomende deutsche Immobilienmarkt verstärkt Kriminelle an. Dass sich der Anstieg der Mieten, wie jüngste Presseberichte bestätigen, ungebremst fortsetzt, ist nach Meinung von Strafverfolgungsbehörden, Kriminologen und politischen Parteien denn auch eine Auswirkung der Geldwäsche. Diesen Zusammenhang betonte im vergangenen Oktober unter anderen der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter, bei einer Veranstaltung seiner Partei zum „Geldwaschsalon Deutschland“. Belegen lässt sich diese Behauptung jedoch nicht. Einzelne Stimmen widersprechen der unbewiesenen These bzw. zeigen sich deutlich zurückhaltender. Bei der gleichen Veranstaltung stellte Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit fest, dass es bislang unbekannt sei, ob oder wie sich die Geldwäsche auf die Mietenentwicklung auswirkt. Auch die Vorsitzende von Transparency International und Herausgeberin einer aktuellen Studie zum Thema, Edda Müller, konnte in einem Zeitungsinterview nicht bestätigen, dass der Kauf von Immobilien mit Geldern unklarer Herkunft die Kaufpreise und Mieten nach oben treiben. (vgl. taz, 8./9. Dezember 2018) Da das Ziel der Geldwäsche nicht in erster Linie darin besteht, Gewinne zu erzielen und die Täter bei der Einschleusung „schmutziger“ Gelder in den legalen Wirtschaftskreislauf sogar Verluste in Kauf nehmen, ist die Behauptung, Geldwäsche sei ein relevanter Mietpreistreiber, zumindest sehr fraglich (vgl. Transparency International, Seite 10).

Sind diese kritischen Stimmen jenseits des politischen und medialen Mainstreams ein Hinweis darauf, dass die Unterwanderung der angeblich sauberen legalen Immobilienwirtschaft durch „schmutziges“ Geld interessengeleitet hochgespielt wird? Die öffentliche Diskussion zur Geldwäsche blendet zumindest drei Punkte weitgehend aus:

  • Wenn politische Verantwortungsträger und andere die Schädlichkeit der Geldwäsche für die Entwicklung der Mieten betonen, dann lenken sie von den ganz legalen Möglichkeiten ab, die insbesondere große Wohnungsunternehmen und Finanzinvestoren nutzen, um Mietpreissprünge durchzusetzen oder Mieter*innen gewinnbringend aus ihren Wohnungen zu vertreiben. Legale Geschäfte auch im Immobilienbereich richten weitaus größere gesellschaftliche Schäden an als kriminelle Aktivitäten.

 • Medien und Politik befördern eine Ethnisierung der Kriminalität, wenn sie Geldwäsche in erster Linie als Geschäftsfeld einer jenseits der deutschen Grenzen wurzelnden Organisierten Kriminalität identifizieren – und dabei die Mitverantwortung des deutschen Staates ignorieren.

  • Die Geldwäsche ist mit den Geschäftsinteressen der legalen Wirtschaft so eng verwoben, dass sich die Grauzone zwischen legalem und illegalem wirtschaftlichem Handeln stetig vergrößert und eine Grenzziehung kaum möglich erscheint.

 

 Neoliberalisierung der Wohnungspolitik – Einfallstor für Geldwäsche

 Die legale Wohnungspolitik der letzten Jahrzehnte und eben nicht die Aktivitäten krimineller Akteure hat die Wohnungsnot zur zentralen sozialen Frage werden lassen. Vor allem ist sie eine Folge der seit Ende der 90er Jahre unter anderem von der rot-grünen Bundesregierung forcierten Liberalisierung der Finanzmärkte. Dadurch wurde der Internationalisierung der Immobilienwirtschaft und den finanzmarktorientierten Wohnungsgesellschaften erst der Weg geebnet. In Berlin beispielsweise verkaufte im Jahre 2004 die damals in der Hauptstadt regierende Koalition aus SPD und Linkspartei die landeseigene „Gemeinnützige Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft Berlin“ (GSW) an internationale Finanzinvestoren, so dass die Bestände 2013 vom zweitgrößten Wohnungsunternehmen in Deutschland, der „Deutsche Wohnen“, übernommen werden konnten. Dieser Konzern ist dafür bekannt und verhasst, die Mietpreise konsequent hochzutreiben und seine regional marktmächtige Stellung systematisch auszubauen.

