Zum Wohle Aller: Die Bertelsmann-Stiftung und Lobbyismus im Gesundheitswesen

In der BIG-Beilage zur Nr. 4/2020 von „Stichwort BAYER“ erwähnte Joachim Maiworm in seinem Artikel „BIG Business und die Krankenhausmisere“ eine Studie der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahr 2019. Darin wurde empfohlen, die Anzahl der deutschen Kliniken um mehr als die Hälfte zu reduzieren. Ein hinreichender Grund, sich intensiv mit den Aktivitäten der Stiftung auseinanderzusetzen.

Denn: Auch nach dem jahrelangen Versuch einiger Kritiker, die Funktionsweise der Bertelsmann-Stiftung offen zu legen, gibt es immer noch viele Menschen, die bei „Bertelsmann“ an einen Buchclub oder an gar nichts Besonderes denken. In den letzten Jahren ist es der Stiftung und ihren Studien zudem gelungen, immer mehr in den öffentlich-rechtlichen Medien präsent zu sein. Dabei arbeitet sie mit dem Geld, welches der Bertelsmann-Konzern als einer der international größten Medienunternehmen im privaten Medien-Sektor erwirtschaftet.

Mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie sind die Empfehlungen besagter Klinikstudie zwar fürs erste nicht mehr so richtig salonfähig. Es ist dennoch zu vermuten, dass das Virus Covid 19 den Bertelsmann-Interessen langfristig gesehen in die Hände spielt.

So lohnt sich der genaue Blick: Was ist der Bertelsmann-Konzern?

Die Bertelsmann SE & Co KGaA – das sind 127.447 Mitarbeiter, ein Umsatz von 18 Milliarden Euro und ein Konzernergebnis von 1,091 Milliarden Euro. So steht es auf der Unternehmens-Webseite[i]. Bertelsmann stellt sich und seine Bereiche dort wie folgt vor:

Die RTL Group ist eines der führenden Unternehmen im Sender-, Inhalte- und Digitalgeschäft mit Beteiligungen an 68 Fernsehsendern, acht Streaming-Plattformen und 30 Radiostationen, weltweiten Produktionsgesellschaften sowie einem dynamisch wachsenden Digitalgeschäft.“[ii]

Penguin Random House ist mit rund 320 eigenständigen Buchverlagen auf sechs Kontinenten, mehr als 15.000 Neuerscheinungen und über 600 Millionen verkauften Büchern, E-Books und Hörbüchern im Jahr die größte Publikumsverlagsgruppe der Welt.“[iii]

Gruner + Jahr ist einer der führenden Premium-Magazinverlage Europas. Zu ihm gehören so etablierte Marken wie ‚Stern‘, ‚Geo‘, ‚Brigitte‘, ‚Essen & Trinken‘ und ‚Schöner Wohnen‘ – und dazu junge Marken, etwa ‚Chefkoch‘, ‚Barbara‘, ‚Beef‘ und ‚11 Freunde‘. Insgesamt veröffentlicht Gruner + Jahr rund 500 gedruckte und digitale Medienangebote in mehr als 20 Ländern.“[iv]

„Gegründet im Jahr 2008, ist BMG heute mittlerweile der viertgrößte Musikverlag der Welt und seit Jahrzehnten der erste neue Global Player, der sich im Labelgeschäft etablieren konnte.“[v]

Arvato ist ein international agierendes Dienstleistungsunternehmen, das für Geschäftskunden aus aller Welt innovative Lösungen entwickelt und realisiert. Diese umfassen SCM-Lösungen, Finanzdienstleistungen sowie IT-Services und werden laufend mit den Innovationsschwerpunkten Automatisierung und Daten/Analytics weiterentwickelt. Auf das Lösungsportfolio von Arvato setzen weltweit renommierte Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen – von Telekommunikationsprovidern und Energieversorgern über Banken und Versicherungen bis hin zu E-Commerce-, IT- und Internetanbietern.“[vi]

In der Bertelsmann Printing Group sind die Druckaktivitäten von Bertelsmann gebündelt. Dazu zählen die deutschen Offsetdruckereien Mohn Media, GGP Media und Vogel Druck, die Tiefdruckaktivitäten von Prinovis in Deutschland und Großbritannien sowie die Offset- und Digitaldruckereien Berryville Graphics, Coral Graphics und OPM in den USA.“[vii]

