Putsch für mehr Elektronikschrott

Die Existenz des chemischen Elementes Lithium ist seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts bekannt, Mitte des 19. Jahrhunderts wurde es erstmals in Reinform gewonnen. Die industrielle Verwertung des Alkalimetalls und seiner Verbindungen hielt sich jedoch bis zum Ende des 2. Weltkriegs sehr in Grenzen. Ein Bedarf an größeren Mengen entstand erst während des Kalten Krieges. Das Militär benötigte damals Lithium für die Entwicklung und den Bau von Wasserstoffbomben – welche aber glücklicherweise nie zum Einsatz kamen.

In den 1980er Jahren wurde von britischen Wissenschaftlern die Möglichkeit des Baus neuartiger Akkumulatoren unter Verwendung von Lithium-Ionen entwickelt. Ein erster kommerziell nutzbarer Lithium-Ionen-Akkumulator wurde 1991 von einem japanischen Unternehmen auf den Markt gebracht. Bis in unserer Gegenwart hinein werden auf diesem Prinzip beruhende Akkumulatoren hergestellt und finden in einer Vielzahl von Geräten Anwendung. Ein großer Teil des vom US-Militär angehäuften Lithiumvorrates konnte dadurch für zivile Zwecke verwendet werden.

Mit dem Beginn des Zeitalters von Internet und der Handymania erhöhte sich die Nachfrage nach dem zuvor kaum beachteten Rohstoff Lithium schlagartig. Und kürzlich tat sich noch eine weitere Verwendungsmöglichkeit auf: Das Elektroauto. Dessen Umweltbilanz ist zwar heftig umstritten. Das Schrumpfen der weltweit bekannten Erdöllagerstätten veranlasste aber nicht wenige Autohersteller, dennoch in diese Technologie zu investieren.

Mit wachsendem Bedarf an Lithium setzte während der letzten Jahre eine fieberhafte Suche nach weiteren Lagerstätten ein. Fündig wurde man unter anderem im Zentrum Südamerikas, in Bolivien. Der abgelegene Andenstaat verfügt über Salzwasserseen, aus denen vergleichsweise kostengünstig Lithiumhydroxid gewonnen werden kann. Als tatsächlich ein Vertrag zwischen dem bolivianischen Staatsunternehmen YLB und dem in Baden-Württemberg beheimateten Unternehmen ACI Systems Alemania (ACISA) über die gemeinsame Förderung und Verarbeitung von Lithium aus dem Salzsee Uyuni zustande kam, überschlugen sich deutsche Politiker und Unternehmenssprecher in begeisterten Kommentaren. Dass Bolivien von einem Präsidenten regiert wird, der als Interessenvertreter von Gewerkschaften und landwirtschaftlichen Kooperativen an die Macht kam, geriet während dieser Euphorie vorübergehend in den Hintergrund.

Bolivien gilt als wirtschaftlich unterentwickelt und als ärmster Staat Südamerikas. Das Land verfügt zwar über einige Erdgaslagerstätten. Diese waren mit der neoliberalen Welle unter dem Druck westlicher Geldgeber privatisiert worden. Da ausländische Konzerne hauptsächlich mit eigenen Spezialisten arbeiten, ging der geförderte Reichtum demzufolge an der Bevölkerungsmehrheit vorbei. Ein weiterer Grund für Unzufriedenheit war das Antidrogenprogramm der USA. Leidtragende dieses Programms waren nämlich hauptsächlich Agrargemeinden im Andenhochland, für die der Anbau der Kokapflanze oftmals die einzige nennenswerte Erwerbsquelle ist.

Auf einer Welle von Sozialprotesten reitend konnte 2005 die Partei „Movimiento al Socialismo“ (MAS) die Wahlen gewinnen und Evo Morales wurde Präsident der Republik Bolivien. Dieser re-verstaatlichte unverzüglich die Erdgasförderung, dazu noch weitere Industrieunternehmen sowie von Grundbesitzern nicht genutzte Agrarflächen. Eine umfassende Agrarreform blieb allerdings aus. Morales konnte auch die folgenden Wahlen stets gewinnen, jedoch nur auf der Grundlage von umstrittenen Verfassungsänderungen.

Entgegen allen Prognosen neoliberaler Denkfabriken konnte sich Bolivien in der Ära Morales wirtschaftlich stabilisieren. Die Lage der Bevölkerung verbesserte sich spürbar. Ein Großteil der Staatseinnahmen floss in Sozialprogramme, in den Bildungssektor und in die medizinische Infrastruktur. Selbst der Internationale Währungsfonds attestierte dem charismatischen und betont antiwestlich auftretenden Präsidenten eine „angemessene Wirtschaftspolitik“.

Auf allgemeine Ablehnung stießen allerdings die von Morales betriebene Aufweichung des Verbotes von Kinderarbeit sowie die Freigabe von Urwaldflächen für Brandrodungen. Infolge der widersprüchlichen und sich teilweise ausschließenden Interessen seiner Wählerschaft verlor der zunehmend autoritär regierende Präsident in der Endphase seiner Herrschaft das Vertrauen von Teilen seiner Basis. Die indigenen Ethnien der Tieflandregionen betrachteten ihn beispielsweise als Verräter an ihrer Sache und warfen ihm vor, ausschließlich die Interessen der Kokabauern des Hochlandes zu vertreten.