 Der Staat erleichterte als Gesetzgeber sowohl die legale wie die illegale Profitmaximierung auf Kosten der Mieter*innen. Soll kriminell erwirtschaftetes Geld als Betongold gewaschen werden, bieten sich in erster Linie die sogenannten Share Deals an. Diese ermöglichen Geldwäsche im großen Stil. Im Unterschied zu einem direkten Erwerb einer Immobilie (Asset Deal) erwirbt der Käufer bei einem Share Deal Anteile an einem Unternehmen, welches Grundstücke oder Gebäude besitzt. Solange wie die Grenze von 95 % der Unternehmensanteile nicht erreicht wird, entfällt die Zahlung der Grunderwerbssteuer. Da aber auch die Namen der Eigentümer im Grundbuch nicht geändert werden, können die neuen tatsächlichen Eigentümer unsichtbar bleiben. Die wichtige Funktion des Grundbuchs, Klarheit über die Eigentumsverhältnisse zu schaffen, wird durch das Grunderwerbssteuergesetz, das die Share Deals regelt, ad absurdum geführt. Eine gesetzliche Regelung ermöglicht es also, dass ein großer Teil des Immobiliengeschäfts – der Kauf von Anteilen an Gesellschaften – extrem anfällig für das Delikt der Geldwäsche ist.

 

Ethnisierung der organisierten Kriminalität

Das Bundeskriminalamt (BKA) wies auf diesen Zusammenhang bereits im Jahr 2012 in einer Fachstudie hin. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen im vergangenen Jahr sprach auch die Bundesregierung von einem „Sektor mit herausgehobenem Risiko“. Eine hohe Wertstabilität, hohe Transaktionssummen, eine schwache staatliche Kontrolle und die fehlende Transparenz machen den Markt für kriminelle Geschäfte letzlich attraktiv. Unbestritten ist, dass zum Beispiel mafiöse Organisationen in Deutschland enorme Geldsummen waschen. Die mediale Berichterstattung stellt deshalb die Geldwäsche-Kriminalität zumeist als „von außen kommende“ Gefahr dar. Entweder als Geschäftsfeld der italienischen bzw. der osteuropäischen Organisierten Kriminalität oder im Zusammenhang mit sogenannten Clanstrukturen von Familien arabischer Herkunft. So berichtete die Berliner Zeitung am 28. Dezember wieder einmal, dass die Sicherheitsbehörden im letzten Jahr in der Hauptstadt insbesondere mit rund einem Dutzend arabischen „Clans“ zu tun hatten (Handel von Drogen und Waffen, Prostitution, Einbrüche und illegale Immobiliengeschäfte). Denn im vergangenen Sommer gehörte ein Schlag der Polizei gegen das organisierte Verbrechen über Wochen zu den Top-Themen nicht nur der Hauptstadtmedien. 77 Immobilien einer arabischen Großfamilie im Wert von zehn Millionen Euro waren beschlagnahmt worden. Bei der Berichterstattung fiel auf, dass die Aufmerksamkeit für diesen Fall in einem auffälligen Missverhältnis zur Bedeutung des grob geschätzten Gesamtvolumen der Geldwäsche im Nicht-Finanzsektor von mindestens 20 bis 30 Milliarden Euro (Bussmann, Seite 96) jährlich stand. Das Delikt schien bewusst „ethnisiert“ worden zu sein, um der Öffentlichkeit einen leicht zu markierenden Feind, dem die Zugehörigkeit zu Deutschland abgesprochen wird, präsentieren zu können. Auch wurde unterschlagen, dass Staat und Wirtschaft selbst an illegalen Investitionen im Immobilienbereich und anderswo gelegen sein könnte.

 Politik ohne Interesse an Strafverfolgung

 Die fortwährende Geldwäsche beweist, dass illegale Gewinne sichere Häfen für Kapitalanlagen benötigen und damit von legalen Märkten abhängen. Aber Politiker, die das Gemeinwesen repräsentieren, können auch an kriminell erzeugten Investitionssummen interessiert sein, wenn denn Arbeitsplätze geschaffen werden und in der Folge Steuereinnahmen zu erwarten sind: „Insbesondere viele Politiker auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene, denen vor allem die Sicherung der eigenen Macht und die nächsten Wahlen wichtiger sind als die Herkunft von Geldern zu erfragen, die in ihrem Einflussbereich investiert werden, sind der Grund dafür, weshalb die Geldwäsche-Bekämpfung in der Bundesrepublik Deutschland und in den meisten Industrienationen dieser Welt nicht effektiv und koordiniert betrieben werden kann. Angesichts dessen kann man nachvollziehen, weshalb der Wille zur Bekämpfung der Geldwäsche in Politik und Wirtschaft offensichtlich nicht besonders ausgeprägt ist.“ (Quedenfeld, Seite 22).

