„Die Begrenztheit des Demokratiebegriffs der Kapitalseite wird vor allem deutlich,
wenn man ihr Verhältnis zum sozialen Rechtsstaat untersucht.
Daß dieser Rechtsstaat nach dem Grundgesetz ein sozialer und demokratischer ist,
wird akzeptiert. Aber nur, wenn der Demokratieanspruch nicht an die Wirtschaft
selbst gerichtet ist. Dies ist die bedingungslose Voraussetzung
der Kapitaleigner zur Anerkennung der Demokratie überhaupt.“ (1)

 

Die repräsentative Demokratie steht gegenwärtig massiv unter Druck. Auf der einen Seite nutzen rechtsautoritäre Kräfte den Frust vieler Menschen über „die Politik“ für ihre politischen Ziele, auf der anderen Seite wird immer deutlicher, dass die wirklich wichtigen politischen Entscheidungen von Akteuren bestimmt werden, die über keine politische Legitimation verfügen und in der Regel für die Öffentlichkeit unsichtbar bleiben. Da wirtschaftliche Macht in politischen Einfluss mündet, stellt die Demokratie für die ökonomischen Machtzentren, die sich auf politisch-industrielle Netzwerke stützen können, tatsächlich keine Gefahr dar. So wird das bürgerliche Ideal der politischen Gleichheit aufgrund der eigentumsbasierten ökonomischen Machtverteilung schlicht ad absurdum geführt. Wer also tatsächlich mehr Demokratie in der gesellschaftlichen und politischen Sphäre will, muss deshalb auch daran interessiert sein, die Macht der Wirtschaft so weit wie möglich zu beschränken.

Deshalb wird die Eigentumsfrage ‒ wie in Ansätzen heute bereits ‒ die zukünftigen Auseinandersetzungen immer stärker prägen. Denn die Befehlsgewalt der Kapitaleigner bzw. der Geschäftsführungen über die Organisation des Arbeits- und Produktionsprozesses basiert schließlich auf dem Recht auf Eigentum an Produktionsmitteln. So wird die Demokratisierung der „demokratiefreien“ Wirtschaft zu einer Schlüsselfrage, um den autoritären Kapitalismus bei seiner Entfaltung zu behindern oder gar zu stoppen.

Es zeigt sich jedoch ein weites Spektrum an Ideen und Praktiken, die unter dem Begriff der Wirtschaftsdemokratie gefasst werden können. Sollte aus historischer Sicht das Konzept gemäß gewerkschaftlicher Vorstellungen den Weg zum Sozialismus ebnen, verengte sich in der Folge unter dem Druck der Kapitalseite die Perspektive zunehmend auf die Institutionen der Mitbestimmung (die selbst permanent und massiv von Wirtschaftsverbänden und Unternehmen unter Beschuss genommen werden). Den Gegenpol bilden seit vielen Jahren Theorie und Praxis einer „Solidarischen Ökonomie“, die auf den Willen der Menschen gründet, selbst zu entscheiden, was sie für wen herstellen und wie sie dies tun. Diese Vorstellung von wirtschaftlicher Demokratie auf Basis einer Kultur der Kooperation reicht also deutlich weiter als die gewerkschaftlichen Ansätze, die sich auf die Mitbestimmung der Beschäftigten in gewinnorientierten Unternehmen beschränken.

Als gemeinsame politische Anknüpfungspunkte, die eine Klammer der unterschiedlichen Aktivitäten für eine Demokratisierung der Wirtschaft bilden können, bieten sich somit zum einen die verschiedenen Kämpfe gegen den Demokratieabbau an: in den Betrieben (gegen prekarisierte Arbeitsverhältnisse) und in den Kommunen (gegen die Privatisierung der Daseinsvorsorge und die Verbetriebswirtschaftlichung landeseigener Unternehmen; Kampf gegen die Immobilienmafia aus Bauwirtschaft, Banken bzw. Kapitalorganisationen und Politik). Zum anderen sind die vielfältigen Formen eines „anderen Wirtschaftens“ (Gemeinwohlökonomie) zu fördern, das heißt alle Bereiche zu stärken, die auf Muster kooperativen Handelns setzen und nicht der Profitwirtschaft unterliegen.

Es fehlt also nicht an bereits bestehenden Konfliktfeldern, an denen angedockt werden könnte. Die Idee, das Wirtschafts- und Arbeitsleben radikal zu demokratisieren, ist wieder hochaktuell – auch wenn sie vielleicht zurzeit nur der kleinste gemeinsame Nenner auf der Suche nach Alternativen zur neoliberalen „Demokratie“ ist.

            „Eine Frage zum Schluss: (…) Wie wäre es, wenn wir uns die Definitionsmacht
darüber, was legitimerweise unter Wirtschaft verstanden werden kann, aneignen?
Wenn wir das, was gemeinhin unter Wirtschaft verstanden wird,
nicht mehr hinnehmen, sondern stattdessen darauf bestehen,
dass Wirtschaft dazu da sein muss, die Bedürfnisse aller Menschen auf
dieser Erde zu befriedigen, und dass dies eine Frage der Demokratie
und Menschenrechte ist? Müssten wir dann nicht aufhören,
die herrschende Ökonomie als Wirtschaft zu bezeichnen,
und stattdessen im Klartext sagen, dass es sich dabei
um Verbrechen handelt?“  (2)

 

Anmerkungen:

(1) Hans See: „Können wir Menschen gleichberechtigt zusammenarbeiten oder brauchen wir Chefs und Eigentümer? Erfahrungen bei der Glashütte Süßmuth GmbH“, in: Friedrich Heckmann/Eckart Spoo (Hg.): Wirtschaft von unten. Selbsthilfe und Kooperation, Heilbronn, 1997, S. 68

(2) Elisabeth Voß: „Solidarische Ökonomie“, in: Motz (Berliner Straßenmagazin), Ausgabe vom 8.5.2013, S. 5

 

Der Autor Joachim Maiworm
lebt und arbeitet in Berlin. Er ist Mitglied der Redaktion von BIG Business Crime.