Die am 10. Juli 2022 veröffentlichten Uber-Files zeigen, wie der global agierende US-Fahrdienstleister versuchte, Politik und Öffentlichkeit mit dubiosen Methoden zu beeinflussen. Das Ziel bestand darin, sich Zugang zu den europäischen Märkten zu verschaffen und etwa in Deutschland das Personenbeförderungsgesetz zu ändern. Unterstützt wurde der Konzern dabei von Politik, Wissenschaft und Medien.
Die Informationen basieren auf internen Dokumenten des Unternehmens, die dem britischen Guardian zugespielt und von rund 40 Medien weltweit ausgewertet wurden. In Deutschland beteiligten sich daran WDR, NDR und Süddeutsche Zeitung (SZ). Laut SZ vom 11. Juli 2022 stammt das Material (rund 124.000 E-Mails, Textnachrichten und Analysen) von einem ehemaligen Uber-Manager, der von 2014 bis 2016 für das Unternehmen als Cheflobbyist in Europa, dem Nahen Osten und Nordafrika gearbeitet hatte. Belegt werden vor allem die Lobbypraktiken des US-Konzerns in der Zeit von 2013 bis 2017, als Uber weltweit aggressiv expandierte. Ab 2014 wollte sich Uber auch in Deutschland verstärkt etablieren. Allerdings wehrte sich die Taxibranche massiv gegen die Pläne des Konzerns. Es kam zu mehreren Gerichtsurteilen, die Uber-Dienste verboten: „Das Dumme nur: Deutsche Gerichte sehen in Uber nicht nur ein digitales Start-up, das lediglich eine App zur Verfügung stellt, sondern vielmehr einen Fahrdienst, der deshalb, ebenso wie Taxis, eine Lizenz benötige und dafür auch örtliche Niederlassungen gründen müsste. Infolge wäre der US-Konzern in Deutschland damit voll steuerpflichtig.“ (Tagesschau.de vom 10. Juli 2022)
Das Geschäftsmodell von Uber besteht darin, über eine App und gegen satte Provisionen Fahrdienste zu vermitteln, das heißt ohne einen eigenen Fuhrpark Mitfahrgelegenheiten via Smartphone zu ermöglichen – und damit das Taximonopol zu brechen. Der Konzern, der 2009 in San Francisco gegründet wurde und im letzten Jahr 17 Milliarden US-Dollar umsetzen konnte, steht damit in direkter Konkurrenz zum regulierten deutschen Taxi-Markt. Deshalb tat sich bislang auch die öffentliche Meinung mit der Dienstleistung des US-Unternehmens eher schwer.
Einen Eindruck vom rabiaten Auftreten des Unternehmensgründers Travis Kalanick vermittelte die SZ am 11. Juli 2022:
„Dass dieser Expansion bisweilen nationale Arbeitsschutzgesetze oder Beförderungsbestimmungen entgegenstanden, störte Kalanick offenbar nicht. Gespräche mit Politikern bezeichnete er als ‚Zeitverschwendung‘, demonstrierenden Taxifahrern hielt er entgegen, Roboter würden bald ihren Platz einnehmen. Kaum hatte das Unternehmen einen Markt betreten, sollten die Behörden dort die Regeln im Sinne Ubers ändern. Das Manager Magazin verglich Kalanick einmal mit einem Cowboy, der die Schwingtüren zum Saloon eintritt, sich den Weg zum Tresen freischießt – und dort zuvorkommend bedient werden will.“
Wie aber konnte Uber über Jahre hinweg Politiker, Wissenschaftler und Medien für sich einspannen, um die öffentliche Meinung und die Gesetze in seinem Sinne zu beeinflussen?
Die Politik:
Laut SZ setzte sich der damalige französische Wirtschaftsminister Emmanuel Macron direkt für Uber ein. Zwischen 2014 und 2017 traf er sich mindestens vier Mal mit Kalanick, drei der Zusammenkünfte waren bisher nicht öffentlich bekannt. „Dabei soll es auch zu einer geheimen Absprache gekommen sein, die Uber das Geschäft erleichtert haben soll“, schreibt das Handelsblatt am 10. Juli 2022. „Als Finanzminister habe Macron sich ‚selbstverständlich mit zahlreichen Unternehmen ausgetauscht‘, erklärte ein Sprecher des Präsidenten. Dabei sei es auch darum gegangen, bestimmte administrative oder regulatorische Sperren aufzuheben.“ Auf EU-Ebene war die Niederländerin Neelie Kroes, bis Ende 2014 als EU-Kommissarin für die digitale Agenda verantwortlich, behilflich. Sie soll sich bei Politikern ihres Landes für Uber stark gemacht haben. Nach ihrem Ausscheiden in Brüssel und nach Ablauf einer Karenzzeit übernahm sie einen gut bezahlten Job als Beraterin bei dem US-Unternehmen (vgl. Spiegel vom 10. Juli 2022).
