Deutsche Vermögen in Steueroasen

 Die Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion der Partei Die Linke offenbart, welch unfassbaren Geldsummen von deutschen Vermögenden bzw. Superreichen legal und illegal in die wichtigsten Steueroasen der Welt verschoben werden. Darüber berichtete die Süddeutsche Zeitung (SZ) am 24. Juni 2020. Danach haben im Jahr 2018 Bundesbürger*innen insgesamt 180,8 Milliarden Euro auf Konten der britischen Kanalinsel Jersey geparkt. Die Schweiz hat ebenfalls für das Jahr 2018 Kontoeinlagen von Deutschen in Höhe von 133,1 Milliarden Euro gemeldet; Luxemburg meldete 125,8 Milliarden Euro. Insgesamt hatten deutsche Firmen oder Privatpersonen in den vom Finanzministerium aufgelisteten Steueroasen mindestens 591,3 Milliarden Euro auf entsprechenden Konten deponiert.

Die Statistik des Finanzministeriums sagt auch nichts darüber aus, ob das ins Ausland geschaffte Geld legal oder illegal ist. Die zuständigen Finanzämter überprüfen dies erst nach Eingang und Auswertung der Daten.

Die Informationen basieren auf einem sogenannten automatischen Informationsaustausch. Zur Erschwerung der Steuerhinterziehung informieren sich dabei Staaten gegenseitig über Konten, die ausländische Steuerpflichtige bei ihnen unterhalten. Allerdings fehlen laut SZ in der zugänglichen Liste wichtige Steueroasen. Die Cayman Islands und die Bahamas etwa halten die betreffenden statistischen Angaben zu ihren Ländern geheim.

Quellen:

Bastian Brinkmann: „Deutsches Geld liebt Jersey“, Süddeutsche Zeitung vom 24. Juni 2020

https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/steueroasen-jersey-schweiz-luxemburg-1.4945206?reduced=true

Simon Zeise: „Geld ins Ausland verschoben“, junge Welt vom 25. Juni 2020

https://www.jungewelt.de/artikel/380917.steuerdeals-geld-ins-ausland-verschoben.html

ders.: „Steuerbetrug mit System“, Junge Welt vom 25. Juni 2020

https://www.jungewelt.de/artikel/380914.steuerbetrug-mit-system.html?sstr=steuerbetrug

„Mehr deutsches Geld in Jersey als in Schweiz oder Liechtenstein“, FAZ vom 24. Juni 2020

https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/arm-und-reich/mehr-deutsches-geld-in-steueroase-jersey-als-in-schweiz-16829786.html#void

Wuchermieten für prekäre Unterkünfte

Gemeinsame Recherchen der Nordwest-Zeitung (NWZ) und des NDR zeigen am Beispiel Oldenburgs, wie Städte und Gemeinden einen sogenannten Grauen Wohnungsmarkt finanzieren, um zu verhindern, dass Menschen auf der Straße landen. Für einkommensarme Menschen wird es bekanntermaßen immer schwieriger, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Deshalb, so der NDR in einer Reportage am 16. Juni 2020, habe sich eine Vermieterszene etabliert, die mit denjenigen ihr Geld verdient, die sonst kaum eine Chance auf dem freien Wohnungsmarkt haben: Drogenabhängige, Menschen mit Mietschulden und vormals Obdachlose.

„Sie werden in nicht selten winzigen Zimmern untergebracht, die überhöhten Mieten zahlt das Sozialamt direkt an die Vermieter. Gleichzeitig fehlt es offenbar an Kontrollen: Manche der Mieter wohnen in menschenunwürdigen Verhältnissen“, heißt es dort. Vermieter bieten danach einzelne Zimmer in Gebäuden an, die sich in einem hygienisch oder baulich unzumutbaren Zustand befinden. Die NWZ ergänzt:

„In vielen Fällen entsprechen die in den Verträgen angegebenen Zimmergrößen nicht der tatsächlichen Größe der Wohnräume, die selten 15 Quadratmeter überschreiten. Kostenpunkt: Zwischen 300 und 580 Euro pro Monat.“ Der Trick der Vermieter: Sie lassen sich sogenannte Beherbergungsverträge unterschreiben, die Mieter*innen ihrer Rechte berauben. Diese gelten nur als „Gäste“ und können jederzeit vor die Tür gesetzt werden.

Das Problem ist seit Jahren Politik und Behörden bekannt. Neu ist aber, dass sich der Graue Wohnungsmarkt auch in einer Stadt wie Oldenburg mit knapp 170.000 Einwohnern von einer Randerscheinung hin zu einem nicht mehr übersehbaren Problem entwickelt hat. Mittlerweile werden dort nicht weniger als etwa 20 prekäre Häuser mit 150 bis 300 Bewohnern angeboten.

„In einigen prekären Gemeinschaftsunterkünften leben bis zu 20 Personen Tür an Tür. Sie müssen sich Bad und Küche in fragwürdigem Zustand teilen. Das ist nicht ihr einziges Problem, denn die Vermieter lassen sich juristisch fragwürdige Verträge unterschreiben, die eher von Hotels und Pensionen genutzt werden. Mieterrechte wie Kündigungsschutz bleiben dabei häufig außen vor. Das System bewegt sich im Graubereich der Legalität, so Experten. Daher sei es schwierig, juristisch gegen die Vermieter vorzugehen. Der Verwaltung der Stadt Oldenburg sind die Probleme schon lange bekannt. Sie versucht nun mit einer Deckelung der Quadratmeter-Preise auf 13,50 Euro, der Lage Herr zu werden.“ (NWZ, 16. Juni 2020)

Mittels der Beherbergungsverträge sollen, so eine Vertreterin des Deutschen Mieterbundes gegenüber dem NDR, rechtliche Regelungen wie die Mietpreisbremse ausgehebelt werden. Das sei rechtlich fragwürdig, so die Juristin betont zurückhaltend.

Quellen:

Christian Ahlers, Wolfgang Alexander Meyer: „Grauer Wohnungsmarkt: Mietabzocke in Oldenburg“, NWZonline, 16. Juni 2020

https://www.nwzonline.de/wirtschaft/oldenburg-grauer-wohnungsmarkt-mietabzocke-in-oldenburg_a_50,8,2765115217.html

 

Lea Busch, Peter Hornung, Tobias Zwior: „Oldenburg: Geschäft mit Wohnungsnot der Verzweifelten“, Panorama 3, 16. Juni 2020

https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/panorama3/Oldenburg-Geschaeft-mit-Wohnungsnot-der-Verzweifelten,oldenburg1734.html

Risiken und Nebenwirkungen der Gesundheitswirtschaft

Die Corona-Pandemie hat ins Bewusstsein gerückt, welche Folgen die zunehmende Ökonomisierung und Privatisierung im Gesundheitswesen mit sich bringt. Das fing schon bei den fehlenden Vorräten von Masken, Schutzkleidung und anderen Hilfsmitteln an. Der Normalbetrieb in den Krankenhäusern musste unterbrochen werden, weil es an genügend Reserven beim Personal und bei der intensivmedizinischen Ausrüstung mangelte. Die unter dem Diktat einer Kostensenkung getätigten Sparmaßnahmen machten sich so schlagend bemerkbar.

