Die Folgen des Coronavirus bekommt auch die Reiseplattform Airbnb deutlich zu spüren. So erwarten Experten, dass viele Eigentümer Wohnungen, die sie bislang entweder direkt an Touristen oder aber an das Unternehmen vermietet haben, wieder in reguläre Mietwohnungen umwandeln. Die Erlöse von Airbnb sollen deshalb in den Monaten Februar und März dieses Jahres regelrecht eingebrochen sein. Die Hoffnung, dass der Virus das Problem der kriminellen Zweckentfremdung von Wohnraum für immer beseitigt, dürfte sich jedoch als trügerisch erweisen. Denn nach dem Ende der Krise wird das Geschäftsmodell der Onlineplattformen wohl wieder volle Fahrt aufnehmen.
Die Politik bleibt also am Zug – und versagt weitgehend bei der mieterfreundlichen Regulierung des Wohnungsmarkts. So sind seit dem August 2018 im Bundesland Berlin Verstöße gegen das Zweckentfremdungsverbotsgesetz, mit dem der Leerstand und die Überlassung von Wohnungen als Ferienapartments reduziert werden soll, bußgeldbewehrt. Die Umsetzung des Gesetzes aber bleibt weitgehend wirkungslos. „Nach Untersuchungen des rbb und des Tagesspiegel sind rund 85% aller Angebote nicht bei den Bezirksämtern registriert worden und somit illegal. Bei vielen Anwohner/innen wächst der Frust über die Tolerierung von Zweckentfremdung und Leerstand. Bürgerhinweise versanden in Schubladen, die Arbeit der zuständigen Amtsstellen ist alles andere als transparent“, schreibt etwa das Berliner MieterEcho Anfang des Jahres.
Dass es kaum gelingt, mit dem Gesetz zweckentfremdete Wohnungen auf den Wohnungsmarkt zurückzuführen, liegt in erster Linie an der teils völlig überlasteten Verwaltung in den zuständigen Bezirken der Hauptstadt. Die für Recherchen und Vor-Ort-Kontrollen zuständigen Fachabteilungen sind personell stark unterbesetzt, so dass die geforderte Anmeldepflicht der zeitweise an Touristen vermieteten Wohnungen kaum überprüft werden kann. Zudem fehlt es den Bezirken offenbar am Mut, die vorgesehenen Ordnungsgelder (die bis zu 500.000 Euro betragen können) im Falle von Verstößen tatsächlich zu verhängen.
Die gleichen Defizite zeigen sich bei der Durchsetzung der Regelungen des seit 1990 geltenden Wohnungsaufsichtsgesetzes. Die Bezirke sollen unter anderem prüfen, wo in Berlin Eigentümer ihre Wohnungen vernachlässigen und sie verfallen lassen. Für die knapp 1,5 Millionen Mietwohnungen in der Stadt sind in den Verwaltungen der zwölf Bezirken zurzeit nur etwas mehr als 20 Stellen vorhanden, deren Inhaber die notwendigen Instandhaltungsmaßnahmen von Immobilien auf ihre Umsetzung zu kontrollieren haben. In einigen Bezirken steht offensichtlich nur ein Mitarbeiter bzw. eine Mitarbeiterin für die Kontrolle von jeweils über 100.000 Wohnungen bereit. „Es scheint wie so oft in Berlin: Die Regeln sind da, aber die Personalausstattung ist nicht bereit dafür.“ (Tagesspiegel, 1. Februar 2020)
Auch bei der Umsetzung des viel diskutierten Mietendeckels in Berlin werden den bezirklichen Wohnungsämtern wichtige Aufgaben übertragen. Dazu gehört vor allem die Überwachung der Einhaltung der Mietobergrenzen und das Feststellen von Ordnungswidrigkeiten bei Verstößen gegen die gesetzlichen Bestimmungen. Einzelne bezirkliche Wohnungsämter werden von Stadträten geleitet, die der CDU bzw. der AfD angehören – von Parteien also, die den Mietendeckel für verfassungswidrig halten, „so dass es mit dem Willen zu seiner Durchsetzung nicht weit her sein dürfte“. (MieterEcho März 2020)
Gesetzliche Regelungen und Verordnungen bieten der Exekutive durchaus Möglichkeiten, gerade gegen kriminelle Akteure in der Wohnungswirtschaft und darüber hinaus effektiv vorzugehen. Aber der politische Wille dazu fehlt vielfach. Deshalb wird in einer Metropole wie Berlin, in der sich börsennotierte Wohnungskonzerne und international agierende Wohnraumvermittler tummeln, die Durchsetzung vieler rechtlicher Normen den Bezirken als dezentrale Einheiten aufgebürdet. Zum Teil geschieht dies gegen den erklärten Willen der zuständigen Bezirksbürgermeister*innen, die sehr genau wissen, dass sie Regularien umzusetzen haben, die materiell nicht ausreichend unterfüttert sind (unzureichendes Fachpersonal und IT-Kapazitäten).
Ein weiteres prominentes Beispiel verdeutlicht, wie die Substanz eines Gesetzes durch das perfide Agieren der zuständigen Landesregierung unterlaufen wird. Mitte des vergangenen Jahres übergaben Aktivisten dem Berliner Senat 77.000 Unterschriften, die für das Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ gesammelt worden waren. Durch einen anschließenden Volksentscheid sollen etwa 240.000 Wohnungen von Immobilienkonzernen vergesellschaftet werden. Die rechtliche Prüfung des Volksbegehrens ist jedoch immer noch beim Innensenator anhängig – bereits seit mehr als acht Monaten. Der Publizist Matthias Greffrath nannte dieses taktische Verhalten der Berliner Regierung treffend „Sabotage durch Verfahren“.
Quellen:
Sha Hua, Astrid Dörner u.a.: „Wohnungsmarkt ist vorläufig außer Betrieb“, Handelsblatt, 28. März 2020
„Umsatz von Airbnb halbiert sich“, SPIEGEL Online, 24. März 2020
Heiko Lindmüller: „Zweckentfremdungsverbot: Ein zahnloser Tiger?“, MieterEcho, Januar 2020, Seite 19
Philipp Möller: „Wildwest in den Bezirken“, MieterEcho, März 2020, Seite 14
Julius Betschka: „Warum Berliner Bezirke an der Wohnungsaufsicht scheitern“, Tagesspiegel, 1. Februar 2020
Mathias Greffrath: „Saisonschluss“, Deutschlandfunk: Essay und Diskurs, 15. Dezember 2019
Der Autor
Joachim Maiworm ist Redakteur von BIG Business Crime