Auch der mit der deutschen Firma abgeschlossene Joint-Venture-Vertrag über die Förderung von Lithium war in Bolivien nicht unumstritten. Kritiker aus den eigenen Reihen warfen der Regierung einen Ausverkauf nationaler Ressourcen vor. Vertreter der Bergregion, in dem der lithiumhaltige See liegt, forderten einen größeren Anteil an den voraussichtlich erzielten Erlösen. Die am 4. November 2019 bekannt gewordene Annullierung des Vertrages war wohl einer der Auslöser für eine Reihe von Protesten der vergleichsweise wohlhabenden städtischen Bevölkerung.

Der Firmenchef der Firma ACI Systems erklärte gegenüber der deutschen Tagesschau: „Wir werden daher erst einmal wie geplant am Projekt weiterarbeiten“. Es folgte eine Medienkampagne: Von den deutschen Medien und Politikern wurde Evo Morales als notorischer Umweltsünder dargestellt, der verantwortungsvolle Autofahrer dazu zwingen wolle, statt mit modernen E-Autos weiter mit benzinfressenden Dreckschleudern zu fahren. Ausgeblendet wurde dabei, dass Elektroautos gar nicht mit Lithium betankt werden. Das Element ist kein Energieträger, sondern nur Bestandteil wichtiger Bauteile des Akkumulators.

Das Aufladen dieser Akkumulatoren kann zwar mit regenerativ erzeugter Energie erfolgen, aber auch mittels dreckiger Kohleverbrennung oder gar mit Atomstrom. Die Energiebilanz von Elektroautos ist, wie gesagt, sehr umstritten. Und die massenhafte Produktion dieser Autos dürfte das nächste Umweltproblem in Gestalt von zu entsorgenden Bergen von Lithiumakkumulatoren erzeugen. Auf Armutsregionen, die mangels anderer Einnahmequellen den reicheren Industriestaaten gegen Bezahlung ihren Dreck abnehmen, dürfte mit dem Elektroauto eine neue Schwemme an hochgiftigem Schrott hereinbrechen.

Natürlich hatte Evo Morales, als er den Joint-Venture-Vertrag per Dekret stoppte, nicht die Sauberkeit des Planeten im Sinne. Umweltschutzmaßnahmen betrachtet er als Problem der wohlhabenden europäischen Staaten. Es ist aber anzunehmen, dass Morales den Vertrag im Interesse der bolivianischen Seite nachbessern wollte. Es handelte sich also um den Bestandteil eines finanziellen Tauziehens zwischen zwei Vertragspartnern – in diesem Fall der bolivianischen Regierung auf der einen und dem baden-württembergische Unternehmen auf der anderen Seite. Letzteres hatte allerdings die deutsche Regierung und ihr Auswärtiges Amt sowie diverse parteinahe Stiftungen im Rücken. Und diese unterstützen seit Jahren die bürgerlichen Oppositionsparteien Boliviens gegen den gewählten Präsidenten.

Es ist nicht bekannt, ob die Annullierung des Vertrages einziger Grund für die Welle von Unruhen und Krawallen war, die in den letzten Wochen Bolivien an den Rand eines Bürgerkriegs brachte. Es dürfte aber der Hauptgrund gewesen sein. Regierungsgegner hatten gewaltsam Rundfunk, und Fernsehsender besetzt, Abgeordnete und Mandatsträger der regierenden Partei angegriffen. Bekanntlich verzichtete Morales am 10. November auf sein Amt und ging ins Exil, nachdem sich zuerst die Polizei auf die Seite der Regierungsgegner gestellt hatte und die Militärführung ihn dann ultimativ zum Rücktritt aufforderte. Proteste von Morales Anhängern wurden gewaltsam aufgelöst, es gab zahlreiche Tote.

Die jetzt amtierende selbsternannte Übergangpräsidentin Jeanine Añez gilt als erklärte Gegnerin der indigenen Agrarbevölkerung und als erbitterte Kritikerin der von Morales umgesetzten Wirtschafts- und Sozialpolitik. Die Regierung der Bundesregierung Deutschland sowie mehrere ihrer Politiker begrüßten den kaum verbrämten Putsch. Nach den letzten gegenwärtig vorliegenden Informationen steuert Bolivien auf die Installation einer vom Militär gestützten rechtsgerichteten Diktatur zu. Oder auf einen Bürgerkrieg.

Gerd Bedszent lebt und arbeitet als freier Autor in Berlin. Er ist Mitglied der Redaktion von BIG Business Crime.

„Wir fühlten uns wie die Größten“ – Kronzeuge im Cum-Ex-Prozess sagte aus

 In einem Artikel im Handelsblatt vom 1. November 2019 berichteten Volker Votsmeier und Sönke Iwersen über die Aussage des Kronzeugen Benjamin Frey (Name geändert) im Prozess zu dem wohl größten Steuerbetrug der deutschen Wirtschaftsgeschichte vor dem Landgericht Bonn. Frey war 2011 Partner in einer der einflussreichsten Rechtsanwaltskanzleien Deutschlands. Zu ihren Kunden zählten viele der vermögendsten Deutschen. Sie hatte gute Verbindungen zu den größten Banken.

