Die Funktion des Lobbyismus, so heißt es heute oft, bestehe in erster Linie darin, das „richtige“ politische und gesellschaftliche Klima zu schaffen, in dem relevante Entscheidungen getroffen werden. Weitgehend im Dunkeln agierende Thinktanks und Stiftungen zielen demnach darauf ab, gewünschte Stimmungen und Trends gezielt zu fördern, unerwünschte dagegen zu behindern und zu schwächen [1]. Aber Netzwerke zwischen privatem Kapital und Staat, die den Eindruck vermitteln, dass die Grenze dazwischen verschwimmt, bestehen nicht nur als informelle Organisationsformen, sondern arbeiten auch ganz offiziell, offen und direkt.

Das zeigt ein Blick in die Wohnungswirtschaft, wo gerade die börsennotierten Konzerne aufgrund ihrer Größe einen Status erreicht haben, der sie vor unerwünschten Gesetzen und Verordnungen des Staates schützt. Sie sind schlicht „systemrelevant“, werden deshalb von der Politik bei Laune gehalten und bereits im Vorfeld von Entscheidungsprozessen eingebunden.

Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) – die Lobbyisten der börsennotierten Immo-AGs

Seit Ende der 1990er Jahre tummeln sich international agierende Investmentfonds verstärkt auf dem deutschen Wohnungsmarkt. So sorgte die spektakuläre Übernahme des gemeinnützigen Unternehmens Gagfah (Wohnungsgesellschaft der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, damals 82.000 Wohnungen) durch die US-amerikanische Private-Equity-Gesellschaft Fortress Investment Group im Jahr 2004 für Aufsehen. 2006 erfolgte der Börsengang des Unternehmens. Spätestens seit dieser Zeit wurde klar, dass aus ehemals standortgebundenen Immobilien endgültig weltweit handelbare Kapitalanlageprodukte geworden waren. Just zu diesem Zeitpunkt gründete sich der ZIA als Interessenvertretung der großen Immobilienunternehmen. Andreas Mattner, Präsident des ZIA, bekräftigte auch Jahre später die Ausrichtung des Verbandes: „Für uns heißt das, die Kapitalmarktorientierung der Immobilienwirtschaft konsequent voranzutreiben.“ (Geschäftsbericht 2010/2011, S. 3)

Die Immobilienlobby ist direkt über das „Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen“ in die Bundespolitik eingebunden [2]. Während in dem Gremium allein der Deutsche Mieterbund (DMB) die Mieter*innen vertritt und der DGB sowie die IG Bau die abhängig Beschäftigten repräsentieren, bündeln gleich fünf Verbände in geballter Form die Interessen der privaten Vermieter: der ZIA e.V., Haus & Grund Deutschland e.V., der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. (GdW), der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen e.V. (BFW) und die Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland (BID). Der wichtigste der im Bündnis vertretenen Spitzenverbände ist der ZIA, denn er spricht für mehr als 25 Verbände und 37.000 Unternehmen der Branche. Auch die großen börsennotierten Immobilienunternehmen sind dort organisiert und bestimmen die politische Ausrichtung der Organisation entscheidend mit. Einer der beiden Vizepräsidenten ist Rolf Buch, Vorstandsvorsitzender von Vonovia. Bevor er 2013 bei dem mit Abstand größten deutschen Immobilienkonzern (heute knapp 404.000 Wohnungen) gleich als Vorstandsvorsitzender einstieg, hatte er von 1991 bis 2012 verschiedene Funktionen im Bertelsmann-Konzern inne. Seit dieser Zeit gilt er als exzellenter Netzwerker, der als Manager in dem Gütersloher Konzern Geschäftsbeziehungen mit öffentlichen Institutionen, Ministerien, Behörden und Verwaltungen aufbauen konnte.

Sowohl der Präsident des ZIA als auch sein Geschäftsführer Klaus-Peter Hesse sind seit vielen Jahren als Hamburger CDU-Politiker auch auf Bundesebene aktiv, was eine intensive Kontaktpflege zur politischen Sphäre ermöglicht. Mattner, seit 1993 Geschäftsführer der ECE Projektmanagement GmbH & Co. KG, war vier Jahre als Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesbauministerium und von 1991 bis 2008 in der Hamburgischen Bürgerschaft unter anderem als bau- und wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion tätig. Er engagierte sich daneben im CDU-Wirtschaftsrat.