„Die Bertelsmann Education Group bündelt die Bildungsaktivitäten von Bertelsmann. Mit digitalen Bildungsangeboten und -services in den Bereichen Gesundheit, Technologie und Pädagogik hat sich die Gruppe zum Ziel gesetzt, das Lernen im 21. Jahrhundert zu gestalten. Sie strebt dabei nach langfristigen Partnerschaften mit herausragenden Bildungsunternehmern, die Vision, Mindset und Werte der Gruppe teilen.“[viii]

„Bertelsmann Investments (BI), der globale Venture-Capital-Arm von Bertelsmann, umfasst vier Fonds: Bertelsmann Asia Investments (BAI), Bertelsmann India Investments (BII), Bertelsmann Brazil Investments (BBI) und Bertelsmann Digital Media Investments (BDMI) mit dem Fokus USA und Europa. BI beteiligt sich darüber hinaus an ausgewählten Fonds u. a. in Südostasien und Afrika und an Fonds mit einem Fokus auf neue Technologien. Durch Bertelsmann Investments wurden bisher über eine Milliarde Euro in über 250 innovative Unternehmen und Fonds investiert. Die ‚Bertelsmann Investments Digital Partners‘-Initiative ermöglicht die Zusammenarbeit zwischen Start-ups und allen Bertelsmann-Unternehmen, um die Digitalisierung der Geschäfte weiter voranzutreiben.“[ix]

Die Aktionärs-Struktur des Konzerns ist übersichtlich. Die Gründer-Familie Mohn hält 19,1 Prozent der Aktien, die Bertelsmann Stiftung hält als Hauptakteur zusammen mit der Reinhard Mohn-Stiftung und der Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft (BVG) 80,9 Prozent. Die BVG hat 100 Prozent Stimmrechtskontrolle.[x] Es ist ein in vielerlei Hinsicht pfiffiges Konstrukt, dass eine hauseigene Stiftung Hauptaktionär des eigenen Konzerns ist.

Was sich Reinhard Mohn bei der Gründung der Stiftung gedacht hat, kann man auf der Stiftungswebseite unter „Leitbild“ nachlesen: “Aus dem Unbehagen, welches eigentlich jeder Bürger und Demokrat empfinden muss, wenn die Gesellschaft nicht zufriedenstellend geordnet ist, erwuchs mein Wunsch, bei der Besserung der Dinge behilflich zu sein.“[xi] Eigentum sei mit gesellschaftlicher Verantwortung verbunden… Ja…und seitdem ist die Stiftung nun bei der „Besserung der Dinge“ behilflich und besitzt dafür als Konzern-Anteilseigner den steuergünstigen Status der Gemeinnützigkeit. In einem Artikel des „Tagesspiegels“ aus dem Jahr 2006 mit dem Titel „Macht ohne Mandat“ schreibt Harald Schumann über die Stiftung:

„Sie verwandelt das Geld aus ersparten Steuern von Europas größtem Medienkonzern in strategische Politikberatung. Dabei ist die Stiftung mit ihrem Anteil von 76 Prozent an der Bertelsmann AG nicht nur die reichste ihrer Art in Deutschland. Zugleich arbeitet sie operativ, also ausschließlich auf Initiative ihres Gründers, des Konzernpatriarchen Reinhard Mohn und seiner Mitarbeiter. Externe Anträge werden nicht entgegen genommen, dafür drängen die Bertelsmänner umso eifriger mit eigenen Projekten in die deutsche Regierungsarbeit.“[xii] Daran hat sich in den letzten 15 Jahren vom Grundsatz her nichts geändert.

Die Arbeit der Stiftung könnte – auch wenn nicht jeder Impuls kritikwürdig ist – in weiten Teilen als demokratiefeindlich bezeichnet werden, da unter dem Deckmantel des Allgemeinwohls eigene Profitinteressen des Konzerns verfolgt werden. Die Lobbyarbeit des Konzerns ist dabei nicht wirkungslos und trägt zur Aushöhlung staatlicher Strukturen bei, die einst demokratisch errungen wurden. Es gibt kaum ein öffentliches Feld was die Stiftung nicht bearbeitet. Arbeitsmarkpolitik, die öffentliche Verwaltung, Bildungspolitik und Außenpolitik gehören dazu. Um die Tätigkeiten der Stiftung speziell im Gesundheitssektor und im Kontext der Studie einzuordnen sollte man folgendes wissen:

  1. Die Bertelsmann-Stiftung hat in den 1990er Jahren das Centrum für Krankenhausmanagement (CKM)[xiii] gegründet, welches der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als Institut angegliedert ist.[xiv] Das CKM macht sich mit seinen Projekten Gedanken um die Krankenversorgung der Zukunft. Diese soll effizient, kostengünstig und technologisiert sein. Eines der Projekte nennt sich „boundaryless hospital“[xv] Dieses „grenzenlose“ Krankenhaus soll unter anderem „in einem zukünftigen Konzept des Krankenhaus-Managements eine steuernde Rolle in der Versorgungsstruktur eines zukünftiges Gesundheitssystems“ übernehmen. Zentrale Aufnahmestelle, Bündelung, zentrale Begutachtung und anschließende passgenaue Verteilung der Patienten sind wesentliche Merkmale. Genau das was man braucht, wenn man mit einer Studie die Schließung von zwei Dritteln aller Krankenhäuser fordert. Mit weniger angeblich mehr erreichen. Das sagt das Konzept des „boundaryless hospital“ und das sagt die Klinik-Studie.
  1. Die Bertelsmann-Gesellschafterin Brigitte Mohn saß bis 2020 langjährig im Aufsichtsrat des größten deutschen privaten Klinikbetreibers, der Rhön-Klinik AG. Im Geschäftsbericht 2018 heißt es im Vorwort: „Für eine bessere Versorgung braucht es mehr Wettbewerb in Deutschland…“ Die Rhön-Klinik AG würde samt ihrer damaligen Aufsichtsrätin vom Schließen kommunaler Krankenhäuser profitieren. Da kann man auch mal in einer Studie fordern, dass man quasi selbst herausgefunden hat, dass die öffentliche Konkurrenz besser schließen soll, damit das öffentliche Geld der Krankenkassen lieber produktiv in die eigenen privaten Hände fließt. Eine sehr eigenwillige Definition von „Wettbewerb“. Die personelle Verflechtung wurde dann auch öffentlich im Zusammenhang mit der Krankenhaus-Studie kritisiert. Die Stiftung dementierte aber einen Interessenskonflikt. In einem Zeitungsartikel der „Neuen Westfälischen“ heißt es: „Dazu betonte die Stiftung, zwischen Mohns Aufsichtsratssitz und den Vorschlägen der Studie bestehe kein Zusammenhang. Die Stiftung pflege keine Geschäftsbeziehung zum Rhön-Klinikum. Es handele es sich um eine Modellrechnung, mit der man eine politische Debatte anstoßen wolle. ‚Bei dieser Berechnung spielt keine Rolle, wie und von wem einzelne Kliniken betrieben werden.‘“[xvi]
  1. Wie dem auch sei. Brigitte Mohn ist nun scheinbar ganz aktuell aus dem Aufsichtsrat des Rhön-Klinikums ausgeschieden. (In einer außerordentlichen Hauptversammlung wurde im Juni 2020 gegen Ihre Absetzung gestimmt. Sie wird aber nun nicht mehr auf der Unternehmensseite geführt.[xvii]) Man kann jedenfalls die Bertelsmann-eigene Belobigung der Klinik-Studie, flankiert mit Worten von ihrer Mutter Liz Mohn hier noch einmal nachlesen. Der Beitrag enthält sogar einen Nachtrag wegen Corona. Die Stiftung weist darauf hin, dass sie mit Einschränkungen an ihrer Meinung festhält (https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2019/juli/eine-bessere-versorgung-ist-nur-mit-halb-so-vielen-kliniken-moeglich).
  1. Eines der großen Steckenpferde von CKM, Rhön-Klinik AG und Bertelsmann-Stiftung ist die Telematik, die elektronische Gesundheitskarte und generell die damit verbundene Digitalisierung des Gesundheitswesens. Das wird schließlich erst die effiziente und kostengünstige – natürlich auch angeblich qualitativ hochwertigere – medizinische Versorgung gewährleisten. Telemedizin ist das Stichwort. Es braucht keinen Arzt vor Ort, wenn man ihn auch online zuschalten kann. Da gibt es Studien und Vorschläge über die Online-Versorgung der ländlichen Bevölkerung und über die Live-Zuschaltung von Notärzten im Rettungswagen (die ja dann zur Zentralklinik länger unterwegs sind).[xviii] Die indirekte Forderungen an die Politik besteht darin, das Mobilfunknetz auszubauen und entsprechende technische Geräte zu entwickeln, die dies überhaupt erst möglich machen.
  1. Die Bertelsmann Tochter Arvato steht regelmäßig und erfolgreich bereit, um gegen Bezahlung diese geforderte Digitalisierung vorzunehmen. Arvato, also Bertelsmann selbst, ist der Konzern, der zum Beispiel die technische Seite der elektronischen Gesundheitskarte deutschlandweit umsetzt. Ein Millionengrab öffentlicher Gelder.[xix] In einer Arvato-Pressemitteilung von 2019 heißt es: „Arvato Systems wurde von der ‚gematik‘ für den Betrieb der zentralen Telematikinfrastruktur für mindestens weitere acht Jahre beauftragt. Arvato Systems festigt damit seine Rolle als IT-Partner des Gesundheitswesens.“[xx] Gemäß einer Eigendarstellung sind die Gesellschafter der gematikdas Bundesministerium für Gesundheit (BMG), die Bundesärztekammer (BÄK), die Bundeszahnärztekammer (BZÄK), der Deutsche Apothekerverband (DAV), die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKVSV), die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) und der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV).“[xxi]

