Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Ende November 2022 soll in EU-Mitgliedsstaaten nicht mehr für jedermann einsehbar sein, wer als Eigentümer hinter einer bestimmten Firma steht. Die EU muss nun ihre Geldwäsche-Richtlinie überarbeiten, um die Privatsphäre von Firmeneigentümern besser zu schützen. In der Folge haben bereits viele Länder ihre Transparenzregister geschlossen oder den Zugang eingeschränkt.

Die Wiener Tageszeitung DER STANDARD schrieb in seiner Onlineausgabe vom 10. Februar:

„Das Urteil war kaum publik, da ging das sogenannte Transparenzregister in Luxemburg bereits offline. Es folgten die entsprechenden Datenbanken in Deutschland, Österreich und den Niederlanden. Damit wurden mit einem Richterentscheid jahrelange, wenn nicht jahrzehntelange Anstrengungen zunichtegemacht. Von einem Tag auf den anderen war nicht mehr öffentlich einsehbar, wer sich hinter verworrenen Konstruktionen aus Briefkastenfirmen, Stiftungen und Trusts versteckt.

Es sei eine ‚perverse Entscheidung‘, kritisiert der Steueroasen-Experte Andres Knobel von der Nichtregierungsorganisation Tax Justice Network. Andere sprechen von einem ‚totalen Desaster‘. Ausgerechnet in einer Zeit, in der Ermittler, Journalisten und Aktivistinnen auf der ganzen Welt versuchen, Vermögen von sanktionierten Russen aufzuspüren und einzufrieren, wird eines der wichtigsten Werkzeuge für diese Detektivarbeit kaputt gemacht.“

Auch Deutschland zog entsprechende Konsequenzen: Derzeit müssen Personen, die einen Antrag auf Einsicht ins deutsche Transparenzregister stellen, ein sogenanntes berechtigtes Interesse nachweisen und zwar für jede einzelne zu recherchierende Firma, was sehr aufwändig ist. Auf den Antragsbescheid muss gegebenenfalls Wochen gewartet werden, was bei umfangreichen Recherchen eine massive Behinderung darstellt.

Weitere Reaktionen auf das Urteil:

Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin kritisiert genau diese Wirkung der Gerichtsentscheidung, da somit auch Ermittlungsbehörden begründete Anträge für eine Einsicht ins deutsche Transparenzregister stellen müssten – was die Nutzung umständlich mache. Ein Oberstaatsanwalt beklagt, dass gerade in größeren Wirtschaftsverfahren eine Vielzahl von Einzelfirmen und Firmenverbünden eine Rolle spielen würden, für die dann jeweils einzelne Anfragen mit jeweiligen Begründungen anfielen (vgl. tagesschau.de).

Die NGO Finanzwende stellt fest, dass „das Urteil ein herber Schlag ins Gesicht sei“ (Süddeutsche Zeitung). Bei Enthüllungen wie den Panama Papers  oder anderen Leaks sehe man, wie wichtig dieser Zugang zu den Transparenzregistern sei – auch für Privatpersonen, die wissen wollten, wem ihr Haus eigentlich gehöre. Viele große Immobilienunternehmen versteckten ihre wahren Eigentümer hinter anonymen Offshore-Konstruktionen (ebd.).

Eine Vertreterin von Transparency International kritisiert das Urteil, weil es die Möglichkeiten der Öffentlichkeit und der Zivilgesellschaft einschränke, Korruption, Geldwäsche, Umweltverbrechen und organisierte Kriminalität aufzudecken (ebd.). Auf ausländische Transparenz-Register hätten deutsche Ermittlungsbehörden jetzt auch keinen automatischen Zugriff mehr, erklärt Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit. Sie könnten zwar ein Rechtshilfeersuchen stellen, was aber vermutlich wieder zu mehr Bürokratie und Verzögerung bei den Ermittlungen führe (vgl. tagesschau.de).

Der Hintergrund der Entscheidung:

Vor dem EuGH geklagt hatte unter anderen Patrick Hansen, Chef der Luxemburger Firma Luxaviation. Vorgeblich, weil die EU-Gesetzgebung seine Privatsphäre und Sicherheit sowie den Schutz seiner persönlichen Daten verletzt hätte. Das EuGH-Urteil wird aktuell von den Medien aufgegriffen, weil internationale Recherchen, koordiniert vom Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP), nun nachweisen, dass Hansen in den vergangenen 15 Jahren Eigentümer, Direktor oder Verwaltungsratsvorsitzender von rund 100 Offshore-Firmen in einschlägig bekannten Steueroasen wie Luxemburg, den Britischen Jungferninseln oder Belize war (vgl. Süddeutsche Zeitung).

Offenbar war er auch in Geschäfte mit zwei russischen Milliardären aus dem Ölbusiness involviert. Vom Sohn eines dieser Milliardäre scheint Luxaviation auch Darlehen in Höhe vieler Millionen Dollar bekommen zu haben. Das, so zeigen die Recherchen, könnte den schnellen Aufstieg von Luxaviation zur Nummer Zwei im Privatjetgeschäft erklären.

Die Richtlinie, deren Regelung durch Hansens Klage außer Kraft gesetzt wurde, hatte die EU erst 2018 beschlossen – „eher zum Unmut jener Finanzplätze und EU-Länder, die häufig von nicht ganz sauberen Finanzpraktiken profitieren“ (DerStandard). Letztlich ausgelöst wurde die Richtlinie durch die Veröffentlichung der sogenannten Panama Papers, die den milliardenschweren Missbrauch anonymer Firmenkonstruktionen in Steueroasen offengelegt hatten.

Quellen:

Carina Huppertz/Frederik Obermaier/Michael Sauga/Jakob Pflügl: „Wie ein Luxemburger Geschäftsmann Europas Kampf gegen Geldwäsche ausbremste“, DerStandard (Online) vom 10. Februar 2023

https://www.derstandard.de/story/2000143404703/wie-ein-luxemburger-geschaeftsmann-europas-kampf-gegen-geldwaesche-ausbremste

Mauritius Much: „Dämpfer im Kampf gegen Geldwäsche“, Süddeutsche Zeitung vom 11./12. Februar 2023

Benedikt Strunz/Sebastian Pittelkow/Palina Milling/Petra Blum: „Weniger Transparenz nach EuGH-Urteil“, tagesschau.de, 10. Februar 2023

https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/eugh-urteil-schliessung-register-klaeger-russland-101.html