Als Jana S., Sachbearbeiterin im Bundeszentralamt für Steuern, mit Frey und dessen Kollegen zu tun bekam, stoppte sie beantragte Steuererstattungen in dreistelliger Millionenhöhe. Das Handelsblatt beschrieb den Vorgang wie folgt: „Sie schob damit einen Keil in die Maschine, mit der Frey für sich und seine Geschäftspartner Unsummen verdiente. Die Maschine hieß Cum-Ex. Aktien mit (cum) und ohne (ex) Dividendenanspruch wurden dabei so gehandelt, dass die Beteiligten sich das Mehrfache dessen von den Finanzämtern ‚erstatten‘ ließen, das sie abführten. Eine ganze Dekade lang kamen schwerreiche Investoren, ihre Steuerberater, Rechtsgutachter und Banken damit durch. Dann stellte sich Jana S. quer.“

Frey und seine Kollegen drohten der Sachbearbeiterin damit, sie persönlich auf Schadensersatz zu verklagen und finanziell zu ruinieren. Jana S. ließ sich jedoch nicht einschüchtern. Sie weigerte sich, Steuern zu erstatten, die gar nicht abgeführt worden waren. Das löste schließlich ein Ermittlungsverfahren aus. Die Aufklärung eines riesigen Skandals begann.

Der Schaden, der durch Cum-Ex-Geschäfte entstand, soll zwölf Milliarden Euro betragen. Diese Schätzung wird von Benjamin Frey als zu niedrig angesehen. Der Abfluss von Steuergeldern sei deutlich größer gewesen. Frey ist Beschuldigter in mehreren Strafverfahren und einer der ersten Insider, die bei der Aufarbeitung der Cum-Ex-Affäre auspackten. Im Bonner Prozess trat er als Kronzeuge gegen zwei britische Aktienhändler auf. Sie werden beschuldigt, für eine Schadenssumme von rund 400 Millionen Euro verantwortlich zu sein.

„Quer durch die Republik ermitteln Staatsanwaltschaften in mehr als 70 Komplexen gegen rund 500 Beschuldigte. Dem Handelsblatt liegt die Aufstellung eines Whistleblowers vor, der sich zwischen 2014 und 2015 intensiv mit der Steuerfahndung Wuppertal austauschte. Seine Liste enthält die Namen von 130 Banken, die an Cum-Ex-Geschäften beteiligt gewesen sein sollen. Es gibt kaum ein Geldhaus, das darauf fehlt.“

Benjamin Frey arbeitete zu Beginn seiner Karriere als Anwalt in einer US-amerikanischen Sozietät. Später machte er sich zusammen mit Partnern selbstständig. „Ihre Kanzlei wurde in Cum-Ex-Kreisen zu einer Art Zentrale. Sein Schreibtisch stand im 32. Stock des Frankfurter Bürohochhauses Skyper. Frey: ‚Wir fühlten uns wie die Größten.‘ Ab 2006 gehörten Frey und seine Partner zu den nachgefragtesten Namen in der Cum-Ex-Beratung – und akquirierten selbst häufig neue Investoren. Viele zufriedene Kunden brachten neue in die Kanzlei, das Geschäft brummte.“

Dann reagierte endlich das Justizministerium. Es wurden Regelungen eingeführt, die deutschen Banken vorschrieben, bei Cum-Ex-Aktiendeals für eine korrekte Versteuerung zu sorgen. Das sei aber nur ein Brandbeschleuniger gewesen, sagt Frey. Weil in den entsprechenden Paragrafen von inländischen Banken die Rede war, wickelte man die krummen Geschäfte nun eben über ausländische Banken ab. „Frey erinnert sich an das Credo seines ehemaligen Partners Hanno Berger: Was nicht ausdrücklich im Gesetz steht, gilt nicht… Wer Zweifel an der Maschine Cum-Ex äußerte, wurde von Berger scharf angegangen. Frey erinnert sich an die Worte des Star-Juristen: ‚Wer ein Problem damit hat, dass wegen unserer Arbeit weniger Kindergärten gebaut werden: Da ist die Tür!’“
In dem Artikel des Handelsblatts hieß es weiter: „Lüge ist ein wiederkehrendes Motiv in dieser Affäre. Viele Investoren behaupten bis heute, sie hätten nie gewusst, woher die sagenhaften Gewinne bei der Cum-Ex-Methode stammten. Die einen beteuern, sie hätten auch nie gefragt, die anderen sagen, man habe sie auf Nachfrage falsch informiert. Frey berichtet freilich auch von einem Fall, wo ein Kunde seiner Kanzlei genau nachrechnete, und sich gerade deshalb beschwerte. Dann drohte er mit Gewalt… ‚Der Mann wollte zehn Millionen Euro Nachschlag‘, erinnert sich Frey. ‚Andernfalls würde er eine bekannte Rockergang einschalten.’“
Frey erinnerte sich weiter, dass schließlich 2,5 Millionen Euro an den Kunden gezahlt wurden. Man habe bei den Steuerdeals eben auch noch versucht, sich gegenseitig zu übervorteilen, nach dem Motto: „Jeder bescheißt jeden.“
Nach 2012 gab es, als Folge vermehrter Betriebsprüfungen, immer mehr juristische Fachaufsätze, die Cum-Ex-Geschäfte als legal einstuften. Auch Freys Kanzlei vergab solche Aufträge gegen gutes Honorar an geeignete Experten, bekannte Jura-Professoren und renommierte Anwälte. Frey: „Das war letztlich alles Mietschreiberei.“
Auch die Lobbyarbeit über Kontakte in die Finanzverwaltung, die Justiz und in Ministerien sei wichtig gewesen. Man wollte alle Gesetzesänderungen schon kennen, bevor sie stattfanden. Frey sagte aus, er sei auch vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband mit Informationen versorgt worden.
„Dann dürfen ihn auch die Anwälte der fünf Finanzinstitute befragen, die das Gericht dem Bonner Verfahren hinzugezogen hat: die Hamburger Privatbank M. M. Warburg, deren Tochter Warburg Invest, das US-Institut BNY Mellon, die französische Société Generale sowie die Fondsgesellschaft Hansa Invest. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen die Zusammenarbeit mit den beiden Angeklagten bei Cum-Ex-Geschäften vor – und den daraus entstandenen Gewinn. Im Raum steht eine mögliche Vermögensabschöpfung von rund 389 Millionen Euro. Die fünf davon bedrohten Banken verwehren sich gegen dieses Ansinnen des Gerichts.“