Ein guter Grund also, um gegen die Verwandlung des eigentlich auf das Gemeinwohl und die bestmögliche Versorgung von Kranken verpflichteten Gesundheitswesens in eine gewinnorientierte Gesundheitswirtschaft Einspruch zu erheben, die Rücknahme der Privatisierung von Krankenhäusern zu fordern, sich für eine bessere Bezahlung und erträglichere Arbeitsverhältnisse für Pflegekräfte einzusetzen. Das geschah und geschieht auch.

Dabei könnten die schon seit Jahren veröffentlichten kritischen Berichte und Streitschriften zur Misere im Gesundheitssystem und zu den Praktiken der Pharmakonzerne für die Aufklärung nützlich sein und reale Handlungsmöglichkeiten aufzeigen. Zwei von ihnen sollen hier vorgestellt werden.

Peter Christian Gøtzsche ist ein dänischer Facharzt für Innere Medizin, der viele Jahre klinische Studien für Pharmaunternehmen erstellte. Seit 2010 hat er eine Professur für klinisches Forschungsdesign und Analyse an der Universität Kopenhagen. In seinem 2019 neu aufgelegten Buch „Tödliche Medizin und organisierte Kriminalität. Wie die Pharmaindustrie das Gesundheitswesen korrumpiert“ rechnet er schonungslos mit Fehlentwicklungen und wirtschaftskriminellen Verflechtungen bei der Herstellung von Heilmitteln ab.

Gøtzsche zitiert einen ehemaligen Marketingdirektor der Firma Pfizer, der die Pharmaindustrie mit der Mafia vergleicht. In den USA übertreffe sie, was die Zahl der Straftaten betrifft, alle anderen Branchen. Sie begehe mehr als dreimal so viele schwere oder mittelschwere Gesetzesverstöße wie andere Unternehmen. Auch wenn es um Bestechung und Korruption oder gefährliche Fahrlässigkeit bei der Produktion von Medikamenten geht, seien die Pharmakonzerne Rekordhalter. Alle, die für ihren Verkaufserfolg wichtig sind, würden mit Vorteilen bedacht: Ärzte, Krankenhausverwalter, Beamte in den einschlägigen Behörden, Hochschullehrer, Minister, politische Parteien.

Im Unterschied zu anderen Waren ist der Gebrauchswert, der Nutzen von Medikamenten für diejenigen, die sie konsumieren, weil sie ihnen verordnet wurden, in den meisten Fällen nur unzureichend zu beurteilen. Das gilt besonders auch für die Nebenwirkungen. Die Patienten müssen sich hier auf ihre Ärzte verlassen – und die müssen sich letzten Endes auf die Fachleute verlassen, die diese Medikamente entwickelt, in klinischen Studien erprobt und schließlich zugelassen haben. Das wäre alles kein Problem, wenn nicht mit Medikamenten hohe Gewinne gemacht werden könnten, weil die Firmen, die sie produzieren, ein Patent und Vermarktungsmonopol für sie haben.

Das verführt Unternehmen dazu, wie Gøtzsche an vielen Beispielen belegt, Medizin auf den Markt zu bringen, deren Nutzen fragwürdig ist, die kaum einen Neuigkeitswert besitzt oder für den Patienten sogar Risiken birgt. Mit Hilfe von bezahlten Gutachtern wird dies dann häufig zu vertuschen versucht. Um mehr Produkte absetzen zu können, schöpfen die Pharmakonzerne alle Beeinflussungsmöglichkeiten aus, um neue Krankheiten zu definieren oder bestehende Grenzwerte für das, was als behandlungsbedürftig gilt, herunterzuschrauben. Bei den Blutdruck- und Cholesterinwerten ist das mit Erfolg geschehen. Auf der anderen Seite werden sinnvolle und notwendige Medikamente erst gar nicht entwickelt, wenn sie keinen Profit abzuwerfen versprechen.

Ein Kapitel gegen Ende des Buches betitelt der Autor mit dem Aufruf: „Den Pharmakonzernen Paroli bieten“. Darin macht Gøtzsche eine Reihe von Vorschlägen. Neue Medikamente sollten in staatlichen Betrieben entwickelt – oder mit öffentlichen Mitteln honoriert, statt privat patentiert zu werden. Bei ihrer Erprobung und Zulassung müsse Transparenz oberstes Gebot sein. Es sollte in allen Ländern öffentlich zugängliche Register über die Zusammenarbeit von Ärzten mit der Industrie geben. Und den Pharmaunternehmen solle man kein Wort mehr glauben, jedenfalls solange nicht, wie sie sich in privater Hand befinden.

Das zweite hier vorzustellende Buch ist ebenfalls im letzten Jahr erschienen: „Erkranken schadet Ihrer Gesundheit“ von Bernd Hontschik. So ironisch und locker der Titel klingt sind auch manche der in ihm  versammelten Glossen und Skizzen zum Gesundheitswesen verfasst – bei aller Ernsthaftigkeit der Kritik an dessen neoliberaler Umformung.

Hontschik war bis 1991 Oberarzt an der Chirurgischen Klinik des Krankenhauses Frankfurt-Höchst und dann bis 2015 in eigener Praxis tätig. Er ist Autor des Bestsellers „Körper, Seele, Mensch“ und Herausgeber der Reihe „medizinHuman“ im Suhrkamp Verlag. Regelmäßig schreibt er Kolumnen in der Frankfurter Rundschau und der taz. Sie bilden das Ausgangsmaterial für sein neues Buch.

Hontschiks Blick auf die Probleme könnte man im besten Sinne als den eines Sozialmediziners charakterisieren. Schon am Anfang des Buches berichtet er über die Schwierigkeit, Todesursachen zu definieren – was ja gerade wieder bei der Corona-Pandemie aktuell geworden ist. Er verweist dabei auf die entscheidende Frage, den Zusammenhang von Gesundheit und Krankheit mit den sozialen Verhältnissen: „Wenn man zur Kenntnis nimmt, dass Menschen, die in Armut leben, eine mindestens zehn Jahre geringere Lebenserwartung haben als ökonomisch sorgenfreie Menschen, ist dann Armut die Todesursache?“

Unter dem Titel „Arme Viren“ benennt Hontschik eine Reihe von Infektionskrankheiten, die viele Millionen Menschen in den Ländern des Südens befallen haben und immer noch befallen: die Chagas-Krankheit, das Denguefieber, die Chikungunya-Krankheit, das Zika-Fieber und Ebola. Für all diese epidemischen Infektionen gibt es keine Medikamente und keine Impfstoffe – außer neuerdings gegen das Denguefieber, wo die Impfung aber unbezahlbar teuer ist. Hontschiks Fazit: „Für Erkrankungen armer Menschen in armen Ländern hat die Medizin nichts zu bieten. Es gibt keine Behandlung, es gibt keine Impfung, es wird gar nicht erst geforscht, wenn keine Profite am Horizont winken. Gäbe es keine Slums, gäbe es keine katastrophalen sanitären Verhältnisse, dann wären all diese Krankheiten kein wirkliches Problem.“

Auch bei uns spielt das Geld inzwischen eine Hauptrolle im Gesundheitswesen. Mit dem Märchen von der „Kostenexplosion“ wurde seit den 1970er Jahren die Politik der Einsparung, des Stellenabbaus und der Privatisierung begründet. Heute steht Deutschland bei der Zahl der privatisierten Krankenhausbetten weltweit an der Spitze, noch vor den USA. Es geht nun um Rendite und Wettbewerb. Da passt es gut, dass mit dem System der „Fallpauschalen“ die Krankenhausfinanzierung von Tagessätzen auf Operationszahlen umgestellt wurde. Seitdem gibt es immer mehr entsprechende Indikationen, werden immer mehr Wirbelsäulen versteift, Knie ersetzt und Kinder per Kaiserschnitt auf die Welt gebracht.