 Die Verwischung der Grenzen zwischen legaler und illegaler Wirtschaft bzw. die enge Verflechtung beider Bereiche ist eine Folge dieser Haltung. Die ökonomische Bedeutung der illegalen Investitionen wird auch durch die Aussage eines Mafiosi gegenüber einem Journalisten bestätigt, dass nämlich Deutschland ein gewaltiges Problem hätte, würde die Mafia ihre Gelder von hier abziehen (Transparency International, Seite 9). Die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke im August letzten Jahres wundert deshalb nicht: Die Financial Intelligence Unit (FIU: Zentralstelle für Geldwäsche-Verdachtsanzeigen) hatte innerhalb eines Jahres seit ihrem Umzug vom BKA zum Zoll im Sommer 2017 trotz etwa 70.000 eingegangener Verdachtsmeldungen im Zusammenhang mit vermuteter Geldwäsche lediglich in 25 Fällen Maßnahmen ergriffen, um verdächtige Transaktionen zu stoppen (vgl. „Geldwäsche-Paradies Deutschland: Nachricht von Fabio De Masi, 23. August 2018“, Webseite Die Linke im Bundestag). Offensichtlich war die Personaldecke der Behörde wesentlich zu dünn, um die Aufgabe auch nur im Ansatz stemmen zu können und neu eingestellte Mitarbeiter*innen verfügten über keine Erfahrung in diesem Bereich.

 In den zuständigen Stellen der einzelnen Bundesländer sieht es nicht besser aus. Sie sind für die Einhaltung der Vorschriften, das heißt die Kontrollen außerhalb des Finanzsektors zuständig. „Dafür haben sie seit Jahren einschneidende Instrumente in der Hand, die sogar weiter gehen als die Kompetenzen von Staatsanwaltschaften. Sie können jedes Gewerbeunternehmen ohne besonderen Anlass betreten, dort die Bücher auf Verstöße prüfen, Unterlagen sicherstellen und Sanktionen verhängen, die Bußgelder in Millionenhöhe und Instrumente der Gewinnabschöpfung vorsehen“, erläutert der Journalist David Stein im Juli 2018 in der Soz 07/2018. Es fehlt aber auch hier an der Bereitschaft, die notwendigen Sachmittel und das erforderliche qualifizierte Personal einzusetzen. In Berlin beispielsweise waren im Jahre 2017 für die Aufsicht über den gesamten Nichtfinanz-Sektor, der Tausende Gewerbebetriebe inklusive der Immobilienmakler umfasst, gerade einmal 1,45 Planstellen vorgesehen (vgl. BT-Drucksache 19/3818). Dass die verantwortliche Wirtschaftssenatorin Mitglied der Partei Bündnis 90/Die Grünen ist und die Partei sich beim Thema Geldwäschebekämpfung derzeit bundesweit profilieren will, spielt bei ihrer praktischen Politik auf Landesebene offensichtlich keine Rolle. Auch Frank Buckenhofer von der Gewerkschaft der Polizei (GdP Bezirksgruppe Zoll) kommentierte das Versagen der Behörden im Rahmen der Veranstaltung der Grünen damit, dass die Politik schlicht kein Interesse an einer Verfolgung der Geldwäsche habe.

An den Möglichkeiten der europäischen und nationalen Gesetzgebung liegt es nicht, dass Deutschland ein Paradies für Geldwäscher ist. Die entsprechende EU-Richtlinie wurde Mitte 2018 zum fünften Mal verschärft und muss in den Mitgliedsstaaten bis Januar 2020 umgesetzt werden. Aber beim Vollzug der rechtlichen Vorgaben in die Alltagspraxis hapert es weitgehend. „Deren Umsetzung scheitert auf breiter Front, und das ist kein Zufall“, resümiert Harald Schumann am 19. Oktober 2018 im Berliner Tagesspiegel. Auch er unterstreicht, dass das Interesse der nationalen Regierungen und ihrer Behörden zuallererst der Förderung ihrer Wirtschaft, nicht zuletzt durch ausländische Investoren, gilt. Da liege es nahe, nicht allzu genau hinzuschauen, woher das Geld komme. Offensichtlich kommen politischen Entscheidungsträger mit dem Dilemma, einerseits das Recht respektieren und durchsetzen zu müssen, andererseits Schaden von der „eigenen“ Wirtschaft abzuwenden, ganz gut zurecht und wissen ihre Priorität zu setzen.

