Bereits im Dezember 2021 hätte die EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern vom Oktober 2019 in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Die EU hatte den Mitgliedsstaaten also eine Frist von mehr als zwei Jahren eingeräumt, ihren Auftrag zu erledigen. Der Bundestag verabschiedete das Hinweisgeberschutzgesetz jedoch erst im Dezember 2022. Der Bundesrat, in denen die Union mitregiert, blockierte das Vorhaben dann im Februar 2023.

„Endlich, am 2. Juli 2023, trat das Gesetz in Kraft – nur war beim Europäischen Gerichtshof schon Monate vorher eine Klage der Kommission eingegangen.  Brüssel hatte die Geduld verloren, das politische Versagen bekam eine Zahl: Es war ein Tagessatz, ein bisschen so wie beim Gerichtsvollzieher: 61.600 Euro pro Tag zwischen dem abgelaufenen Stichtag und dem Inkrafttreten verlangte die EU. (…) In Berlin beginnt man sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass dieses politische Versagen echtes Geld kosten wird. Gerechnet wird so: 560 Tage Verspätung mal 61.600 Euro macht 34.496.000 Euro. Vorsichtshalber aufgerundet auf 35 Millionen.“ (Süddeutsche Zeitung)

Offiziell geht Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof juristisch gegen die Strafzahlung vor. Vorsorglich ist die Summe im Haushalt des Justizministeriums aber bereits eingestellt – die Bundesrepublik nimmt den Vorgang also ernst.

Mit 35 Millionen Euro, so die Süddeutsche Zeitung, ließe sich dagegen viel Gutes tun. Ausgerechnet Organisationen, die sich dem Kampf gegen Hass im Netz verschrieben hätten, würden darüber klagen, dass die Förderung ihrer Arbeit im kommenden Haushaltsjahr gekürzt oder gestrichen werden solle.

Die Sache könnte nach Meinung der SZ sogar noch viel teurer werden. Um 240.240 Euro täglich, für den Fall, dass der Europäische Gerichtshof es ebenso sähe wie die EU: „Dass die deutsche Regelung nämlich bis heute nicht gut genug ist, weil die vorgeschriebenen Meldestellen für Whistleblower in vielen Gemeinden bis heute nicht existieren. (…) Noch mal eine knappe Viertelmillion täglich, was soll‘s. Es wäre dann das ebenso teure wie beschämende Finale einer ohnehin beschämenden Geschichte.“

Quelle:

Georg Mascolo: „Das wird jetzt wehtun“, Süddeutsche Zeitung vom 7./8. Oktober 2023