Corona hat die Missstände im deutschen Gesundheitswesen einmal mehr offenbart. Deshalb folgt an dieser Stelle ein kurzer Abriss über die wichtigsten Problemzonen der Krankenhausökonomie.
Spätestens seit dem Beginn der Pandemie hat sich der Fokus der Diskussion um die Zukunft der medizinischen Versorgung verschoben. Noch vor wenigen Jahren wurde die Gefahr einer finanziell aus dem Ruder laufenden Krankenversicherung und damit eine angebliche „Kostenexplosion“ im Gesundheitswesen beschworen. „Überkapazitäten“ an Krankenhausbetten und Klinikstandorten wurden ins Zentrum der politischen und wissenschaftlichen Debatte gestellt. Mittlerweile jedoch wird daran gezweifelt, ob die Ausstattung der Krankenhäuser hierzulande überhaupt einer langanhaltenden Pandemie standhalten kann. Und seit langem erregen sich die Menschen über die dramatischen Pflegemängel in Kliniken und Altenheimen.
1. Die „Kostenexplosion“ als politischer Kampfbegriff
Schon Mitte der 1970er Jahre wurde politisch über eine „Kostenexplosion“ gestritten, die sich zu einem „Mythos in der Gesundheitspolitik“ (Reiners, S. 8) verfestigt hat. Bei den steigenden Gesundheitsausgaben handelt es sich aber keineswegs um ein Krisensymptom. Dahinter steht vielmehr „eine Mischung aus wachsendem Lebensstandard, medizinischem Fortschritt, wirtschaftlichem Strukturwandel und ökonomischen Besonderheiten des Gesundheitswesens“ (ebd.). Richtig ist, dass es nie eine „Kostenexplosion“ gegeben hat. Seit Jahrzehnten belaufen sich die Aufwendungen für den gesamten Gesundheitssektor auf zehn bis elf Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Trotz steigender Beitragssätze zur gesetzlichen Krankenversicherung liegen deren Ausgaben seit über 20 Jahren konstant bei 6,5 Prozent des BIP. Das Problem besteht nicht in den steigenden Ausgaben, sondern in der Einnahmeentwicklung der Kassen (sinkende Lohnquote, wachsende Einkommensungleichheit).
2. Das System der Fallpauschalen
Für das Bündnis „Krankenhaus statt Fabrik“ (KstF) bildet die Finanzierung nach so genannten Fallpauschalen den Kern der deutschen Krankenhausmisere. (1) Danach erhalten deutsche Krankenhäuser nur ein Minimum ihres Budgets, um Kapazitäten vorzuhalten. Da sie nach der Anzahl behandelter Patienten bezahlt werden, wäre es betriebswirtschaftlich unverantwortlich, die eigenen Kapazitäten nicht so weit wie möglich auszulasten. Leere Betten für den Krisenfall sind aus der Sicht eines einzelnen Krankenhauses schlicht Erlösausfälle. „Es wäre, wie wenn die Feuerwehr nur für jeden gelöschten Brand bezahlt werden würde“, kommentiert der Gewerkschafter Kalle Kunkel bissig (Kunkel, 13. März 2020).
Bis zur Einführung der Fallpauschalen im Jahr 2003 galt das Selbstkostendeckungsprinzip, so dass diese Aufwendungen vollständig refinanziert wurden. Mit den Fallpauschalen wurden die Behandlungen, das heißt die einzelnen „Fälle“, pauschaliert entgolten. Können die Kosten unter die Pauschalen gedrückt werden, lassen sich dabei Gewinne erzielen. „Vor allem kommerzielle Klinikbetreiber erreichen das, indem sie sich auf besonders lukrative Fälle spezialisieren, aus Tarifverträgen aussteigen, Personal abbauen und die Arbeit verdichten. Auf der anderen Seite stehen die Verlierer: zumeist kommunale und freigemeinnützige Kliniken, die im Preiswettbewerb nicht mithalten können und Pleite gehen (oder privatisiert werden)“, schreibt dazu der Journalist Daniel Behruzi.
3. Krankenhausschließungen
Genau darauf zielte die Einführung des Fallpauschalen-Systems ab. Der Krankenhaus-„Markt“ sollte „bereinigt“ werden, um angebliche Überkapazitäten abzubauen. 1991 gab es noch 2.411 Krankenhäuser mit insgesamt 665.565 Betten, 2017 dagegen nur noch 1.942 Krankenhäuser mit 497.200 Betten. Der Abbau von Betten erfolgte vor allem in öffentlichen und freigemeinnützigen Einrichtungen. Seit 1991 hat sich dagegen die Anzahl der privaten Krankenhäuser mehr als verdoppelt: von 358 auf 720 (vgl. KstF, Seite 104).