„Mit guter Medizin hat das nichts zu tun“, stellt Hontschik fest. Wohl aber mit der Erzielung hoher Dividenden, wie sie in kaum einem anderen Wirtschaftszweig erreichbar sind. Dieses Geld stammt letztlich aus den Beiträgen der Versicherten und wird dem Gesundheitswesen entzogen. Hontschik nennt das „einen – wenn auch legalisierten – Diebstahl öffentlichen Eigentums“.

Es versteht sich, dass der Autor für eine solidarische Bürgerversicherung eintritt, in die alle, auch die Beamten und Selbständigen einzahlen sollen – also auch die Besserverdienenden mit dem geringeren Krankheitsrisiko.

 

Peter C. Gøtzsche:
Tödliche Medizin und organisierte Kriminalität.
Wie die Pharmaindustrie das Gesundheitswesen korrumpiert

Riva Verlag, München 2019
512 Seiten, 17,99 Euro
ISBN 978-3-7423-1161-0

 

Bernd Hontschik:
Erkranken schadet Ihrer Gesundheit

Westend Verlag, Frankfurt a. M. 2019
160 Seiten, 16 Euro
ISBN 978-3-86489-265-3

 

 

Steuervermeidung zur Gewinnoptimierung: Der Fall Fresenius

Vor allem Leitunternehmen des digitalen Kapitalismus wie Google, Apple, Facebook oder Amazon standen bislang im Fokus der Kritik, wenn es um die systematische Vermeidung von Steuerzahlungen ging. In den letzten Monaten gerieten jedoch auch in Deutschland ansässige Firmen in die Diskussion. Es wurde darüber gestritten, ob es legitim sei, dass Unternehmen staatliche Corona-Hilfen kassieren, während sie gleichzeitig in Steueroasen aktiv sind.

So wird auch Fresenius als einer der führenden, weltweit tätigen Gesundheitskonzerne für seine aggressive Steuergestaltung gerügt. Das Netzwerk Steuergerechtigkeit veröffentlichte im Januar 2020 eine wegweisende Studie zu dem Unternehmen aus Bad Homburg, das seine Umsätze und Gewinne größtenteils im Rahmen des staatlich regulierten Gesundheitswesens erwirtschaftet. Obwohl die Einnahmen überwiegend durch Steuern und Versicherungsbeiträge finanziert werden, verschiebt das Unternehmen Gewinne in fast alle bekannten Steueroasen der Welt – und vermeidet damit höhere Unternehmenssteuern in den Ländern, in denen es seine Umsatzerlöse vorrangig erzielt hat. Gewinne werden dort künstlich kleingerechnet, wo Unternehmenssteuern vergleichsweise hoch sind, dagegen hohe Gewinne an Standorten ausgewiesen, an denen niedrige Steuersätze gelten.

Laut dieser Studie entfallen 23 Prozent des weltweiten erwirtschafteten Umsatzes und 32 Prozent der Konzernbelegschaft auf Deutschland – aber nur 10 Prozent der ausgewiesenen Gewinne. Fresenius zahlte danach in den letzten zehn Jahren durchschnittlich nur 25,2 Prozent Steuern, obwohl die Steuersätze in den wichtigsten Märkten – Deutschland und den USA – bei 30 bzw. 35 Prozent lagen. Hätte Fresenius in diesem Zeitraum seine Gewinne regulär versteuert, wären bis zu 2,9 Milliarden Euro an zusätzlichen Steuern fällig geworden.

Eine auch von Fresenius favorisierte Methode zur „Steueroptimierung“ besteht darin, konzerninterne Kredite zu vergeben. Auf diese Weise, so die Autoren der Studie, konnten beispielsweise die beiden irischen Tochtergesellschaften im Jahr 2017 einen Gewinn von 47 Millionen Euro erzielen – ganz ohne Mitarbeiter*innen und allein durch die Vergabe von Darlehen an Konzerngesellschaften in Spanien und den USA. Der Konzern nahm über Finanzierungsgesellschaften in Luxemburg, Irland, den Niederlanden und dem US-Bundesstaat Delaware neun Milliarden Euro an Fremdkapital auf und reichte die Darlehen innerhalb der Gruppe weiter. „Dabei kommt ihnen (den multinationalen Konzernen, d. Verf.) das gegenwärtige Steuerrecht entgegen, demzufolge Gewinne und Steuern für jede einzelne Einheit, Tochtergesellschaft oder Gruppe von Tochtergesellschaften innerhalb eines Konzerns auszuweisen sind. Die Tochtergesellschaften stellen sich also gegenseitig Rechnungen über Darlehen, Warenlieferungen, Dienstleistungen oder die Nutzung von Patenten, Technologien und Markennamen. (…) Die Konzerne betonen, die Transaktionen würden zu ‚marktüblichen Konditionen‘ abgewickelt, ganz so, als seien die Vertragsparteien nicht wirtschaftlich miteinander verflochten. Für die Steuerbehörden ist es oft schwierig, solche Behauptungen anzufechten.“ (Fresenius-Studie, Seite 7)

Dieses Vorgehen scheint legal zu sein: Das Netzwerk Steuergerechtigkeit spricht deshalb bei der Vorgehensweise von Fresenius lediglich von angewandten „Steuertricks“ und von „Steuervermeidung“. Diese sind zwar ebenso wie das kriminelle Delikt der Steuerhinterziehung darauf ausgerichtet, Gewinne zu verschieben und Steuerzahlungen zum Teil drastisch zu senken, erfolgen aber auf rechtmäßige und nicht strafbare Weise. Jedoch kollidiert dieses Geschäftsgebaren zumindest mit dem konzerneigenen „Bekenntnis zu rechtlicher und ethischer Verantwortung als Unternehmen“, das Fresenius auf seiner Website als eine „strategische Priorität“ angibt. 

Da bislang als Regel gilt, dass Geldflüsse von und zu Tochterfirmen in Steueroasen nicht veröffentlicht werden müssen, drängen die Autoren der Studie als Schlussfolgerung ihrer Analyse darauf, dass der Konzern seine Steuerpraktiken transparent machen sollte und die Tochtergesellschaften in Steueroasen auflöst. Die Bundesregierung solle auf eine echte Reform des Systems der internationalen Unternehmensbesteuerung hinwirken statt ausschließlich Interessen der deutschen Konzerne zu vertreten und einen destruktiven Steuersenkungswettbewerb zu fördern.

„Da viele der Steuervermeidungstricks legal sind, sind letztlich globale Steuerreformen erforderlich. Die internationalen Fresenius-Tochtergesellschaften agieren nicht unabhängig, sondern als Teil einer globalen Konzernstruktur. Sie sollten entsprechend behandelt werden, auch steuerlich. Anstatt jedes Unternehmen separat zu besteuern und die Verrechnungspreise für den innerbetrieblichen grenzüberschreitenden Handel festzulegen, sollte derjenige Anteil am globalen Konzerngewinn, der der tatsächlichen Geschäftstätigkeit im Land entspricht, Grundlage der einzelstaatlichen Besteuerung sein. Dies würde eine Änderung des derzeitigen internationalen Steuersystems erfordern.“ (Fresenius-Studie, Seite 18)

Die Ergebnisse der Fresenius-Studie lassen sich verallgemeinern: Alle 30 im deutschen Aktienindex Dax gelisteten und damit führenden Unternehmen im Land sind über Tochterfirmen in Niedrigsteuerländern vertreten, von denen manche als Steueroasen genutzt werden dürften (Stand 2. Juni 2020).