Die Telemedizin ist jedenfalls ein unglaublicher Zukunftsmarkt, da die komplette Infrastruktur erst noch richtig geschaffen werden muss. Arvato hat zwei Beine in der Tür, die Rhön-Klinik AG ist potenter Vorreiter, die Stiftung liefert die nötigen Studien und wahrscheinlich hilft „Bertelsmann Investments“ gern, wenn es nötig sein sollte. Unterstellt werden soll hier nichts. Jede veröffentlichte Bertelsmann-Studie zwingt jedoch Politiker landauf und landab zu einer Stellungnahme. Themen werden so nicht entschieden, aber sehr medienwirksam platziert, ohne dass etwaige Interessen dahinter offengelegt werden.

Und während Digitalisierung bisher zwar in aller Munde war, die Umsetzung aber nur schleppend verlief, führt uns die aktuelle Corona-Pandemie ihre Dringlichkeit vor Augen. Nicht nur im Gesundheitswesen wird Covid 19 genutzt um eine flächendeckende kontaktarme Digitalisierung in allen Lebensbereichen zu propagieren. Gab es dazu eigentlich schon einen ausgereiften demokratischen Prozess über die gesundheitswirksamen psychosozialen Vor- und Nachteile?

Es soll hier nicht grundsätzlich gegen Digitalisierung polemisiert werden. Eine solche sollte allerdings für die Bevölkerung von Nutzen sein.  Und es ist nicht in Ordnung, dass Kosten für die digitale Infrastruktur von öffentlichen Geldern finanziert werden, während die Konzerne damit Profit machen. Tatsächlich werden diese dafür bezahlt, dass sie sich ihre eigene profitable Infrastruktur bauen können. Das sind Gelder, die nicht wieder im öffentlichen Sektor reinvestiert werden. Stattdessen kommt der öffentliche Sektor auch noch in die Bredouille, erklären zu müssen, warum ein kleines kommunales Krankenhaus auf dem Land seine Berechtigung hat.

Die Komplexität von Bertelsmann ist schwer zu fassen. Um zum Abschluss ein Gefühl für die Lobbyarbeit des Konzerns zu bekommen sei hiermit noch ein kleines Video von der Bertelsmann-Party 2019 empfohlen. Gesundheitsminister Jens Spahn freut sich ab Minute 1.25 unter anderem über die große Kreativität von Bertelsmann und wieviel unternehmerische Kraft in dem westfälischen Unternehmen steckt (https://www.youtube.com/watch?v=4xOO98V1FpI).

 

Quellen:

https://www.bertelsmann.de/#tab-2

https://www.bertelsmann.de/bereiche/rtl-group/#st-1

3 https://www.bertelsmann.de/bereiche/penguin-random-house/#st-1

4  https://www.bertelsmann.de/bereiche/gruner-jahr/#st-1

5 https://www.bertelsmann.de/bereiche/bmg/#st-1

6 https://www.bertelsmann.de/bereiche/arvato/#st-1

7  https://www.bertelsmann.de/bereiche/bertelsmann-printing-group/#st-1

8 https://www.bertelsmann.de/bereiche/bertelsmann-education-group/#st-1

9 https://www.bertelsmann.de/bereiche/bertelsmann-investments/#st-1

10 https://www.bertelsmann.de/unternehmen/aktionaere/

11 https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/ueber-uns/wofuer-wir-stehen/leitbild

