Am 31. Oktober 2020 wurde der Flughafen Berlin Brandenburg „Willy Brandt“ (BER) am südlichen Stadtrand von Berlin offiziell eröffnet; der im Norden Berlins gelegene Flughafen Tegel soll im Mai 2021 geschlossen werden. Natürlich gibt es schon aus Umweltschutzgründen viele Argumente gegen Flugverkehr und gegen die Eröffnung neuer Großflughäfen. Der Vorgang war demzufolge von lautstarken Protesten begleitet.

Diese Eröffnung war dennoch seit langer Zeit überfällig. In den letzten Jahrzehnten haben nicht wenige Metropolen dieser Welt ihre Flughäfen aus den zugebauten Stadtzentren aufs umliegende Land verlagert. Dies wurde meist mit der begrenzten Kapazität dieser alten Flughäfen begründet. Es gibt es auch medizinische und Sicherheitsgründe, die für einen solchen Umzug sprechen: Lärmbelastung und auch mögliche Absturzkatastrophen treffen außerhalb von Stadtzentren weniger Menschen. Im Falle von Berlin hat der bereits in den 90er Jahren gefasste Beschluss, die kleinen innerstädtischen Flughäfen zugunsten eines Großflughafens zu schließen, allerdings zu einem ungewöhnlichen finanziellen Desaster geführt. In unserer Zeitschrift BIG Business Crime wurde dies in den vergangenen Jahren in mehreren Beiträgen thematisiert.

Aber beginnen wir noch einmal ganz von vorn: Bauherr des Großflughafens ist die „Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg GmbH“ (BBI). Diese befindet sich zu 26 Prozent im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland; jeweils 37 Prozent besitzen die Bundesländer Berlin und Brandenburg. Der Aufsichtsrat des Unternehmers ist seit Gründung mit hochrangigen Politikern bestückt. Die Flughafengesellschaft soll – wie 1996 zwischen der Bundesregierung und den Ländern Berlin und Brandenburg vereinbart – langfristig gesehen privatisiert, also an Investoren aus der Privatwirtschaft verkauft werden. Dies ist allerdings bis heute nicht erfolgt und wird wohl auch in absehbarer Zeit nicht erfolgen. Jedenfalls nicht, solange die Flughafengesellschaft einen immer mehr anschwellenden Schuldenberg mit sich herumschleppt.

 Nach dem ursprünglichen Konzept sollte der zu bauende Großflughafen im Jahr 2007 eröffnet werden. Bei der Höhe der Baukosten ging man damals von zwei Milliarden Euro aus. Ein symbolischer erster Spatenstich erfolgte im September 2006 – tatsächlich begannen die maßgeblichen Bauarbeiten erst im Jahr 2008. Als Eröffnungstermin wurde damals der 30. Oktober 2011 anvisiert. Als dieser sich als unrealistisch erwies, legte man im Jahr 2010 als neuen Termin den 3. Juni 2012 fest. Das mehrfache Verschieben des Eröffnungstermins ging mit einer Kostenexplosion einher. Bereits im Jahr 2006 wurde die Baukostenhöhe auf etwa fünf Milliarden Euro geschätzt.

Das kurzfristige Platzen des Inbetriebnahmetermins im Mai 2012 – unter anderem erwies sich die Brandschutzanlage des Flughafengebäudes als nicht funktionsfähig – entwickelte sich dann zu einem handfesten Politskandal. Die Verantwortlichen schoben sich die Schuld gegenseitig in die Schuhe – mit dem Ergebnis, dass es längere Zeit mit dem Bauprojekt überhaupt nicht voranging. Im September 2012 wurde demzufolge vom Berliner Abgeordnetenhaus ein Untersuchungsausschuss eingesetzt. Besonders die damals im Abgeordnetenhaus vertretene Piratenpartei – ein leider nur kurzlebiger politischer Newcomer, der am Politfilz der vergangenen Jahrzehnte keinerlei Anteil hatte – redete in ihren Berichten Klartext, sprach von chaotischen Zuständen in der Planung und Überwachung des Bauvorhabens, von verfehlten Krisenmanagement sowie von einem kompletten Versagen von Geschäftsführung und Aufsichtsrat. Frühe Warnungen von einem Scheitern des anvisierten Termins seien ignoriert, kritische Stimmen gezielt unterdrückt worden. Im Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses vom Juni 2016 sparten dann auch die Fraktionen Die Linke und Bündnis 90 / Die Grünen nicht an Kritik am Berliner Politikbetrieb, welcher letztlich das Desaster der verpatzten Flughafeneröffnung in großen Teilen mitverschuldet hatte. 