Quellen:

Pressemitteilung des Netzwerk Steuergerechtigkeit vom 21. Januar 2020:

„Fresenius und Steuervermeidung. Beim Steuertricksen gehören deutsche Unternehmen zur Weltspitze“

https://www.netzwerk-steuergerechtigkeit.de/pressemitteilung-fresenius-und-steuervermeidung-21-1-2020/

CICTAR & Netzwerk Steuergerechtigkeit – Deutschland: Fresenius. Ungesunde Geschäftspraktiken. Globale Steuervermeidung eines multinationalen Gesundheitskonzerns aus Deutschland, Januar 2020

https://www.netzwerk-steuergerechtigkeit.de/wp-content/uploads/2020/02/fresenius_ungesunde-geschc3a4ftspraktiken_deu200120.pdf 

Joachim Maiworm lebt und arbeitet in Berlin. Er ist Mitglied der Redaktion von BIG Business Crime

 

 

Fakten zu Fresenius

 „Fresenius ist ein weltweit tätiger Gesundheitskonzern mit Produkten und Dienstleistungen für die Dialyse, das Krankenhaus und die ambulante Versorgung. Mit über 290.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in mehr als 100 Ländern und einem Jahresumsatz von über 35 Milliarden Euro ist Fresenius heute eines der führenden Unternehmen im Gesundheitsbereich weltweit.

 Zur Fresenius-Gruppe gehören vier eigenständig agierende Unternehmensbereiche, die Marktführer in Wachstumsbereichen des Gesundheitssektors sind: Fresenius Medical Care ist weltweit führend bei der Behandlung von chronischem Nierenversagen. Fresenius Helios ist Europas größte private Kliniken-Gruppe. Fresenius Kabi bietet lebensnotwendige Medikamente, Medizinprodukte und Dienstleistungen für kritisch und chronisch Kranke. Fresenius Vamed ist spezialisiert auf das Projekt- und Managementgeschäft von Gesundheitseinrichtungen.“

(Selbstdarstellung Fresenius, Webseite des Konzerns)

 Der größte Anteilseigner von Fresenius ist die gemeinnützige Else Kröner-Fresenius-Stiftung mit 26,6%. Vermögensverwalter wie BlackRock und Allianz Global Investors halten 4,74% bzw. 4,98% der Anteile.

(vgl. boerse.de, 31. Mai 2020)

 Fresenius startete trotz der Corona-Krise mit Zuwächsen bei Umsatz und Gewinn ins Jahr 2020. Im ersten Quartal 2020 stieg der Umsatz um acht Prozent auf 9,1 Milliarden Euro. Der auf die Aktionäre entfallende Gewinn kletterte um etwa 1,3 Prozent auf 459 Millionen Euro. Alle Unternehmensbereiche trugen zum Umsatzwachstum bei.

(Fresenius: Quartalsfinanzbericht Q1/2020, erschienen am 7. Mai 2020)

Desaster der Privatisierung

 Zum Trauerspiel um die Privatisierung der Deutschen Bahn und deren destruktive Folgen ist schon viel geschrieben worden. Und es dürfte mehr als wahrscheinlich sein, dass die Bundesregierung die kürzlich beschlossene gigantomanische Neuverschuldung demnächst zum Anlass für eine neue Privatisierungswelle nimmt. Dies würde die bereits arg gerupfte verkehrstechnische Infrastruktur der Bundesrepublik ganz sicher noch weiter beschädigen. Insofern sollte man das kürzlich erschienene Buch „Schaden in der Oberleitung“ des Journalisten und ausgewiesenen Bahnspezialisten Arno Luik unbedingt zur Kenntnis nehmen.

Luik beginnt sein Buch mit einer Beschreibung des milliardenträchtigen, dafür aber verkehrstechnisch völlig unsinnigen Umbaus des Stuttgarter Hauptbahnhofs – für den Autor ein Symbol der in unserer Gegenwart fortschreitenden Zerstörung der Bahn. Der Protest breiter Bevölkerungskreise ging damals durch alle Medien und beförderte sogar einen Wechsel der Landesregierung. Bewirken tat dies freilich gar nichts – die Weichen waren längst in eine andere Richtung gestellt. Nachdem der Protest wieder aus den Medien verschwunden war, wurde das Projekt dann entgegen jeder Logik weiter umgesetzt.

Das angekündigte Desaster um „Stuttgart 21“ ist für den Autor jedoch nur der Aufhänger für eine Generalabrechnung mit der Bahnprivatisierung insgesamt. Aus einer angeblich ineffizienten, insgesamt aber funktionierenden staatseigenen Behörde wurde binnen weniger Jahrzehnte ein undurchschaubares Geflecht formell eigenständiger Firmen. Diese sind zwar mehrheitlich immer noch zu 100 Prozent im Staatsbesitz und werden vom Finanzministerium reichlich subventioniert. Ihr Management gehorcht jedoch einer eigenen, von betriebswirtschaftlichen Interessen diktierten Logik. Und diese ist mit den Interessen der Bahnnutzer meist nicht kompatibel. Erwirtschafteter Gewinn versickert in den Tiefen undurchsichtiger Projekte und in den Taschen führender Mitarbeiter – für Verluste muss immer der Steuerzahler aufkommen.

Luik zitiert reihenweise Ingenieure und andere langjährige Bahnmitarbeiter, die permanent auf gravierende Verstöße gegen Sicherheitsbestimmungen sowie gegen elementare Regeln der Technik hinweisen und deren Kassandrarufe vom Management zumeist nicht zur Kenntnis genommen werden. Das Buch erinnert auch an die Stilllegung zahlreicher vermeintlich „unrentabler“ Strecken sowie an Außerbetriebnahme und Verkauf zahlreicher Bahnhofsgebäude. Tatsächlich lief die Verkehrspolitik der letzten Jahre wohl hauptsächlich auf eine Förderung der großen Autokonzerne zuungunsten der Eisenbahn hinaus. Und der Steuerzahler, aus dessen Taschen die Umgestaltung der Bahn finanziert wurde, bezahlte letztlich dafür, dass Bahnfahren immer teurer, immer schlechter, immer umweltzerstörender und auch – wegen aus Kostengründen aufgeweichter Sicherheitsbestimmungen – immer lebensgefährlicher wurde. Und außerdem dafür, dass sich Immobilienspekulanten und ähnliche Figuren an der Verschleuderung bisher bahneigener Grundstücke und Gebäude eine goldene Nase verdienen konnten.

Der Autor nennt diese Entwicklung einen „großen Eisenbahnraub“, watscht gnadenlos alle seit 1990 amtierenden Bahnchefs und Verkehrsminister ab, die an selbigem beteiligt waren. Luik zitiert zahlreiche zu Beginn der Bahnprivatisierung verkündete „Visionen“, vergleicht sie mit den tatsächlichen Resultaten der Privatisierungspolitik und stellt die angeblichen Visionäre als genau die unfähigen und inkompetenten „Macher“ dar, die sie tatsächlich auch sind. Wobei sie zwar einen katastrophalen, aber auch noch gut bezahlten Job machten. Im Buch wird die durchweg miserable Bezahlung der Bahnmitarbeiter dokumentiert und mit den millionenschweren Boni und Abfindungen des höheren Managements verglichen.