 

„15 Jahre Verfassungsbruch“ – zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Hartz-IV-Sanktionen

Die Höhe der Grundsicherung („Hartz IV“) deckt offiziell das sogenannte soziokulturelle Existenzminimum ab und liegt zurzeit für einen allein lebenden Erwachsenen bei 424 Euro (432 Euro ab 2020), plus Kosten für Unterkunft und Heizung. Doch allein im Jahr 2018 verhängten die Jobcenter knapp über 900.000 Sanktionen und stürzten damit hunderttausende Leistungsbeziehende in eine materielle (und häufig psychische) Notlage. Fast 15 Jahre nach Einführung des Hartz-IV-Regimes urteilte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am 5. November 2019 endlich über die Zulässigkeit der Hartz-IV-Sanktionen.

Zunächst, worum geht es? Lehnt bislang ein Erwerbsloser ein Jobangebot oder eine Maßnahme ab, werden die Leistungen um 30 Prozent gekürzt, im Wiederholungsfall um 60 Prozent, bei weiterer Weigerung entfällt die Leistung ganz, samt Wohn- und Heizkosten. Verhängte Sanktionen gelten dabei immer drei Monate. Wer ohne überzeugenden Grund einen Meldetermin versäumt, verliert zehn Prozent des monatlichen Regelsatzes (diese Fälle machen 77 Prozent aller Sanktionen aus). Bei Menschen unter 25 Jahren wird noch härter durchgegriffen. Ihnen droht schon beim ersten Verstoß die Totalsanktionierung.

Die besonders scharfen Sanktionen für junge Hartz-IV-Empfänger unter 25 Jahren waren jedoch nicht Teil des Verfahrens in Karlsruhe. Für alle anderen entschied das Gericht nun, dass Kürzungen von 60 Prozent und mehr nicht weiter zumutbar sind. Derartige drastische Kürzungen darf es ab sofort nicht mehr geben, 30 Prozent und weniger sind dagegen weiterhin erlaubt (in der Folge sind mit der Entscheidung aber offensichtlich auch für die Gruppe der jungen Leistungsbeziehenden Kürzungen um mehr als 30 Prozent Vergangenheit).

Die Verfassungsrichter/innen erklärten die Sanktionen damit zwar nur für teilweise verfassungswidrig, ernteten dafür aber auch in kritischen Kreisen Zustimmung. So begrüßte etwa das Bündnis „Auf Recht Bestehen“, getragen unter anderen von der Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg, dem Bundeserwerbslosenausschuss ver.di, dem Erwerbslosenforum Deutschland, dem Frankfurter Arbeitslosenzentrum (FALZ) und der Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen (KOS), in einer ersten Stellungnahme das Urteil, „wonach die bestehende Sanktionsregelung zum großen Teil als verfassungswidrig anzusehen ist und in der bestehenden Form nicht mehr angewendet werden darf“. Das Bündnis fordert allerdings nach wie vor die Abschaffung des gesamten Sanktionssystem im SGB II.