FDP-Politiker Otto Fricke stellte den Kontakt zu deutschen Politikern her, zum Beispiel zum damaligen Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt und zur Staatssekretärin Dorothee Bär (beide CSU). Laut SZ sei es das Ziel gewesen, das Personenbeförderungsgesetz zu ändern. In dieser Zeit, zwischen 2014 und 2016, war Fricke für eine Beratungsfirma als Lobbyist tätig. Bereits von 2002 bis 2013 gewählter Bundestagsabgeordneter, stieg er dann ab 2017 wieder in die Politik ein und kam erneut in den Bundestag.
Die Wissenschaft:
Laut Uber-Files fand der Konzern über Fricke auch Kontakt zu Justus Haucap, Professor für Wirtschaftslehre an der Universität Düsseldorf – einem „Überzeugungstäter, der im Taximonopol ohnehin ein Problem sah“ (SZ vom 11. Juli 2022). Dieser verfasste 2015 für 44.000 Euro eine Studie zu den angeblich positiven Wirkungen der Marktöffnung für die Verbraucher und platzierte laut SZ einen „flankierenden“ Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung für weitere 4.000 Euro. Die Studie wurde vor Erscheinen offensichtlich von Uber noch einmal gegengelesen und in Absprache mit Haucap abgeändert.
Die Medien:
Die Uber-Files enthüllen, dass „die Berater des Unternehmens von Beginn an auch einige der mächtigsten Medienkonzerne Deutschlands auf dem Zettel hatten: Axel Springer, Hubert Burda Media, Pro Sieben Sat 1“. (SZ vom 12. Juli 2022) Tagesschau.de beschrieb am 11. Juli das strategische Vorgehen Ubers:
„Um in Deutschland besser angenommen zu werden, hoffte Uber auch auf Unterstützung von Medienunternehmen. Der Springer-Konzern bot Hilfe an und investierte in das Start-up. Vor allem für den damaligen ‚Bild‘-Chef Diekmann interessierte sich Uber. (…) Man wollte sich am liebsten mit der größten deutschen Boulevardzeitung zusammentun, um den Zutritt zum deutschen Markt zu erleichtern. ‚Wir brauchen jemanden wie Kai Diekmann, der Türen für uns öffnet‘, schrieben die Uber-Manager damals. Und in einer anderen E-Mail: ‚Kai Diekmann ist der beste Weg, auch um zu Merkel zu kommen.‘ Diekmann galt bei Uber als einer der mächtigsten Medienmacher. (…) Offen für Unterstützungsleistungen zeigte sich laut den Uber Files Axel Springer. Der Konzern beteiligte sich Anfang 2016 mit einem kleinen Investment am US-Unternehmen. ‚Für uns ist der Wert die Unterstützung und der Einfluss des Verlags in Berlin und Brüssel‘, hielten Uber-Manager dazu intern fest. (…) E-Mails zeigen auch, wie hilfsbereit Springer-Manager für Uber waren. Sie wollten zum Beispiel dabei helfen, den Uber-Chef Travis Kalanick mit hochrangigen Politikern zusammenzubringen. ‚Bitte teilen Sie uns mit, welche Politiker Travis in dem Zusammenhang treffen möchte (…)‘. (…) Über Springers Uber-Beteiligung erfuhr die deutsche Öffentlichkeit jedenfalls lange nichts, erst im April 2017 wurde sie bekannt, als Diekmann ‚Bild‘ verließ und in ein Beratergremium von Uber wechselte – das ‚Policy Advisory Board‘, wie Uber es nennt.
Diekmann ließ mitteilen, er habe dabei geholfen, für Axel Springer bei den relevanten Technologieunternehmen Türen zu öffnen und wichtige Kontakte herzustellen. ‚Es ging darum, den ‚Spirit‘ zu verstehen‘. Einen Interessenkonflikt zwischen seinen Gesprächen und Treffen mit Tech-Unternehmen wie Uber und seinen Aufgaben bei ‚Bild‘ habe es nie gegeben.“
Quellen:
Nina Bovensiepen u.a.: „Über Uber“, SZ vom 11. Juli 2022 (Printausgabe)
Jan Diesteldorf u.a.: „Wer schreibt, der bleibt“, SZ vom 11. Juli 2022 (Printausgabe)
Petra Blum/Jan Diesteldorf: „Bitte recht Uber-freundlich“, SZ vom 12. Juli 2022 (Printausgabe)
Petra Blum u.a.: „Deutsche Lobbyisten im Dienste eines US-Konzerns“, Tagesschau.de vom 10. Juli 2022
https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/uber-files-105.html
Petra Blum u.a.: „Wie Uber deutsche Medien umwarb“, Tagesschau.de vom 11. Juli 2022
https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/uber-files-107.html
„Datenlecks decken schmutzige Lobbyarbeit des Fahrdienstleisters Uber auf“, Der Spiegel (Online) vom 10. Juli 2022
https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/uber-datenlecks-decken-schmutzige-lobbyarbeit-des-fahrdienstleisters-auf-a-c1cae170-ce5c-44a0-90b4-58b0d66416ad