Gegen Ende des Buches fordert der Autor dann ganz offen, die aus seiner Sicht völlig verrückte Verkehrspolitik der letzten 30 Jahre wieder zurückzudrehen.

Dass die genannte Verrücktheit, die hier nicht bestritten werden soll, in eine ebenso verrückte Systemlogik eingebettet ist, schreibt der Autor leider nicht. Daher abschließend ein persönlicher Kommentar des Rezensenten. Wenn sich jemand in einem späteren Jahrhundert einmal daranmachen sollte, die Geschichte unserer kapitalistischen Gesellschaft aufzuschreiben, so wird deren Anfang vermutlich wie folgt lauten: „Damit der Kapitalismus überhaupt funktionieren konnte, zwangen dessen Macher anfangs die Bevölkerung, unter gewaltigen Anstrengungen eine gigantische Infrastruktur aus dem Boden zu stampfen. Und dann fraßen eben diese Macher diese Infrastruktur aus nicht zu stillender Geldgier wieder auf.“

Arno Luik: Schaden in der Oberleitung. Das geplante Desaster der Deutschen Bahn

Westend Verlag, Frankfurt am Main 2019
293 Seiten, 20,00 Euro
ISBN 978-3-86489-267-7

Freigeld für alle, die es sich leisten können

Kaum etwas verdeutlicht die Hackordnung in spätkapitalistischen Gesellschaften so deutlich wie die Prioritätensetzung bei den historisch beispiellosen Hilfs- und Konjunkturprogrammen, die angesichts der Corona-Krise aufgelegt oder zumindest angekündigt worden sind.

Da soll noch mal jemand behaupten, der Kapitalismus sei auf seine alten Tage innovationsmüde geworden. Mit Ausbruch der Corona-Krise, deren Folgen die Bundesregierung nun mit einem Konjunkturpaket zu mildern sucht, entwickelten findige Betrüger in Windeseile neue Maschen, um Gelder bei all jenen Menschen abzugreifen, die wirtschaftlich unter Druck gerieten und Soforthilfen für Selbstständige erhielten. (1) Mit gefälschten Behördenmails, die ihre Empfänger zur Angabe unrechtmäßig erhaltener Hilfsgelder auffordern, sollte gezielt die Unsicherheit rund um die entsprechenden „Soforthilfen“ des Bundes und der Länder ausgenutzt werden. Offensichtlich wollten die Betrüger jene Selbstständige, die bereits Hilfsgelder erhalten haben, dazu bringen, diese an die angebliche „Behörde“ teilweise oder vollständig zurückzuüberweisen.

Den Hintergrund dieser Masche bildet die Diskrepanz zwischen der öffentlichen Wahrnehmung der Soforthilfen für Selbstständige und ihrer tatsächlichen rechtlichen Ausgestaltung. Der Bund hat sich bei der engen Auslegung der Finanzierungsmöglichkeiten für Solo-Selbstständige gegenüber den Ländern durchgesetzt. Dadurch dürfen diese Gelder nicht dazu verwendet werden, Einnahmeausfälle zu kompensieren. Stattdessen können hierbei nur laufende Betriebskosten wie Miete, Leasing oder Kredite geltend gemacht werden. Dieses führt folglich dazu, dass besonders bedürftige Selbstständige wie Freiberufler oder Künstler, die geringe laufende „Betriebskosten“ haben, kaum von den medial groß angekündigten Soforthilfen profitieren. Deswegen kursieren bereits im Bundeswirtschaftsministerium Schätzungen, dass tausende von Solo-Selbstständigen ihre Hilfsgelder letztendlich zurückzahlen müssen. (2) Die eingangs erwähnte Betrugsmasche nutzt punktgenau diese Verwirrung und Unsicherheit aus, um Selbstständige in eine Falle tappen zulassen.

Solche findigen Gauner sind allerdings nur die kleinen Fische beim großen Absahnen im Gefolge der billionenschweren Krisenpakete, die in den Zentren des Weltsystems in Windeseile geschnürt werden, um den im Gefolge des aktuellen Krisenschubs drohenden Wirtschafkollaps buchstäblich um jeden Preis zu verhindern. Wenn man sich in der richtigen gesellschaftlichen Position befindet, scheint es nun so, als ob Manna vom Himmel fallen würde. Es ist ein warmer Geldregen, der aber nur für all jene niedergeht, die ihn sich auch leisten können.

Eine Nummer größer als bloße Betrüger sind die in der rechtlichen Grauzone operierenden Geschäftemacher, die Lücken in der Gesetzgebung ausnutzen, um so richtig abzusahnen. Kurz nach Verabschiedung der Corona-Maßnahmen wollte beispielsweise alle Welt Unternehmensberater werden. Das Bundeswirtschaftsministerium meldete Ende April, dass binnen kürzester Zeit mehr als 8.500 Anträge auf offizielle Akkreditierung als Wirtschaftsberater dem Hause vorlagen. (3) Bei einem großen Teil all dieser Antragssteller, die sich plötzlich in die abenteuerliche Welt der Unternehmensberatung zu stürzen suchen, dürfte es sich schlicht um Trittbrettfahrer handeln, die auf die Schnelle Kasse machen wollen.

Am Anfang dieser großen deutschen Unternehmensberaterschwemme stand die behördliche Sorge um das Wohlergehen der deutschen Wirtschaft in der kommenden Wirtschaftskrise. Wer könne Unternehmen besser darüber beraten, wie man schwere Zeiten übersteht, als Unternehmensberater? Folglich legte das Wirtschaftsministerium ein Programm auf, in dessen Rahmen Unternehmen Hilfsgelder von bis zu 4.000 Euro beantragen konnten, um damit die Dienstleistungen von Unternehmensberatungen in Anspruch nehmen zu können. Dies sollte keine große Sache werden; es war nur eine Maßnahme unter vielen Projekten im gigantischen Krisenpaket der Bundesregierung. Diese beschloss immerhin eine Neuverschuldung von 156 Milliarden Euro – zuzüglich Wirtschaftsgarantien von rund 600 Milliarden. (4) Für Beratertätigkeiten waren hierbei ursprünglich nur rund 15 Millionen Euro vorgesehen. Mitte Mai lagen beim Bundeswirtschaftsministerium hingegen schon 27.534 Anträge auf Finanzierung einer Beratertätigkeit vor, die den Steuerzahler wohl bis zu 100 Millionen Euro kosten werden.

Das sogenannte „Programm zur Förderung unternehmerischen Know Hows“ des Wirtschaftsministeriums hat folglich zu einem stürmischen Konjunkturaufschwung in der Beraterbrache geführt. Dies belegen nicht nur die vielen Anträge auf Zulassung. Inzwischen wetteifern Wirtschaftsberater darum, möglichst viele Kunden dazu zu bringen, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Es seien nun aber „viele unseriöse Anbieter“ auf dem Markt tätig, hieß es bei der Süddeutschen Zeitung (SZ). Diese würden mitunter ganze Berufsgruppen mit Massenmails abgrasen, um möglichst viele Aufträge einheimsen zu können. Manchmal würden schlicht „kostenfreie Marketingkonzepte“ durch einige „Scharlatane“ versprochen, so die SZ. Diese berichtete von einem Fall, in dem ein Verbund von 30 Finanzberatern einen Unternehmensberater sucht, der für jeden der Beteiligten einen Antrag stellt. So will man 120.000 Euro kassieren, die dann teilweise in einen „neuen Marketingauftritt“ investiert werden sollen. Der Fantasie der Märkte sind beim Thema Freigeld offensichtlich kaum Grenzen gesetzt.