Die Bertelsmann-Stiftung empfahl jedoch in einer Mitte 2019 erschienenen Studie einen weiteren Schritt beim rigorosen Umbau der Krankenhauslandschaft: Die Anzahl der deutschen Kliniken sei auf etwa ein Drittel zu reduzieren und die Versorgung auf größere und leistungsfähigere Krankenhäuser zu konzentrieren. Begründet wurde dies wie folgt: Würde die Zahl der Kliniken auf weniger als 600 sinken, könnten die Patienten deutlich besser versorgt werden. Die verbleibenden Häuser verfügten dann über mehr Personal und eine bessere Ausstattung.
Die Studie stellte die wohnortnahe Versorgung im Namen einer gesteigerten wirtschaftlichen Effizienz radikal infrage. Kritiker*innen aus den Reihen der Gewerkschaft ver.di wiesen darauf hin, dass die Entscheidungen über Klinikstandorte und die notwendigen Kapazitäten nicht dem „Markt“ überlassen werden dürften, sondern im Rahmen einer regionalen Krankenhausplanung mit den Akteuren vor Ort festzulegen wären. Nur wenige Monate nach Veröffentlichung der Studie scheint der Ausbruch der Pandemie diese Pläne vorerst vereitelt zu haben.
4. Personalabbau bei den Pflegekräften
Während seit Einführung des dualen Finanzierungssystems Anfang der 1970er Jahre die Bundesländer für die Investitionskosten zuständig sind, müssen die laufenden Betriebskosten, wozu auch die Personalaufwendungen gehören, mit den Einnahmen pro Patient, das heißt den Vergütungen durch die Krankenkassen, bestritten werden. (2) Der Gesundheitsökonom Hartmut Reiners weist darauf hin, dass dieses Modell jedoch schon lange nicht mehr funktioniert, da die Länder ihre Fördermittel für die Krankenhäuser in den vergangenen 20 Jahren halbiert hätten. Die Lücken bei den Investitionen würden aus den Zahlungen der Krankenversicherungen gestopft. Mit der Folge eines weiter steigenden Drucks auf die Personalkosten, die etwa zwei Drittel der laufenden Kosten ausmachten. (Reiners, Seite 35)
Die Sprecherin des Fachbereichs Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen bei der ver.di-Bundesverwaltung, Astrid Sauermann, teilte der BIG-Redaktion auf Anfrage mit, dass schon vor einigen Jahren bundesweit 162.000 Stellen über die Berufsgruppen hinweg fehlten. Das habe ein Personalcheck in Krankenhäusern ergeben. Inzwischen seien es noch mehr. Ver.di geht allein von etwa 80.000 bis 100.000 zusätzlichen Pflegekräften aus, die für eine sichere Patientenversorgung notwendig sind. Der Personalmangel, so die ver.di-Sprecherin, würde unter anderem zum Weglassen von notwendigen Leistungen, dem Verzicht auf Pausen und einem laschen Umgang mit Hygienevorschriften führen. (3)
5. Defizite in der medizinischen Versorgung
Das herrschende Finanzierungssystem, das maßgeblich von den erlösorientierten Fallpauschelen geprägt ist, führt jedoch nicht einfach zu einer medizinisch mangelhaften Versorgung, sondern, wie seit Jahren regelmäßig wissenschaftlich belegt wird, zu einer Mischung aus Unter-, Über- und Fehlversorgung. Leistungen werden in den Bereichen reduziert, die keinen Erlös bringen, wie bei der Pflege. So verlangt etwa die „neue Volkskrankheit“ Diabetes eine lange Wundbehandlung, die sich im Gegensatz zu einer möglichen Fuß-Amputation für die Häuser aber nicht rechnet. Wo Gewinne zu machen sind, werden Leistungen dagegen ausgeweitet (zum Beispiel bei den profitablen Kniegelenksoperationen, Kaiserschnitten oder Herzkatheter-Behandlungen).