Klar, dass ebenfalls bei den Vertreter*innen der Wirtschaft nach Ansicht des Kriminologen Bussmann im Bereich des Nicht-Finanzsektors (unter anderem der Immobilienbranche) von einer nur geringen Bereitschaft zur Umsetzung der Geldwäscherichtlinien auszugehen ist (Bussmann, Seite 30). Da nach dem deutschen Geldwäschegesetz alle an einem Immobiliendeal involvierten Akteure – Banken, Makler, Notare, Rechtsanwälte – verpflichtet sind, die Herkunft des Geldes ihrer Kunden zu prüfen und Verdachtsfälle den Behörden zu melden, darf die fehlende Meldebereitschaft auf das Profitstreben der jeweils Beteiligten zurückgeführt werden [1]. Auch die in den legalen Wirtschaftskreislauf eingespeisten Gewinne aus Straftaten tragen schließlich zum Wirtschaftswachstum bei und kurbeln die Umsätze der Unternehmen an.

 

Fazit

Geldwäsche dient dazu, kriminell erwirtschaftete Gelder zu einem integralen Bestandteil der legalen Wirtschaft zu machen. Die Aufhebung oder zumindest zunehmende Durchlässigkeit der Grenze zwischen den illegalen und legalen Bereichen der Ökonomie erschwert zweifellos die Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität. Die neoliberale Deregulierungspolitik der letzten Jahrzehnte förderte aber genau diesen Prozess. Dass die illegalen Praktiken auch im Immobiliensektor de facto nicht kontrolliert werden, ist eine bewusste politische Entscheidung, auch kriminelle Geldströme von Mafia & Co. ins „wertstabile“ Deutschland zu lenken. Die häufig artikulierte Behauptung, die Politik habe die Bedeutung der Geldwäsche lange unterschätzt, überzeugt deshalb nicht. Die im aktuellen Bundeslagebericht des BKA beklagten „möglichen Vertrauensverluste in die Funktionsfähigkeit der bestehenden Wirtschaftsordnung“ durch die Wirtschaftskriminalität sind also die Folge des von der herrschenden Politik geförderten kriminellen Wirtschaftshandelns (BKA, Seite 6). Bereits vor mehr als 15 Jahren beschrieb Wolfgang Hetzer, wie die Politik zur Bekämpfung der Geldwäsche in „ihrer Willkür, mit der sie umgesetzt wird, das heißt in der Vehemenz, mit der sie verhindert, andererseits aber nur sehr selektiv durchgesetzt wird, ein typisches Produkt der Deregulierungspolitik und deren Ambivalenz“ ist. „Funktionell“, so fuhr er fort, „ist die Geldwäsche eine finanztechnische Ergänzung zum ungehinderten Spiel der Marktkräfte und seinen illegalen Ausprägungen“. (Hetzer, Seite 357)

Die Fachleute gehen ausnahmslos von einem mittleren oder hohen Risiko für Geldwäsche im Immobiliensektor aus – dennoch ist eine Dramatisierung des Problems („Mafia-Käufe lassen Immobilienpreise explodieren!“) fehl am Platz. Denn die geht der Intention der politischen Klasse auf den Leim, von den Fehlern der neoliberalen Wohnungsmarktpolitik in den letzten Jahrzehnten abzulenken. Teile der Politik fördern zudem aus durchsichtigen Eigeninteressen die Geldwäsche selbst und skandalisieren sie zugleich mit massiver medialer Unterstützung, indem sie diese Form der Wirtschaftskriminalität einseitig zu einem Problem der „anderen“ („Ausländer“, „Clans“) machen und dabei auf rassistische Denkmuster zurückgreifen.

 

 Anmerkung:

 [1] Für den Bereich der Geldwäsche insgesamt wurden im Jahr 2017 genau 59.845 Verdachtsmeldungen an die FIU übermittelt. Davon kamen gerade einmal fünf von Notarinnen, 21 von Immobilienmaklerinnen, 23 von Rechtsanwält*innen (vgl. FIU, Seite 8).