Mitunter werden marktschreierische Werbemethoden verwendet: Man kriege „4000 Euro geschenkt“, jubelten Berliner Unternehmensberater in einem Werbevideo. Dieses versprach potenziellen Unternehmenskunden, dass sie im Rahmen ihrer Dienstleistungen noch weitere staatliche Hilfsgelder wie Kurzarbeitergeld oder staatliche „Corona-Hilfen“ abgreifen könnten – obwohl laut Bundeswirtschaftsministerium solche „Förderberatungen“ nicht förderfähig seien. Laut SZ gibt es inzwischen Überlegungen, wie dem evidenten Missbrauch vorgebeugt werden könne. Jedoch scheint das Programm eben diesen Missbrauch geradezu zu provozieren. Zum einen werden die Gelder direkt an die Berater und nicht an tatsächlich beratungsbedürftige Kleinunternehmen und Mittelständler überwiesen. Zum anderen gibt es keine Vorgaben zur prozentualen finanziellen Selbstbeteiligung: Unternehmen und Berater müssen nicht, wie sonst üblich, eigene Finanzmittel beisteuern. Der Bund, der bei selbstständigen Künstlern und Kulturschaffenden peinlich drauf achtet, keinen Cent zu viel aufzuwenden, ist gerade bei der windigen Branche Unternehmensberatung ungewöhnlich locker vorgegangen.

Noch lockerer handhabt der Staat aber die Vergabe von Hilfsgeldern und Krediten bei Großunternehmen – also in Größenordnungen, wo 4.000 Euro nicht mal mehr als „Peanuts“ wahrgenommen werden. Jeder Lohnabhängige, der mal Hartz IV beantragen musste, denkt mit Grauen an den entsprechenden Formularberg, bei dessen Ausfüllung alle finanziellen Umstände der Betroffenen genaustens beleuchtet werden. Sobald milliardenschwere Konzerne die Hand aufhalten, nimmt man es in Berlin hingegen nicht mehr so genau. Es hätten sich bereits tausende von Unternehmen um staatliche Corona-Hilfen bemüht, hieß es schon Ende April in Medienberichten, doch dieselben Behörden, die bei Hartz-Opfern ganz genau hinschauen, würden sich kaum für die Steuermoral all der Unternehmen interessieren, die nun die Hand für all die Euro-Milliarden offenhalten. (5)

Es sind gerade international tätige Großunternehmen, die zumeist umfassende Möglichkeiten zur Steuervermeidung nutzen, indem Gewinne und Verluste konzernintern so lange umgebucht werden, bis die tatsächliche Steuerquote auf ein Minimum gedrückt wird. Eine unter den für die Geldvergabe verantwortlichen Verwaltungen durchgeführte Umfrage ergab, dass in der Bundesrepublik Antragssteller kaum darauf durchleuchtet würden, ob sie in der Vergangenheit Steuertricks anwandten. Diese Methoden der Steuervermeidung, die sich oftmals in einer rechtlichen Grauzone befinden, gelten in anderen Ländern hingegen als Ausschlussgrund bei der staatlichen Kredit- und Subventionsvergabe in der Corona-Krise. Mehrere Länder, unter anderem Dänemark und Polen, haben beispielsweise erklärt, dass Konzerne mit einem Hauptsitz in Steueroasen keine Hilfen erhalten würden. Der deutsche Staat würde hingegen die gigantischen Corona-Hilfen nicht dazu nutzen, um mit strengen Vergaberichtlinien einer üblichen Praxis von Großunternehmen oder international tätigen Konzernen ein Ende zu bereiten: der Privatisierung der Gewinne und der Sozialisierung der Verluste. Man schaue jetzt „nicht so genau hin, wie mal eigentlich sollte“, klagte auch die Deutsche Steuergewerkschaft angesichts der lockeren Vergabepraxis des Bundes.

Der historisch beispiellose Krisenschub des kapitalistischen Weltsystems, der durch die Pandemiemaßnahmen getriggert wurde, führt aber tatsächlich viele Unternehmer in wirtschaftliche Schwierigkeiten, sodass sich auch die „Kapitäne“ der freien Wirtschaft zu großen Opfern genötigt sehen. Dies macht das Beispiel eines Auto-Pfandhauses in der von Schweizer Staatsgebiet umgebenen deutschen Exklave Büsingen evident. Nach Ausbruch der Wirtschaftskrise suchten in finanzielle Schieflage geratene Schweizer Firmenchefs das Pfandhaus auf, wollten ihre teuren Luxusschlitten gegen Bares verpfänden, um so ihren Laden über Wasser halten zu können. Die Parkflächen füllten sich schnell mit Ferraris, Rolls Royces und Aston Martins.

Dies änderte sich Ende März nach der Verabschiedung entsprechender Hilfsprogramme in der Schweiz. Seitdem Hilfsgelder an die Wirtschaft fließen, würden „auffällig viele Luxusautos von Unternehmen wieder abgeholt“, erklärte ein Mitarbeiter des Pfandhauses gegenüber den Medien. (6) Man sei sich darüber im Klaren, dass „viele Kunden die Notkredite zum Rückkauf ihres Pfandkredits verwenden, den sie ursprünglich mit ihrem Auto gedeckt hatten“. Es gehe dabei meistens um hohe fünfstellige Beträge. Die Schweiz hat solche Refinanzierungsdeals eigentlich verboten, doch böten die Autopfandkredite ein Schlupfloch, da darüber keine Meldungen an die entsprechenden Informationsstellen gemacht werden müssten. Die meisten Deals laufen bequem über Bargeld ab, sie hinterlassen somit keine Spuren. Folglich können arme Schweizer Unternehmer ihr geliebtes Statussymbol schnell wieder in die heimische Garage überführen – dank üppiger Staatshilfen. Es ist ein Sozialismus für Reiche, der alle diesbezüglichen Klischees vollauf erfüllt.

Werden aus den Millionen erstmal Milliarden, so ist nahezu alles möglich. The sky is the limit. Mitte Mai konnte sich eine der reichsten Milliardärsfamilien der Bundesrepublik, die BMW-Großaktionäre und Erben der Quandt-Familie, über eine Dividendenausschüttung von vielen Millionen Euro freuen – mitten in einer schweren Systemkrise. Stefan Quandt, der rund 25 Prozent an BWM hält, kann sich an einem warmen Geldregen von 425 Millionen Euro ergötzen. Seine Schwester, Susanne Klatten, die etwa 20 Prozent hält, muss sich mit 344 Millionen begnügen. (7) Ungeachtet aller öffentlichen Kritik behauptet der BWM-Chefmanager Oliver Zipse, der Konzern würde in seiner Dividendenpolitik „zuverlässig“ handeln. Überdies sei die Erfolgsbeteiligung der Belegschaft, von der sich rund ein Drittel in steuerfinanzierter Kurzarbeit befand, an die Ausschüttung der Dividende von insgesamt 1,6 Milliarden Euro gekoppelt.