Zu den Versorgungsmängeln lässt sich auch der gesteigerte bürokratischer Effekt zählen, der dann entsteht, wenn Gewinnmöglichkeiten mit Versichertengeldern möglich sind. Denn diese machen Kontrollen notwendig: Das Fallpauschalen-System „hat in den letzten Jahren geradezu zu einem Abrechnungskrieg zwischen Kassen und Krankenhäusern geführt. Würde nur ein Teil der Ressourcen, die dieser Kleinkrieg verschlingt, in die gesellschaftliche Planung der Krankenhauslandschaft investiert, wäre für die Gesellschaft viel gewonnen.“ (Kunkel, 24. März 2020) Es ließe sich ergänzen: Mehr Mittel in die patientennahe Pflege zu lenken, wäre dann auch einfacher.
6. Privatisierungen
Der Gedanke hinter der Einführung des Fallpauschalen-Systems war, über die Schließung zahlreicher Krankenhäuser Bettenzahlen zu reduzieren und eine „Stabilisierung“ der Kosten zu erreichen. Gewinner sollten die Häuser sein, die die Durchschnittskosten unterschreiten, Verlierer diejenigen, die diese Kosten überschreiten. Im Fokus stand, die Zentralisierung und Privatisierung der Kliniken voranzutreiben (vgl KstF, S. 56).
Auf der Suche nach profitablen Anlagemöglichkeiten haben internationale Finanzinvestoren deshalb seit Jahren sämtliche Versorgungbereiche des Gesundheitswesens in den Blick genommen, auch den Krankenhaussektor. Ein eher wenig bekanntes Beispiel bildet der niederländische Private-Equity-Investor Waterland, der seit 2011 Kliniken verschiedener Träger kauft und sie unter dem Namen „Median“ in einer Kette bündelt (vgl. die Darstellung bei Rügemer, Seite 94ff.). Da die Einführung der Fallpauschalen häufig zu möglichst frühen Entlassungen aus den stationären Krankenhäusern führt, steigt der Bedarf an nachstationären Reha-Plätzen. Letzteres spielt dem Investor in die Hände. Denn Waterland brüstet sich damit, einen der fünf bedeutendsten Krankenhauskonzerne und den größten Reha-Konzern in Deutschland geschaffen zu haben. Der Immobilienverkauf hat an den geschäftlichen Aktivitäten einen großen Anteil. 2014 übernahm der US-Immobilienfonds Medical Properties Trust (MPT) für etwa 700 Millionen Euro 40 Median-Rehakliniken von Waterland ‒ unter Umgehung der Grunderwerbssteuer, die nicht anfällt, wenn weniger als 95 Prozent der Unternehmensanteile erworben werden. Median musste zudem die Gebäude von MPT für eine jährliche Miete zwischen 8 und 11 Prozent des Kaufpreises plus Inflationsaufschlag zurückmieten: „Neben dem Gewinn für Median und dessen Kapitalgeber müssen auch die überhöhten Mieten für MPT nun von den Median-Kliniken ‒ also vor allem von den angestellten und outgesourcten Mitarbeitern und Rententrägern – zusätzlich aufgebracht werden.“ (Rügemer, S. 96)
7. Krankenhäuser im Konkurrenzverhältnis
Die Fallpauschalen als das wichtigste Instrument zur Verstärkung der Marktorientierung der Krankenhäuser fördern aber nicht nur Geschäfte rund um die Privatisierungen, sondern auch die Konkurrenz der Krankenhäuser untereinander. Auch bei der Personalbeschaffung. Denn der gestiegene Arbeitsdruck äußert sich in Fehlzeiten wegen Burnout, Flucht in die Teilzeit und Abwanderung von Arbeitskräften. Die Kliniken jagen sich gegenseitig das Personal ab und verschärfen damit die Arbeitsbedingungen derjenigen weiter, die bleiben. So verließen im vergangenen Februar 40 Fachkräfte den Berliner Klinikkonzern Vivantes und ließen sich von einem katholischen Träger im gleichen Stadtteil anwerben. Zuerst kündigte der Chefarzt, dann erfolgte eine Massenkündigung des Teams (11 Ärzte und 27 Pflegekräfte). 2019 wechselte das Personal einer Kinderklinik von Asklepios in Sankt Augustin zur nahe gelegenen Uni-Klinik nach Bonn (vgl. Lühring). Über ähnliche Erfahrungen wird in Sachsen-Anhalt berichtet. Dort betreibt der Konzern Ameos, mehrheitlich im Besitz des Private-Equity-Fonds Carlyle, an mehreren Standorten Kliniken, deren Beschäftigte zuletzt nach vielen Monaten des Tarifkonflikts erste substanzielle Lohnerhöhungen durchsetzen konnten. Das Unternehmen war nach Angaben der Gewerkschaft ver.di zuvor immer wieder durch ruppiges Vorgehen gegen Beschäftigtenrechte aufgefallen. Wegen schlechter Bezahlung und hoher Arbeitsbelastung waren auch dort Beschäftigte an tarifgebundene Kliniken abgewandert.