Anlässlich des Tags der Immobilienwirtschaft am 13. Juni 2018 in Berlin stellte der ZIA einen neu gegründeten Kommunalrat vor. Dieser setzt sich aus Kommunalpolitiker*innen, Vertreter*innen der Immobilienwirtschaft und Stadtentwicklern zusammen und soll vor allem Vorschläge erarbeiten, wie das Ziel der Bundesregierung, bis zum Ende der Legislaturperiode 1,5 Millionen neue Wohnungen zu bauen, erreicht werden kann. „19 namhafte Spitzen der Kommunen treffen dort auf 12 Unternehmenslenker“, heißt es in einer Pressemitteilung des Verbandes. Notwendig seien schlankere Prozesse, schnellere Entscheidungen und mehr Effizienz beim Planen und Bauen. In dem Gremium sollen Immobilienwirtschaft und Kommunalpolitik „dauerhaft in einen Dialog treten“, weil die Situation in den angespannten Städten und Gemeinden Deutschlands nur gemeinsam gemeistert werden könne. So formulierte es jedenfalls Eva Lohse, Vorsitzende des ZIA-Kommunalrats und ehemalige Oberbürgermeisterin der Stadt Ludwigshafen. Dazu beitragen wird auch der Chef von Vonovia, der den ZIA für die Unternehmerseite in der neuen Organisation vertritt. In Zeiten wachsender Mieterproteste auf der Straße und steigender Erwartungen an die Politik, der Wohnungswirtschaft Zügel anzulegen, bringt sich die finanzstarke Immobilienlobby auch damit weiter in Stellung.

So auch beispielsweise vor dem Wohnungsgipfel des „Heimatministers“ Seehofer im September 2018. Der ZIA schlug vor, die Erstellung von Bebauungsplänen, mit denen die Kommunen die Nutzung und Bebauung von Grundstücken regeln, „zum Zwecke der Beschleunigung und Entbürokratisierung“ von externen, privaten Büros durchführen zu lassen. Das MieterEcho, Zeitung der Berliner Mietergemeinschaft, kommentierte spöttisch: „Eine aparte Idee, nicht nur das Baugeschehen und die Wohnungsversorgung, sondern auch gleich noch die Stadtentwicklung den privaten Investoren zu übertragen!“

Vor dem Wohnungsgipfel startete Lobbycontrol eine Kampagne, die unter anderem gegen das Ungleichgewicht der dort vertretenen Akteure protestierte. Zu sieben Immobilien- und Eigentümerverbänden (mit dem ZIA an der Spitze) gesellten sich vier Baulobbyverbände, denen lediglich zwei Gewerkschaften und der DMB gegenüberstanden. Und bei letzterem handelt es sich um eine nicht eben kämpferisch auftretende Mieterorganisation, die der Sozialdemokratie nahesteht und sich auf ihrer Webseite als „anerkannter Gesprächspartner für Gesetzgeber und Verwaltung“ anpreist. [3] Sozialverbände, Recht-auf-Stadt-Initiativen, unabhängige Mietervereine und Wohnungslose blieben bei dem Gipfel ganz draußen.

Papiertiger Mietpreisbremse

Nachdem Mitte 2015 der Bundestag die von der Politik zunächst als „Meilenstein im Mietrecht“ gelobte sogenannte Mietpreisbremse beschlossen hatte, galt das Gesetz schon bald als weitgehend wirkungslos und gescheitert. Die Arbeit der Immobilienlobby hatte Früchte getragen. Denn dass etwa der Neubau völlig von der Mietpreisbremse ausgenommen wurde, feiert der ZIA als politischen Erfolg des Verbandes. Das Gesetz erweist sich als reiner Papiertiger und ist deshalb ganz nach dem Geschmack der Lobbyisten. Aussagen von einzelnen Spitzenmanagern bestätigen diese Einschätzung. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung vom 26. Februar 2018 relativierte Vonovia-Chef Rolf Buch die Bedeutung der Mietpreisbremse für sein Unternehmen: „Wahrscheinlich würden wir ein bisschen mehr Geld verdienen, wenn es keine Mietpreisbremse gäbe. Der Unterschied wäre allerdings nicht nennenswert.“ Michael Zahn, Vorstandsvorsitzender von Deutsche Wohnen, schlug im Juni 2017 vor dem Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen im Berliner Abgeordnetenhaus in die gleiche Kerbe. Der Anteil der Mietwohnungen, der unterhalb des Mietspiegels liege, so Zahn, schmelze durch die Modernisierungsmaßnahmen des Konzerns ab. Der Mietspiegel (als Bezugsgröße auch für die Mietpreisbremse) spiele darum für Deutsche Wohnen auf lange Sicht überhaupt keine Rolle.

Auch Michael Zahn tritt als direkter Lobbyist auf. Die Nummer eins des zweitgrößten Players unter den börsennotierten Immo-AGs ist als Vorsitzender der Bundesfachkommission „Bau, Immobilien und Smart Cities“ für den CDU-Wirtschaftsrat aktiv. Diese wichtige Lobbyorganisation von unionsnahen Unternehmern möchte unter anderem das Mietrecht „von seinen staatlichen Fesseln befreien und die Freiheit des privaten Vertragsrechts stärken“. Staatliche Eingriffe in die Preisfindung des Marktes werden deshalb abgelehnt. Deshalb wehrt sich der Wirtschaftsrat der CDU auch gegen alle Pläne zur Einschränkung der Modernisierungsmieterhöhung. Unverantwortlich sei jedoch, so ist in einer Pressemitteilung vom 6. August 2018 zu lesen, die Immobilienbesitzer der Profitgier zu bezichtigen. Allzu viele Gründe für den Zorn der Unternehmer gibt es jedoch nicht. Denn trotz der angekündigten Senkung der Modernisierungsumlage auf acht Prozent haben sie von der Bundesregierung, die die enge Zusammenarbeit mit dem Verband fortzusetzen gedenkt, kaum Ärger zu erwarten.