Das Problem für Betroffene und Gegner des Zwangsapparats „Hartz IV“: Das Gericht bestätigte durch sein Urteil grundsätzlich, dass die Richtwerte des soziokulturellen Existenzminimums für „unkooperative“ Hartz-IV-Beziehende weiterhin abgesenkt werden dürfen. Im Urteil des BVerfG vom 9. Februar 2010 zur Bemessung eines menschenwürdigen Existenzminimums hatte es dagegen noch geheißen: „Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind.“ (Az. 1 BvL 1/09)

Die vielzitierte Menschenwürde scheint demnach keineswegs absolut zu gelten und sehr wohl einer Abwägung zugänglich zu sein. Christoph Butterwegge, Ex-Professor für Politikwissenschaft an der Uni Köln, analysierte am 5.11.2019, noch vor dem Urteilsspruch, im Neuen Deutschland („Ohne Sanktionen kollabiert das Hartz-IV-System“) dessen gesellschaftspolitischen Kontext:

„Mit seiner Entscheidung in der Sache hat sich Karlsruhe sehr viel Zeit gelassen, was nicht zuletzt ihrer enormen Tragweite geschuldet sein dürfte. Tatsächlich handelt es sich politisch um ein heißes Eisen, denn Hartz IV bildet das Herzstück des neoliberalen Wohlfahrtsstaates, und die Sanktionen bilden das Herzstück von Hartz IV. Schon ihre Androhung gleicht Daumenschrauben, die Hartz-IV-Betroffene gefügig machen sollen. Ohne die Sanktionen wäre Hartz IV daher ein zahnloser Tiger. Würden die Sanktionen verworfen, könnte das System insgesamt kollabieren. Mit den Sanktionen fielen nach Art eines Dominoeffekts womöglich auch die übrigen Bausteine des bestehenden Arbeitsmarktregimes.“

Fazit: Trotz der nach dem Urteil des BVerfG umzusetzenden Abmilderungen der bisherigen Sanktionspraxis bleiben unterm Strich „15 Jahre Verfassungsbruch“, wie die junge welt am 6. November 2019 einen Artikel zum Thema betitelte. Und ein Ende ist nicht abzusehen.

EU verbietet hochwirksames Insektizid: Sieg im Kampf gegen das Artensterben?

Der Abgeordnete der Grünen im Europaparlament Sven Giegold sprach von einem „guten Tag für die Umwelt, Gesundheit und für Europa“, nachdem eine Mehrheit der EU-Staaten im Oktober entschieden hatte, die Zulassung für das vom Bayer-Konzern vertriebene Insektengift Thiacloprid Ende April 2020 auslaufen zu lassen. Das in die Wirkstoffgruppe der Neonikotinoide fallende Insektizid Thiacloprid gilt Studien zufolge als eine Ursache für das weltweite Bienensterben. Auch kann eine Gefahr für andere Insekten, Pflanzen und Menschen (vor allem durch die Belastung des Grundwassers) nicht ausgeschlossen werden. Erst im letzten Jahr hatten die EU-Mitgliedsländer drei Insektengifte mit einer ähnlichen Wirkung aus dem Verkehr gezogen. Diese Entscheidung wird als Erfolg des zivilgesellschaftlichen Engagements gewertet. Denn unter anderem hatten mehr als 380.000 Menschen zuletzt eine Petition gegen die Wiederzulassung des Pestizids unterschrieben.

Thiacloprid ist zwar das vierte Neonikotinoid, das in der EU verboten wird. Aber trotz der Warnungen aus Expertenkreisen (z.B. BUND, Greenpeace, Umweltinstitut München) vor den dramatischen Folgen war der Einsatz der synthetisch hergestellten Wirkstoffe über Jahre auf dem EU-Markt erlaubt. Waren die Umweltschützer diesmal erfolgreicher als die Industrielobbyisten, wie ein taz-Autor die EU-Entscheidung kommentierte? Ein Leserbriefschreiber der Zeitung bleibt skeptisch: „So, so, Ende April 2020 läuft also die Zulassung des o.g Pestizids aus. Und das feiern die Grünen als Sieg im Kampf gegen das Bienensterben? Für mich stellt dieses Datum eine Verlängerung des Insektenkillens um ein Jahr dar. Die Zeit der Frühjahrsblüher und damit das Erwachen der Insekten nach der Winterpause ist ab spätestens März in vollem Gange. Das bedeutet, genau in der Phase des Wiedererwachens der Insektenpopulationen immer feste druff, ein weiteres Jahr. Da kann man nur den Kopf schütteln, in welchem Umfang sich erneut die Lobbyisten der Landwirte und der Chemieindustrie durchgesetzt haben.“

Quellen:

„Großer Erfolg für Bienen und Gesundheit: EU verbietet das Neonikotinoid Thiacloprid ab Mai 2020“, Mitteilung von Sven Giegold (Mitglied der Grünen/EFA-Fraktion im Europaparlament) vom 22.10.2019:

https://sven-giegold.de/grosser-erfolg-fuer-bienen-und-gesundheit-eu-verbietet-thiacloprid/

Eric Bonse, „EU gegen Insektengift: Aus für Thiacloprid“, taz, 23.10.2019

https://taz.de/EU-gegen-Insektengift/!5633023&s=Thiacloprid/

Christine Vogt (Umweltinstitut München), „Thiacloprid: Kommt das Verbot?“, 5.6.2019

http://www.umweltinstitut.org/aktuelle-meldungen/meldungen/2019/pestizide/thiacloprid-kommt-das-verbot.html

Zähmung krimineller Unternehmen durch das Strafrecht?