Die Beseitigung der Mängel, an denen die Eröffnung damals gescheitert war, dadurch notwendig gewordene Umplanungen und Umbauten zogen sich über Jahre hin. Die FAZ bezeichnete im Mai 2020, als sich Fertigstellung und bevorstehende Eröffnung andeuteten, die bevorstehende Inbetriebnahme ironisch als „Wunder von Berlin“. Die Satiresendung „Heute-Show“ betitelte hingegen in ihrer Sendung vom 30. Oktober den BER als „Flughafen des Grauens“.

Dass die Inbetriebnahme des Großflughafens nun gerade in eine Zeit fiel, in der der weltweite Flugverkehr pandemiebedingt in einer massiven Krise steckt, ist natürlich ein Treppenwitz der Geschichte. Und auch, dass sämtliche auf diesem Flugverkehr basierende Rentabilitätsanalysen plötzlich nicht das gedruckte Papier wert sind, auf dem sie stehen. Im Jahr 2020 wird der Betrieb des BER auf jeden Fall ein Zuschussgeschäft bleiben. Die drei Betreiber der Flughafengesellschaft haben, wie es in der „Tagesschau“ vom 31. Oktober hieß, für dieses Jahr bereits eine Finanzspritze von 300 Millionen Euro zugesagt – und für 2021 einen Kredit von weiteren 550 Millionen Euro. Das Betriebsdefizit decken beide Beträge wahrscheinlich nicht.

Was aber wird das missratene Bauvorhaben den deutschen Steuerzahler insgesamt kosten?  Nach der BIG-Redaktion vorliegenden Informationen belaufen sich die reinen Baukosten des BER bis heute auf 5,9 Milliarden Euro. Die wesentlichen Mehrkosten gegenüber der ursprünglichen Schätzung resultieren aus der um Jahre verlängerten Bauzeit, aber auch aus notwendig gewordenen baulichen Erweiterungen gegenüber dem ursprünglichen Konzept, aus den Umbaumaßnahmen an der Entrauchungs- und Sprinkleranlage sowie aus ursprünglich nicht veranschlagten Schallschutzmaßnahmen im Umfeld des Flughafens. Der nicht unbeträchtliche Schuldendienst ist in diesen Baukosten nicht enthalten.

47 Prozent der Baukosten wurden durch (von der öffentlichen Hand verbürgte) Bankkredite der Flughafengesellschaft gedeckt. 39 Prozent der Baukosten gehen direkt zu Lasten der drei Gesellschafter, also der Bundesrepublik Deutschland und der Bundesländer Berlin und Brandenburg. Der Rest wurde aus Eigenmitteln der Flughafengesellschaft beglichen.

Derzeit ist nicht abzusehen, in welcher Höhe sich der Schuldendienst, also die Verzinsung der aufgenommenen Bankkredite, voraussichtlich bewegen wird. Und es ist nicht einmal klar, ob die Flughafengesellschaft angesichts des massiv eingebrochenen Luftverkehrs jemals so viel Gewinn einfahren wird, dass sie die aufgenommenen Kredite bedienen und schrittweise abbauen kann. Solange dies nicht der Fall ist, werden die Schulden der Gesellschaft weiter steigen. Und es muss befürchtet werden, dass zuletzt doch der Steuerzahler entweder vollständig oder teilweise für diesen Schuldenberg aufkommen muss.

Im Übrigen deutet sich heute schon an, dass der Großflughafen infolge Fehlplanung von der Kapazität her unterdimensioniert ist, demzufolge bei wieder massiv steigenden Passagierzahlen ganz schnell baulich erweitert werden muss. Das nächste Milliardengrab zulasten der öffentlichen Hand ist also bereits absehbar.

 

Verwendete Literatur:

  • Bedszent, Gerd: „Wirtschaftsverbrechen und andere Kleinigkeiten“, Nomen Verlag, 2017
  • Bedszent, Gerd: „Berlin-Brandenburgisches Flughafendesaster ist hausgemacht“, in: BIG Business Crime, Ausgabe 3/2015
  • Bedszent, Gerd: „Berlin-Brandenburgisches Flughafendesaster ist hausgemacht – Ein Nachschlag“, in: BIG Business Crime, Ausgabe 4/2015
  • Delius, Martin / Ugarte Chacón, Benedict: „Außer Kontrolle. Zweiter Zwischenbericht der Piratenfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus zum Untersuchungsausschuss BER“
  • Delius, Martin: „Bericht des Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der Ursachen und Konsequenzen und Verantwortung für die Kosten- und Terminüberschreitungen des im Bau befindlichen Flughafens Berlin Brandenburg Willy Brandt (BER)“ vom 14. Juni 2016 (Drucksache 17/3000)
  • Immel, Michael: „Wird der BER sich jemals rechnen““, „Tagesschau“ vom 31. Oktober 2020
  • Ugarte Chacón, Benedict: „Anhaltender Sinkflug“, in: BIG Business Crime, Ausgabe 2/2014
  • Ugarte Chacón, Benedict: „Sturzflug mit Ansage“, in: BIG Business Crime, Ausgabe 3/2016