Politische Prominenz

Die Lobby- und Politiknetzwerke in Berlin sind im Bereich der Wohnungswirtschaft also sehr eng miteinander verwoben. Dafür sorgen auch prominente Personen in den Aufsichtsräten der Immo-AGs. Einige Beispiele: Bis zu seinem Tod im August 2017 saß mit Wulf Bernotat der ehemalige Vorstand des Energieriesen E.on als Vorsitzender im Aufsichtsrat der Vonovia. Seit Mai 2018 leitet der politisch hervorragend vernetzte ehemalige Vorstandschef der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen, den Aufsichtsrat von Deutschlands größtem Immobilienkonzern. Bereits fünf Jahre im Aufsichtsrat tätig ist die CDU-Wirtschaftslobbyistin Hildegard Müller, Mitglied des Vorstands von Innogy SE, der börsennotierten Tochtergesellschaft vom Energieversorger RWE. Von 1998 bis 2002 war sie Bundesvorsitzende der Jungen Union, von 1998 bis 2008 Mitglied im CDU-Bundesvorstand, von 2005 bis 2008 Staatsministerin im Bundeskanzleramt. Politischen Einfluss garantiert darüber hinaus der ehemalige Oberbürgermeister von Oberhausen und Ex-Vorstand der Gagfah, Burkhardt Drescher, der Ende 2014 in den Aufsichtsrat der Vonovia berufen wurde. Auf Politprominenz kann auch der Aufsichtsrat von Deutsche Wohnen verweisen. Mit Wolfgang Clement, dem früheren SPD-Superminister unter Kanzler Gerhard Schröder, verfügte der zweitgrößte Immobilienkonzern von 2011 bis Mitte 2017 über einen Superlobbyisten in seinem Aufsichtsgremium.

Den Weg von der Politik in die Immobilienwirtschaft wählte auch der SPD-Politiker Andreas Breitner, von Juni 2012 bis September 2014 Innenminister von Schleswig-Holstein und damit zuständig für die Wohnungswirtschaft. Ein besonders dreistes Beispiel eines Seitenwechsels: Er mutierte, quasi aus seinem politischen Amt heraus, zum Lobbyisten des Verbandes Norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), der über 340 Mitgliedsunternehmen mit insgesamt etwa 730.000 Wohnungen vertritt. Denn noch drei Tage vor seinem Rücktritt als Minister und der Bekanntgabe seiner Bestellung als neuer Direktor des Verbandes nahm er an der Jahresversammlung des VNW teil, um über Probleme der Branche zu diskutieren [4].

Resümee: Besonders mit den börsennotierten Immobilienkonzernen sind neue Akteure auf dem deutschen Wohnungsmarkt herangereift, die ihre Marktmacht und politischen Potenziale weiter entwickeln werden. Die Politik, erst recht auf der kommunalen Ebene, kann „im Dialog“ mit den Immobiliengiganten deren geballter Lobbymacht kaum etwas entgegensetzen. Eine Regulierung des Lobbyismus auch in der Wohnungswirtschaft (Beispiel Lobbyregister) würde lediglich die verdeckte Einflussnahme auf die politischen Schaltstellen ein wenig erschweren, denn die großen Verbände und Konzerne sind in erster Linie nicht auf konspiratives Verhalten angewiesen. Der zentrale Hebel zur Beschränkung des zunehmenden ökonomischen und politischen Einflusses der finanzmarktorientierten Wohnungsunternehmen ist vielmehr das Bekenntnis zu einem öffentlich finanzierten Wohnungsbau in öffentlichem Eigentum und mit politisch regulierten Mieten. Dafür aber müssen politische Mehrheiten erstritten werden, auf der Straße, in Initiativen und kritischen Mietervereinen – ganz ohne klassischen Lobbyismus.

Anmerkungen:

[1] Vgl. Markus Balser/Uwe Ritzer: Lobbykratie. Wie die Wirtschaft sich Einfluss, Mehrheiten, Gesetze kauft, München, 2016, S. 343

[2] Vgl. auch Christina Deckwirth (LobbyControl): „Wer prägt die Wohnungspolitik der Bundesregierung“ (Text vom 18. Juli 2018)
https://www.lobbycontrol.de/2018/07/wer-praegt-die-wohnungspolitik-der-bundesregierung/

[3] Für einen Lacherfolg sorgte Lukas Siebenkotten, Chef des DMB, als er am 20. September 2018 auf dem von einem Mieterbündnis veranstalteten „Alternativen Wohngipfel“ in der Hauptstadt gefragt wurde, warum seine Organisation überhaupt an dem offiziellen Wohnungsgipfel von Politik und Immobilienwirtschaft teilnehmen würde. „Wenn Merkel uns einlädt, dann kommen wir auch!“, war seine Antwort.

[4] Vgl. https://lobbypedia.de/wiki/Andreas_Breitner

Der Autor
Joachim Maiworm lebt in Berlin und ist aktiv bei der Berliner MieterGemeinschaft.