Ende Juli 2019 überraschte die New York Times ihre Leserschaft mit einem provokanten Gastbeitrag: Der ehemalige Partner einer großen amerikanischen Anwaltskanzlei stellte in einem Artikel klipp und klar fest, dass Unternehmen rechtlich verpflichtet seien, wie „Soziopathen“ zu agieren. Sie dürften gar nicht anders, als allein dem Gebot der Profitmaximierung zu gehorchen, weil es die von Shareholdern einklagbare Pflicht verlange. Reine Profitmaximierung aber sei legalisiertes asoziales Verhalten. Sein Vorschlag: Zumindest Großunternehmen sollten neu verfasst werden. Die Erzielung höchst möglicher Gewinne als Unternehmensziel solle unangetastet bleiben, jedoch eingebunden werden in ein vom Unternehmen selbst zu definierendes aber rechtlich bindendes gemeinwohlorientiertes Statut. Das Management habe also die Interessen der Angestellten, der Kunden, der Umwelt und der künftigen Generationen bei seinen Entscheidungen zu berücksichtigen. Die Süddeutsche Zeitung zeigte sich von dem Vorschlag angetan, denn „ohne Gemeinwohlprinzipien systemisch auch in den Unternehmen zu verankern“, so der Autor Andreas Zielcke in einem Debattenbeitrag, ,,gräbt der Kapitalismus sich ‒ samt uns ‒ das Wasser ab“. (1)

Richtig ist, dass die von Unternehmen verursachten Schäden an Mensch und Natur überwiegend das Ergebnis juristisch zulässiger Geschäftsmodelle sind. Der US-Anwalt bietet denn auch eine pointierte Beschreibung der legalen aber „antisozialen“ Funktion von Unternehmen, koppelt sie jedoch mit der altbekannten Idee der Corporate Governance, das heißt damit, „Standards guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung“ in Form einer Selbstverpflichtung in die geschäftliche Praxis zu implementieren. Das aber kommt letztlich einer Quadratur des Kreises gleich. Konsequenter, wenn auch weniger öffentlichkeitswirksam, ist dagegen der Versuch, zumindest die kriminellen Machenschaften von Unternehmen und Konzernen juristisch zu sanktionieren. So mehren sich in Folge der internationalen Finanzkrise und zahlreicher Unternehmensskandale in den letzten Jahren ‒ vor allem der illegalen Manipulationen verschiedener Autohersteller („Dieselgate“) ‒ die Stimmen, endlich auch in Deutschland ein Unternehmensstrafrecht einzuführen.

Zum Beispiel hält der Deutsche Richterbund die Einführung eines Strafrechts, mittels dem Unternehmen und „Verbände“ mit einer Kriminalstrafe belegt werden können, für verfassungsrechtlich zulässig und begrüßt die aktuellen Diskussionen rund um das Thema. Kritische Stimmen aus der Rechtswissenschaft, einzelne politische Parteien, aber auch Organisationen wie Brot für die Welt, der Bund Deutscher Kriminalbeamter oder Transparency Deutschland ‒ sie alle fordern die Einführung eines Unternehmensstrafrechts. Eine Forschungsgruppe legte 2017 den „Kölner Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes“ vor, die Landesregierung von NRW präsentierte bereits im Jahr 2013 einen Gesetzentwurf im Bundesrat, die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und der Linken reichten 2016 bzw. im Februar 2019 entsprechende Anträge im Bundestag ein.

Das breite Spektrum von Akteuren aus Politik, Rechtswissenschaft und -praxis sowie Zivilgesellschaft, das sich pro Unternehmensstrafrecht positioniert, reagiert dabei nicht zuletzt auf eine veränderte öffentliche Wahrnehmung der Wirtschaftskriminalität. Zunehmend stößt auf Kritik, dass Unternehmen strafrechtlich immun sind und Konzerne nicht bestraft werden können, unabhängig davon, ob einzelne Manager oder Mitarbeiter wegen persönlichen Fehlverhaltens zur Rechenschaft gezogen werden. Denn Deutschland gehört weltweit zu den wenigen Ländern, in denen sich bisher nur natürliche Personen strafbar machen können, sich aber juristische Personen, also auch Unternehmen, durch Strafrecht nicht erreichen lassen. Lediglich Angestellte eines Unternehmens, aber nicht das Unternehmen als Gesamteinheit und eigentlicher Akteur hinter den Mitarbeitern, sind im Rahmen des Strafrechts haftbar.