Diese Entscheidung des Quandt-Clans, dem Konzern mitten in der schwersten Rezession der Unternehmensgeschichte Milliarden zu entziehen, erweckt den Eindruck, als ob die Ratten das sinkende Schiff verließen. Die guten Zeiten der Autobranche sind gezählt, also nimmt man noch alles mit, was geht, um in ein paar Jahren die Kosten der Sanierung oder Abwicklung zu sozialisieren. Doch zugleich stellt dieses Vorgehen des bajuwarischen Autobauers einen direkten Affront gegen Finanzminister Olaf Scholz dar. Um sich gegen den Vorwurf der Verschwendung von Steuergeldern zu wehren, hatte dieser Ende April erklärt, dass „Nothilfen“ für Deutschlands Konzerne nur unter „strengen Auflagen“ gezahlt würden. (8) Dabei behauptete Scholz, dass alle Unternehmen, die Dividenden oder Boni auszahlten, von den Staatsgeldern ausgeschlossen würden.

Dem Quandt-Clan, der durch Zwangsarbeit im Dritten Reich richtig groß wurde, kann doch nicht ernsthaft zugemutet werden, in einer schweren Systemkrise auf den gewohnten warmen Geldregen zu verzichten. Dabei hat nicht nur BMW mit seiner milliardenschweren Dividendenausschüttung den Finanzminister in die Schranken verwiesen. Ausschüttungen von Dividenden in Milliardenhöhe planen auch andere PKW-Produzenten und Zulieferer der Autobranche wie Continental, Daimler oder Volkswagen. Dennoch rechnete Deutschlands Oligarchie und Oberschicht mit der Zahlung weiterer Steuermilliarden an in ihrem Besitz befindlichen Konzerne, insbesondere in Gestalt von Kaufprämien. Auch BMW forderte eisern „Kaufanreize“ für seine Produkte. Der noch Anfang Mai beim „Autogipfel“ in Berlin deutlich spürbare Widerstand der Bundesregierung (9), der dividendenfreudigen Autobranche krisenbedingt mit milliardenschweren Subventionen unter die Arme zu greifen, schien Ende des Monats bereits wieder verflogen. (10)

Der Druck der Autolobby – mitunter ausgeübt durch die um Standorte und Arbeitsplätze besorgten Landesregierungen – ist immens. Laut ersten inoffiziellen Details sollten nämlich trotz Klimakrise nicht nur Elektroautos von den Kaufprämien profitieren, sondern auch gewöhnliche Spritfresser mit einem CO2-Ausstoss von bis zu 140 Gramm. Erst Proteste und breite öffentliche Empörung brachten es fertig, den „Autogipfel“ Anfang Juni, auf dem die Subventionen offiziell beschlossen werden sollten, vorerst abzusagen. Stattdessen sollte zuerst eine Koalitionsrunde über das Vorhaben beraten. (11) Dass der erhoffte Beschluss nun doch nur für Elektroautos zustande kam, war dann für die Autolobby zwar eine herbe Enttäuschung. Die stattdessen als Kaufanreiz beschlossene Reduzierung der Mehrwertsteuer sorgte jedoch für einhelligen Beifall im Unternehmerlager.

Da Deutschlands notleidende Auto-Oligarchie sich verbissen um Milliardenbeträge bemüht, darf der Staat auch notleidende Spekulanten nicht vergessen. Heinz Herrmann Thiele bleibt lieber im Hintergrund. Der Investor und Großaktionär zählt immerhin zu den zehn reichsten Bundesbürgern – also zu jener Gesellschaftsschicht, die sich Verschwiegenheit und Diskretion auch leisten kann. Kurz nach Ausbruch der Pandemie, als die Aktie der Lufthansa abschmierte, investierte Herr Thiele viel Kapital in den Kauf von Wertpapieren dieser Fluggesellschaft, sodass er mit einem Anteil von rund zehn Prozent über Nacht zu deren größtem Anteilseigner aufsteigt. (12) Dieses Investment verfolgt somit den Zweck, von einer Rettung der Lufthansa durch den Staat zu profitieren. Es ist letztendlich eine Spekulation auf Staatsgelder. Der „Vorzeigebetrieb“ in Thieles Imperium, der Autozulieferer Knorr-Bremse, profitiert ebenfalls von der Kurzarbeitergeldregelung. Zugleich strich Herr Thiele 200 Millionen Euro bei der Dividendenausschüttung seines Betriebs ein, den er zu 70 Prozent kontrolliert. Milliarden kassieren und Milliarden an Staatsgeldern abgreifen – dies scheint im Krisensozialismus die neue Norm zu sein, die all jenen zugutekommt, die es sich leisten können.

Was bleibt von den Krisen-Geldern übrig, angesichts eines drohenden Steuerloches von fast 100 Milliarden Euro (13) – nachdem all jene kräftig bedient wurden, die sich eine gute Lobbyarbeit in Berlin finanzieren können? Es gibt Dinge, die man sich in Krisenzeiten – wenn es mal wieder gilt, Konzerne und Banken mit vielen Milliarden Euro zu stützen – schlicht nicht leisten kann. Nahrung zum Beispiel. In der Bundesrepublik als einem der reichsten Länder der Welt sind ohnehin Millionen Menschen von Mangelernährung betroffen. Die Corona-Pandemie hat die Situation noch zusätzlich zugespitzt, weil sich die Betroffenen aufgrund explodierender Preise für Frischprodukte ausreichende Mengen von Obst und Gemüse schlicht nicht kaufen können.

Ende April appellierten Verbraucherorganisationen folglich an die SPD, die zu Beginn der Corona-Pandemie gemachten Zusagen einzuhalten und die Hartz-IV-Sätze anzuheben (14), um die bereits gegebene Mangel- und Unterernährung insbesondere unter den Kindern von Hartz-IV-Beziehern nicht noch weiter ansteigen zu lassen. (15) Die NGO Foodwatch, die ein Sofortprogramm gegen Ernährungsarmut fordert, nannte hierbei eine ganze Reihe von Krisenfaktoren, die die marginalisierten Bevölkerungsschichten der Bundesrepublik in die Mangel nehmen.

Viele Tafeln, bei denen sich verarmte und marginalisierte Menschen versorgten, haben inzwischen dicht gemacht. Zudem seien die kostenlosen Schulessen ausgefallen, die für die Ernährung sozial benachteiligter Kinder wichtig seien. Frische Lebensmittel wie Gemüse seien im April dieses Jahres um rund 27 Prozent teurer als im Vorjahreszeitraum. All jene sozial abgehängten Menschen, die seit der Durchsetzung von Hartz-IV ihren Nachwuchs mit 4,09 Euro täglich ernähren müssen, stellt diese Situation vor ein unlösbares Problem.