Fakten zur Geldwäsche im Immobiliensektor

Im Zuge der Terror-Bekämpfung wurden die Geldwäsche-Gesetze in Deutschland für den Finanzsektor mehrfach verschärft. Wegen seiner mangelnden Kontrolldichte außerhalb dieses Bereichs, also beispielsweise im Immobiliensektor, ist Deutschland bei international agierenden Geldwäschern sehr beliebt.

 Beim Delikt der Geldwäsche handelt es sich wie bei allen Formen der Wirtschaftskriminalität um sogenannte Kontrollkriminalität, das heißt es besteht ein erhebliches Dunkelfeld. Das Hellfeld setzt sich aus der offiziellen Anzeigenstatistik zusammen, die keine seriöse Aussagekraft über das tatsächliche Ausmaß der Geldwäsche besitzt.

Nach dem „Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten“ (Geldwäschegesetz – GwG) ergeben sich Meldepflichten für alle „die im Rahmen ihres Geschäfts oder Berufs handeln“, wie es im Gesetz heißt, das heißt zur Abgabe einer Verdachtsmeldung bei der zuständigen Staatsanwaltschaft oder der FIU (Financial Intelligence Unit – Zentralstelle bei der Zollverwaltung), wenn Tatsachen auf eine mögliche Geldwäsche hinweisen.

  Mit über 48.000 von insgesamt fast 60.000 Verdachtsmeldungen weisen Kreditinstitute einen Anteil von über 80% auf. (vgl. FIU Jahresbericht 2017, Seite 7f.) Aus dem Nicht-Finanzsektor gehen also nur relativ wenige Anzeigen ein.

 Die Bundesregierung gab im August 2018 laut einer Kleinen Anfrage der Partei Die Linke das gesamte Geldwäschevolumen in Deutschland für mit etwa 100 Milliarden Euro jährlich an (BT-Drucksache 19/3818). Genaue Zahlen über das tatsächliche Ausmaß gibt es aber nicht.

 Nach einer aktuellen Dunkelfeldstudie, die auf über tausend Experteninterviews basiert (das heißt auf den Wahrnehmungen der befragten Akteuren, die zu Verdachtsmeldungen verpflichtet sind), lässt sich grob ein Geldwäschevolumen im Dunkelfeld des Nicht-Finanzsektors von 20 bis 30 Milliarden Euro errechnen. Das absolute Dunkelfeld ist als sehr viel höher anzunehmen. Für den Immobiliensektor kommt die Studie auf ein Volumen von etwa 3 bis 5 Milliarden Euro jährlich (vgl. Bussmann, Seite 96f. Auch dieser Wert dürfte tatsächlich höher ausfallen).

 Im Jahr 2016 hatte der Markt für Wohnimmobilien ein Volumen von 155,7 Milliarden Euro (Geldumsatz der Immobilien insgesamt: 237,5 Milliarden) (vgl. Arbeitskreis der Oberen Gutachterausschüsse, Seite 19). Die Dunkelfeldstudie weist somit einen Anteil der Geldwäsche von lediglich 2 bis 3% des Umsatzes bei Wohnimmobilien aus, der real aber höher anzusetzen ist.

 

Literatur:

Arbeitskreis der Oberen Gutachterausschüsse, Zentralen Geschäftsstellen und Gutachterausschüsse in der Bundesrepublik Deutschland: Immobilienmarktbericht Deutschland 2017

Bundeskriminalamt (BKA): Managementfassung zur Fachstudie „Geldwäsche im Immobiliensektor in Deutschland“ 2012

Bussmann, K.-D.: Geldwäsche – Prävention im Markt. Funktionen, Chancen und Defizite, Berlin, 2018

Financial Intelligence Unit (FIU): Jahresbericht 2017 (hrsg. von der Generalzolldirektion, Köln, September 2018)

Hetzer, W.: „Finanzmärkte und Tatorte: Globalisierung und Geldwäsche“, in: MschrKrim, Heft 5, 2003, Seite 353-63

Quedenfeld, R. (Hg.): Handbuch Bekämpfung der Geldwäsche und Wirtschaftskriminalität. 4. völlig neu bearbeitete Auflage, Berlin, 2017

Stein, David: „Der Berliner Immobilienmarkt: Wo die Spekulation blüht, sind Mafia und organisierte Kriminalität nicht weit“, in: Soz, 07/2018

Transparency International Deutschland e.V.: Geldwäsche bei Immobilien in Deutschland

 

Der Autor
Joachim Maiworm lebt in Berlin und ist aktiv bei der Berliner MieterGemeinschaft.