Um strafrechtliche Sanktionen einzuführen zu können, müssen also verschiedene rechtsdogmatische Hürden übersprungen werden. Juristische Personen als solche sind nach geltendem Recht handlungs- und schuldunfähig. Sie können nur durch ihre Organe handeln (Vorstand, Aufsichtsrat, Mitarbeiter) und lediglich mit Geldbußen nach dem Ordnungswidrigkeitenrecht belegt werden (maximal zehn Millionen Euro nach § 30 OwiG). Großkonzerne können Geldbußen in dieser Größenordnung „aus der Portokasse“ bezahlen, wie kritische Stimmen vielfach monieren. Eine Präventivwirkung des Gesetzes entfällt deshalb weitgehend. Und das, obwohl Unternehmen und Verbände mehr Einfluss auf die Gesellschaft ausüben als einzelne Personen, und ihre Straftaten weitaus größere Schäden anrichten: „Es erscheint befremdlich, dass ein einfacher Fahrraddiebstahl eine Straftat darstellt, während kriminogene Aufsichtsmängel in einem Konzern ‚nur‘ als Ordnungswidrigkeiten mit einem Bußgeld belegt werden können.“ (2)

Ein weiteres wesentliches Defizit besteht darin, dass bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten bislang nicht das Legalitäts- sondern das Opportunitätsprinzip greift. Im ersten Fall sind Staatsanwaltschaften gezwungen, bei einem Anfangsverdacht zu ermitteln, im letzteren liegt es in ihrem Ermessen, ob sie aktiv werden wollen oder nicht. Mangels Personal und eigener Fachkenntnisse schrecken in der Folge viele Staatsanwaltschaften vor Verfahren gegen Unternehmen zurück, da ihnen unter anderem die oftmals verschleierten Verantwortungs- und Entscheidungsstrukturen von Unternehmen die Arbeit erschweren und der hohe Ermittlungsaufwand im Verhältnis zu den relativ schwachen Sanktionen kaum vertretbar erscheint. (3)

Kritiker des Ist-Zustandes erwarten deshalb nur von harten Sanktionen eines Unternehmensstrafrechts einen spürbaren präventiven Effekt, da angenommen werden darf, dass Unternehmen rational betriebswirtschaftlich vorgehen. (4) Denn Unternehmenskriminalität ist „kalkulierte Kriminalität“. (5) Die Frage der Gesetzestreue verengt sich aus dieser Sicht in der Wirtschaft zu einer Kosten-Nutzen-Rechnung, das heißt das Entdeckungsrisiko und die zu erwartenden Sanktionen werden dem erhofften Vorteil gegenübergestellt.

Tatsächlich will die Bundesregierung jetzt endlich das Sanktionsrecht für Unternehmen reformieren. Im Koalitionsvertrag vom März 2018 hatten Union und SPD bereits vereinbart, sicherzustellen, „dass bei Wirtschaftskriminalität grundsätzlich auch die von Fehlverhalten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern profitierenden Unternehmen stärker sanktioniert werden“. Justizministerin Lambrecht (SPD) legte, wenn auch reichlich spät, am 23. August 2019 einen neuen Gesetzentwurf vor, der für die Öffentlichkeit noch unter Verschluss gehalten wird (Stand: 23.8.2019). Für die Ermittlungsbehörden wird eine Verpflichtung zur Strafverfolgung eingeführt. Den Begriff „Unternehmensstrafen“ diskret meidend, sollen laut Medienberichten Unternehmen künftig bis zu zehn Prozent ihres Umsatzes als Geldsanktion bezahlen, wenn eine „Leitungsperson“, so der Entwurf, eine vorsätzliche Straftat begeht. Vorgesehen ist allerdings auch, Sanktionen lediglich „unter Vorbehalt“ zu verhängen, wenn etwa das Unternehmen verspricht, strenge Compliance-Regeln einzuführen. Strafmildern kann danach wirken, wenn Unternehmen interne Untersuchungen anstellen und dabei mit der Staatsanwaltschaft kooperieren (vgl. Christian Rath, „Kriminelle Konzerne sollen zahlen“, in: taz vom 23.8.2019).

Summa summarum bleibt festhalten, dass ein Unternehmensstrafrecht als sinnvolle Ergänzung des Individualstrafrechts als wirklich „scharfes Schwert“ nur funktionieren kann, wenn es denn tatsächlich hinsichtlich krimineller Geschäftsführungspraktiken präventiv wirkt. Ob die geplanten Verschärfungen des vom Bundesjustizministerium auf den Weg gebrachten Gesetzes wirklich kriminalitätsdämpfende Wirkungen entfalten werden, bleibt abzuwarten. Wenn Regierung und Gesetzgeber eine Politik der Deregulierung betreiben, sich aber im Nachhinein und auf Druck von außen vorsichtig für ein Strafrecht ins Zeug legen, um billigend in Kauf genommene kriminelle Effekte ihrer eigenen Politik zu mildern, darf das durchaus positiv bewertet werden. Mit einer „Bekämpfung“ der destruktiven Logik der kapitalistischer Marktwirtschaft hat die Einführung eines Unternehmensstrafrechts allerdings nichts zu tun. Und an der „Interessenkonformität der großen Konzerne mit den politischen Entscheidungsträgern“ (Thilo Bode) und der rechtlichen Privilegierung der Konzerne ändern die geplanten strafrechtlichen Maßnahmen grundsätzlich auch nichts.

Anmerkungen:

(1) Süddeutsche Zeitung vom 2. August 2019

(2) Kölner Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes, Köln, 2017, Seite 13

(3) vgl. Antrag der Bundestagsfraktion Die Linke: „Deutschland braucht ein Unternehmensstrafrecht“, Drucksache 19/7983, 21. Februar 2019, Seite 4

(4) So fordert beispielsweise Die Linke als oppositionelle Fraktion im Bundestag in ihrem Antrag unter anderem Geldsanktionen, die sich an der Wirtschaftskraft des Unternehmens und dem begangenen Unrecht orientieren, nach Begehung von Straftaten Unternehmen von öffentlichen Aufträgen und öffentlichen Geldern auszuschließen, als letztes Mittel sogar Betriebsschließungen und die Auflösung von Unternehmen.