8. Wirtschaftskriminelles Handeln
Seit vielen Jahren berichten Pflegekräfte vom „Tatort“ Krankenhaus, das heißt von einem System, das die so genannte gefährliche Pflege auslöst. Darunter ist in Fachkreisen die Pflege gemeint, die nicht einmal dem Minimalstandard genügt und den Patienten vermeidbare Schäden zufügt. Im Jahr 2015 erstellte die Gewerkschaft ver.di einen „Nachtdienstreport“, der auf einer Befragung von Pflegekräften zu ihren Nachtschichten basierte. Ein Ergebnis war, dass fast zwei Drittel der Pflegefachkräfte nachts vollkommen allein viele Patientinnen und Patienten betreuen mussten. Nach Angaben von ver.di ist diese Personalsituation völlig legal, da es offensichtlich keine Vorschriften für den Einsatz von Pflegefachkräften in Krankenhäusern gibt. Allein das Management entscheidet darüber, wie viele Personen mit welcher Qualifikation für die Pflege eingesetzt werden (ggf. auch ganz ohne Fachkräfte).
Entsprechend vorsichtig äußern sich Gewerkschaftsvertreter*innen über die juristischen Konsequenzen aus dieser Konstellation im Graubereich zwischen Legalität und Kriminalität. Wenn auch für einen Laien die Nähe zu § 223 StGB augenscheinlich ist. Dort heißt es: „Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ So bewertet auch ver.di-Vertreterin Astrid Sauermann gegenüber BIG Business Crime den Pflegenotstand im strafrechtlichen Sinne zurückhaltend. Beschäftigte würden beispielsweise unterhalb des (Pflege)Mindestlohns vergütet und müssten unbezahlte Überstunden leisten. Ebenfalls sei es auch nicht erlaubt, Auszubildende als volle Arbeitskräfte einzusetzen. „Das würde ich in meinem Werteraster als kriminell bezeichnen, im strafrechtlichen Sinne ist es das aber nicht“, so Sauermann.
Am Rande der Legalität bewegen sich auch Steuertricks von Gesundheitskonzernen und die Behinderung von Betriebsratsarbeit („Union Busting“). Von einem Gesetzesbruch geht die Initiative „Krankenhaus statt Fabrik“ bei der zweigeteilten Finanzierung der Kliniken aus. Wegen der abschmelzenden öffentlichen Förderung werden 44,3 Prozent der Investitionsmittel, etwa 2,8 Milliarden Euro, aus den laufenden Einnahmen finanziert (Eigenmittel und Kredite), „die eigentlich für die Patientenversorgung und für Personal vorgesehen sind. Umgerechnet auf Beschäftigte bedeutet das über 51.000 Stellen, die diesem Gesetzesbruch geopfert wurden. Baustellen werden mit Personalstellen finanziert.“ (KstF, Seite 43)
Anmerkungen:
1) Die Arbeitskosten der Pflegekräfte wurden aktuell (2020) aus den Fallpauschalen herausgenommen und werden seitdem separat über das so genannte Pflegebudget in ihrer tatsächlichen Höhe finanziert. Für die Gewerkschaft ver.di stellt dies den ersten Ansatz eines Bruchs mit der markförmigen Steuerung der Krankenhäuser dar ‒ nicht zuletzt ermöglicht durch Streiks und andere Proteste für mehr Personal in den Krankenhäusern in den letzten Jahren. Daneben wurden Personaluntergrenzen für bestimmte Bereiche eingeführt, die von gewerkschaftlicher Seite, aber auch von Berufs- und Patientenverbänden, als völlig unzureichend kritisiert werden.
2) Tatsächlich sinken die öffentlichen Fördermittel seit vielen Jahren fast kontinuierlich. Nach Michael Wendl betrugen sie 1990 noch knapp 10 Prozent, 2017 nur noch 3,2 Prozent der Klinikumsätze. Notwendig seien sieben bis acht Prozent. Damit, so Wendl, lebten die öffentlichen Krankenhäuser von der Substanz. (vgl. Michael Wendl, „Wie kapitalistisch sind Kliniken?“, Oxi Nr, 6/2020, Seite 9)
3) Die gefährliche Unterbesetzung in Krankenhäusern wird anschaulich belegt durch den ver.di-Nachtdienstcheck – vgl. www.nachtdienstreport.verdi.de
Erst in den letzten Jahren wurden wieder mehr Pflegekräfte eingestellt. Ver.di verbucht dies als ein Erfolg der Streiks von Pflegekräften in mehreren Bundesländern.