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken versprach in einer Stellungnahme eine Klärung, ob vorübergehende Mehrbedarfe der Hartz-Opfer tatsächlich gegeben seien, wollte gegebenenfalls in Gesprächen mit dem Koalitionspartner CDU/CSU eruieren, welche zusätzlichen Maßnahmen eventuell beschlossen werden könnten. Nur zwei Wochen später, Mitte Mai, stimmte die SPD – gemeinsam mit CDU/CSU, FDP und AfD – gegen den von den Grünen und der Linkspartei eingebrachten Antrag auf Erhöhung der Hartz-Sätze um eine Corona-Zulage. (16)

Anmerkungen:

(1) „Betrüger verschicken gefälschte Mails“, tagesschau.de, 05.Mai.2020

(2) „Bericht: Tausenden Soloselbstständigen droht Rückzahlung der Corona-Soforthilfen“, RND.de, 23. April 2020

(3) „Wie selbsternannte Unternehmensberater an Hilfsgeld gelangen wollen“, sueddeutsche.de, 14. Mai 2020

(4) „156 Milliarden gegen die Corona-Krise“, tagesschau.de, 25. März 2020

(5) „Staat zahlt Corona-Hilfen an Steuer-Trickser“, sueddeutsche.de, 22. April 2020

(6) „Unternehmer kaufen mit Corona-Nothilfen ihre verpfändeten Luxusschlitten zurück“, focus.de, 25. Mai 2020

(7) „Mangel an Gemeinschaftsgefühl: BMW löst eine Welle der Empörung aus – werden Söders Pläne durchkreuzt?“, merkur.de, 18. Mai 2020

(8) „Scholz betont strenge Auflagen für Nothilfen“, n-tv.de, 26. April 2020

(9) „Deutschland: Vorerst keine Wiederauflage der Abwrackprämie“, kurier.at, 5. Mai 2020

(10) „Die Kaufprämie ist falsch, aber sie kommt“. rp-online.de, 28. Mai 2020

(11) „Der „Autogipfel“ im Kanzleramt fällt aus“, berliner-zeitung.de, 29. Mai 2020

(12) „Corona: Hilfe für Milliardäre?“, daserste.ndr.de, 14. Mai 2020

(13) „Corona-Krise reißt Steuerloch von fast 100 Milliarden Euro in die Kassen“, welt.de, 14. Mai 2020

(14) „Mehr Hartz IV wegen Corona“, taz.de, 30. April 2020

(15) „Viele deutsche Kinder sind mangelernährt – Armut ist ein großer Faktor“, web.de, 3. Februar 2018

(16) „Wenn die Lobby fehlt: Bundesregierung verweigert Corona-Zuschüsse für Arme“, rt.de, 19. Mai 2020

Tomasz Konicz arbeitet seit etwa 15 Jahren als freier Journalist und Buchautor. In BIG Business Crime Nr. 1/2015 erschien von ihm: „Geschäftsfeld Barbarei. Der Islamische Staat als global agierender Terrorkonzern“.

 

 

Die TOP-Liga der deutschen Aktiengesellschaften und die Steuerparadiese

Die Linke im Bundestag veröffentlichte im Juni 2020 eine Studie, die – nach ihren eigenen Worten – darüber Aufschluss geben will, „ob auch DAX-Konzerne in Steueroasen präsent sind und wie transparent sie dabei vorgehen“. Wir zitieren nachfolgend aus dem Vorwort des finanzpolitischen Sprechers der Fraktion Die Linke im Bundestag Fabio de Masi:

„Steuertricks gehören zum Geschäftsmodell aller 30 DAX-Konzerne. Unsere Studie zeigt, dass die Flaggschiffe der deutschen Wirtschaft von Delaware bis Luxemburg mit tausenden Töchtern in Steuerparadiesen vertreten sind. Selbst Unternehmen mit Bundesbeteiligungen verfügen über hunderte Töchter in Steueroasen. Das untergräbt die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung bei der internationalen Steuerdiplomatie gegen Steuervermeidung von Konzernen. Es ist ein Skandal, dass bei Bahn, Post, Telekom und Commerzbank nicht einmal Einfluss auf die Geschäftspolitik genommen wird, wenn es um Steuervermeidung geht.

Auch Gewinne aus Deutschland sind in den Steueroasen geparkt. Steueroasen und Schattenfinanzplätze scheuen das Licht der Öffentlichkeit. Die Bundesregierung blockiert seit Jahren die Einführung einer Veröffentlichungspflicht von Kennzahlen wie Beschäftigte, Umsätze, Gewinne und gezahlte Steuern pro Land.“

Quelle:

Der DAX in Steueroasen. Studie für die Fraktion DIE LINKE im Bundestag, Juni 2020 (Autor: Steffen Redeker)

https://www.fabio-de-masi.de/de/article/2757.studie-der-dax-in-steueroasen.html

Umkämpfte Privatisierung der S-Bahn Berlin

Am 26. Mai 2020 beschloss der rot-rot-grüne Berliner Senat, die Verkehrsleistungen von zwei Teilnetzen der S-Bahn (Nord-Süd und Stadtbahn, zusammen etwa zwei Drittel des Gesamtnetzes) auszuschreiben. Damit besteht die Möglichkeit, dass auch private Anbieter zum Zug kommen. Die Ausschreibung gestaltet sich als recht kompliziert, denn sie enthält vier sogenannte Lose, je zwei für Wartung bzw. Instandhaltung sowie für den Zugbetrieb auf jedem der zwei Teilnetze. Der Zuschlag könnte also unter Umständen an vier verschiedene Betreiber gehen. Die S-Bahn Berlin GmbH, hundertprozentige Tochter der Deutschen Bahn AG, hat als bisheriger Gesamtbetreiber des Netzes allerdings auch die Möglichkeit, alle vier Lose zu gewinnen und den gesamten Betrieb einschließlich Wartung weiter zu verantworten. Im Nord-Süd-Netz soll der neue (bzw. der bisherige) Betreiber im Dezember 2027 starten, auf der Stadtbahn im Februar 2028. Die in Berlin sehr wichtige Ringbahn wird seit Jahren langfristig von der S-Bahn GmbH betrieben.

„Kritiker wie die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG äußerten zuletzt wiederholt die Befürchtung, dass bei der gestückelten Ausschreibung andere Anbieter als die Bahn zum Zuge kommen und sich die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten verschlechtern“, schreibt die Berliner Morgenpost am 26. Mai. Auch Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) e.V. wehrt sich gegen die beschlossene „Zerschlagung und Privatisierung“ der S-Bahn in insgesamt drei Teilnetze. „Wollen wir eine öffentliche Daseinsvorsorge, die öffentlich betrieben wird, oder lassen wir zu, dass Private auch in den Bereich der S-Bahn eindringen, dort Gewinne erzielen und eine klimafreundliche Weiterentwicklung stören oder verhindern“, heißt es in einem Aufruf vom 28. Mai. Mittels möglichst vieler Einzelpetitionen soll „diese gewaltige Privatisierung“ noch gestoppt werden.

Auf der Webseite des Vereins stellt GiB verschiedene Petitionsentwürfe bereit, die von Interessierten – auch in Teilen – übernommen werden können.

Quellen:

„Größte Ausschreibung der S-Bahn-Geschichte kann starten“, Berliner Morgenpost, 26. Mai 2020

https://www.morgenpost.de/berlin/article229210774/Groesste-Ausschreibung-der-S-Bahn-Geschichte-kann-starten.html 

Gemeingut in Bürgerinnenhand e. V.: „GiB-Infobrief: Jetzt aktiv werden gegen die Zerschlagung und Privatisierung der S-Bahn Berlin“, 28. Mai 2020

https://www.gemeingut.org/gib-infobrief-jetzt-aktiv-werden-gegen-die-zerschlagung-und-privatisierung-der-s-bahn-berlin/