12 https://www.tagesspiegel.de/zeitung/macht-ohne-mandat/755580.html

13 https://www.krankenhaus-management.de/

14 https://lobbypedia.de/wiki/Bertelsmann_stiftung

15 Zentrale Notaufnahme: Drehscheibe im Boundaryless Hospital: file:///C:/Users/veren/Downloads/von%20Eiff%20(2016)%20-%20ZNA%20als%20Drehscheibe%20im%20Boundaryless%20Hospital.pdf

16 https://www.nw.de/nachrichten/thema/22510839_Zweifel-an-Unabhaengigkeit-der-Bertelsmann-Studie-zu-Patientenversorgung.html

17 https://www.4investors.de/nachrichten/boerse.php?sektion=stock&ID=143264

18 https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/VV_Studie_Telemedizin_Lessons_Learned.pdf

19 https://www.aerzteblatt.de/archiv/193895/Elektronische-Gesundheitskarte-Bund-der-Steuerzahler-kritisiert-Kostenexplosion

20 https://www.arvato-systems.de/mehr/presse/arvato-systems-bleibt-it-partner-der-gematik

21 https://www.gematik.de/ueber-uns/unternehmensstruktur/

 

Verena Herzberger
ist Dipl. Sozialarbeiterin mit Leitungsfunktion in einer Einrichtung für Menschen mit psychischen Erkrankungen.

 

Anhang:

GEW und Bertelsmann-Stiftung

Beschluss des Gewerkschaftstags der GEW, Nürnberg 2009

 Leitlinien der GEW-Bildungspolitik sind Öffentlichkeit, Staatlichkeit, Steuerfinanzierung und Demokratisierung; dem stehen die Leitlinien der Bertelsmann-Stiftung – Wettbewerb, Markt, Führung, Effizienz und Effektivität – diametral entgegen. Die Bertelsmann-Stiftung verfolgt das Ziel, die Prinzipien unternehmerischen Handelns in allen Bereichen der Gesellschaft zu verankern. Insbesondere im Bereich der Bildung lehnt die GEW dieses Ziel ab. Selbst wenn es zwischen GEW und Bertelsmann-Stiftung punktuelle Überschneidungen von einzelnen bildungspolitischen Vorstellungen gibt – die bildungspolitischen Ziele sind gegensätzlich.

Die vorgebliche Philanthropie und Gemeinnützigkeit der ausschließlich operativ tätigen Bertelsmann-Stiftung und die Profitinteressen des Bertelsmann-Konzerns bilden eine Einheit strategischen Handelns. Demokratische Strukturen des Gemeinwesens werden so zugunsten der persönlichen Überzeugungen des Stifters Reinhard Mohn sowie einer Stiftungssatzung, „die dem Hause Bertelsmann … Kontinuität … ermöglicht“, umgangen.

Dabei arbeitet die Bertelsmann-Stiftung mit der Strategie, die Legitimation ihres Handelns über breite Bündnisse zu erreichen. Sie bemüht sich daher um einen konzilianten Umgang gerade auch mit anders denkenden politischen Akteuren. Diese Strategie in Verbindung mit dem Rückzug des Staates war erfolgreich und hat die Bertelsmann-Stiftung zu einem bedeutenden Akteur und Faktor in der deutschen Bildungslandschaft gemacht. Die GEW lehnt es ab, durch passive oder aktive Mitarbeit ihrer Organe und Funktionsträgerlnnen zum Gelingen dieser Strategie beizutragen. Die GEW ist sich bewusst, dass die Bertelsmann-Stiftung für eine marktförmige Umgestaltung des Bildungswesens eintritt. Dennoch sind Kontakte und Begegnungen unvermeidlich. Hier gilt – wie in Bezug auf Kontakte zu anderen großen Akteuren auch – für die GEW und ihre Vertreterlnnen folgendes:

Die GEW ist ausschließlich den Interessen ihrer Mitglieder, demokratischen Strukturen im Bildungswesen und der humanen, aufklärerischen und sozialen Dimension der Bildung verpflichtet. Sie legt großen Wert auf Unabhängigkeit in Fragen der Bildungspolitik und auf die Möglichkeit, marktorientierte politische Akteure wie Bertelsmann offen und öffentlich zu kritisieren. Eine über Kontaktpflege und Positionsaustausch hinausgehende Zusammenarbeit zwischen GEW und Bertelsmann-Stiftung findet nicht statt.

Die GEW setzt sich dafür ein, dass die Gemeinnützigkeit von Unternehmensstiftungen einer besonders kritischen Prüfung unterzogen wird.