Literatur:
Daniel Behruzi: „Covid-19. Geschwächtes System“, Text vom 27. April 2020, Webseite „Lernen im Kampf“
COVID-19: Geschwächtes System
„Krankenhaus statt Fabrik“: Das Fallpauschalensystem und die Ökonomisierung der Krankenhäuser – Kritik und Alternativen, V.i.S.d.P. Dr. Nadja Rakowitz, 5., erweiterte und komplett überarbeitete Neuauflage Maintal, April 2020, Seite 9
https://www.krankenhaus-statt-fabrik.de/53187
Kalle Kunkel: „Der Kern der deutschen Krankenhausmisere“, der Freitag vom 13. März 2020
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/der-kern-der-deutschen-krankenhausmisere
Ders.: „Ein Weckruf für die Krankenhauspolitik“, der Freitag vom 24. März 2020
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/ein-weckruf-fuer-die-krankenhauspolitik
Marion Lühring: „Fluch(t) aus der Klinik“, in: ver.di Publik Nr. 2/2020, Seite 3
Hartmut Reiners: Gesundheit und Geld, Supplement der Zeitschrift Sozialismus, Heft 4/2020
Werner Rügemer: Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts, Köln, 2018
Michael Wendl: „Wie kapitalistisch sind Kliniken“, Oxi Nr. 6/2020, Seite 8f.
Zitate
Der Arzt und Publizist Bernd Hontschik sprach sich im Interview mit der Frankfurter Rundschau vom 16. August 2020 für alternative Lösungswege aus:
„Wer jetzt immer noch Krankenhausschließungen propagiert, hat nichts verstanden. Hausarztmedizin, die Allgemeinmedizin muss ins Zentrum rücken. Um diese Basis herum gruppieren sich Pflegestützpunkte, Fachärzt*innen aller Art und stationäre Einrichtungen. Niedergelassene und Krankenhausärzt*innen behandeln ihre Patient*innen gemeinsam. Integrierte Versorgungskonzepte genießen absoluten Vorrang. Krankenhäuser werden in Kategorien eingeteilt, vom kleinen 50-Betten-Haus der Grundversorgung bis hin zu universitären Einrichtungen mit allen Spezialabteilungen. Die Finanzierung baut nicht auf Fallpauschalen auf, sondern geschieht entsprechend dem Auftrag beziehungsweise der Größe des Krankenhauses mit pauschalen Budgets. Bezahlt wird die Erfüllung des gesellschaftlichen Auftrages, nicht eine konkrete medizinische Tat.“
(Stephan Hebel, „Schwere Vorwürfe gegen Jens Spahn: „Bevölkerung immer wieder in die Irre geführt‘“, Interview mit Bernd Hontschik, Frankfurter Rundschau vom 18. August 2020)
Hartmut Reiners richtet seinen Blick auf die Umverteilungsfrage:
„Für Prävention und Gesundheitsförderung werden nur 3 % der Gesundheitsausgaben verwendet. Gesundheitsgerechte Arbeits- und Lebensbedingungen und die Bekämpfung sozialer Ungleichheit sind mindestens ebenso wichtige gesundheitspolitische Faktoren wie die Bereitstellung einer umfassenden medizinischen Versorgung.“
(Hartmut Reiners: „Gesundheit und Geld“, Supplement der Zeitschrift Sozialismus, Heft 4/2020, Seite 43f.)
Harald Weinberg, Gesundheitsexperte für die Fraktion Die Linke im Bundestag, kritisiert die krankmachende kapitalistische Wirtschaftsweise:
„Kritik am Gesundheitssystem im Kapitalismus sollte nicht beim Krankenhaus anfangen – das ist deutlich zu spät. Gesundheit ist in der kapitalistischen Gesellschaft nur mittelbar ‚systemrelevant‘, nämlich als Bedingung einer Wirtschaftsweise, die die Gesundheit ihrer Mitglieder im Interesse der Profitproduktion systematisch schädigt und zugleich braucht. Die sogenannten Volkskrankheiten, deren Ursachen und Verlauf wesentlich von dieser Produktionsweise bestimmt werden, sind insofern der eigentliche Kern des Problems.“
(Harald Weinberg: „Das ‚Krankenhaus-Monopoly‘ greiser Patriarchen“, Neues Deutschland vom 20. Juli 2020)