  • Christoph Kathollnig: Unternehmensstrafrecht und Menschenrechtsverantwortung, Wien/Graz, 2016, Seite 55

Der Autor
Joachim Maiworm
ist Mitglied der Redaktion von BIG Business Crime. Sein Artikel ist in der BIG-Beilage zur Zeitschrift „Stichwort BAYER“ Nr. 4/2019 erschienen.

Kampf um Steuerschlupflöcher

Der Verein LobbyControl hat eine Protestaktion gestartet: Gegen einen „neuen Lobby-Coup“ der großen Immobilienkonzerne. Denn die wollen die Besteuerung sogenannter Share Deals stoppen, wie es in einem Newsletter des Vereins vom 26. September 2019 heißt.

 

Bei Share Deals geht es nicht um den Verkauf einer Immobilie, sondern der Anteile an einer Firma, welche diese Immobilie im Besitz hält. Kritik und Protest gegen diese Vorgehensweise richten sich vor allem dagegen, dass Share Deals von Unternehmen als Steuerschlupflöcher genutzt werden, um Grunderwerbsteuer zu sparen. Weil sich Investoren auf diese Weise in den letzten Jahren massiv in Immobilien eingekauft haben, entgehen dem Staat dabei jährlich rund eine Milliarde Euro Steuergeld.

Im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD heißt es noch, dass „effektive und rechtssichere gesetzliche Regelungen“ umgesetzt werden sollen, „um missbräuchliche Steuergestaltungen bei der Grunderwerbsteuer mittels Share Deals“ beenden zu können (Seite 110). Doch ein von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) vorgelegter Gesetzentwurf („Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes“) von Ende Juli 2019 kommt den Konzernen offensichtlich weit entgegen – die Schließung des Steuerschlupflochs droht zu scheitern.

In dem Newsletter von LobbyControl heißt es dazu:

„Denn ursprünglich war die Share Deals-Reform als Teil des Jahressteuergesetzes geplant. Solche Gesetzespakete werden normalerweise von den Regierungsparteien nicht wieder aufgeschnürt. Doch dann löste das Finanzministerium die Share Deals aus dem Paket heraus – ohne Begründung. Dadurch kann die Reform nun vollends entkernt werden. (…) Börsennotierte Unternehmen sollen nach Beschluss des Bundesrats von jeglicher Verschärfung der Share-Deals-Regelung verschont bleiben. Das heißt: Steuerfreiheit ausgerechnet für Konzerne wie Vonovia und Deutsche Wohnen, die größten Profiteure der Wohnungskrise.“ 

Das Gesetz soll Ende Oktober im Bundestag beschlossen werden. Und der Druck der Lobbyisten wird bis dahin gewiss nicht nachlassen.

Der Appell von LobbyControl:

https://www.lobbycontrol.de/2018/08/wohnen-aktion/

Menschenhandel in der Bauwirtschaft als Geschäftsmodell

Im Kampf gegen Schwarzarbeit im Baugewerbe haben am 21. August 2019 über 1.900 Bundespolizisten und Zollfahnder in Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt mehr als 80 Baustellen, Geschäftsräume, Steuerberaterbüros, Wohnungen und Sammelunterkünfte durchsucht. Bei den Kontrollen ging es vor allem um die Beschlagnahmung von Akten, das Sichern von Dateien auf Smartphones, Festplatten und weiteren Datenträgern. Der Schaden beträgt nach offiziellen Angaben mindestens 1,7 Millionen Euro.

186 Personen sollen laut Presseberichten vernommen worden sein, festgenommen wurde aber niemand. Alle 41 Hauptzollämter in Deutschland waren an der Aktion beteiligt. Das Zollkriminalamt, die Ausländerbehörde und die Bundespolizei unterstützten die Großrazzia. Das federführende Hauptzollamt Berlin teilte mit, dass sich die Ermittlungen vor allem gegen den Tatverdacht des „Menschenhandels zur Arbeitsausbeutung“ sowie des „bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern“ richteten. Auch sei Hinweisen auf Sozialversicherungsbetrug und Verstößen gegen das Mindestlohngesetz nachgegangen worden.

Zum Ergebnis der Ermittlungen im Jahr 2018: „Im vergangenen Jahr war die Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Berliner Hauptzollamts bei rund 1.600 Prüfungen wegen Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung im Einsatz, das waren rund 100 Fälle mehr als 2017. Dabei wurden 4.100 Ermittlungsverfahren eingeleitet sowie Buß- und Verwarnungsgelder in Höhe von rund 1,4 Millionen Euro verhängt. Die Schadenssumme lag den Angaben zufolge bei 88,6 Millionen Euro. Neben dem Baugewerbe waren damals nach Zollangaben vor allem Hotels, Gaststätten, Speditionsfirmen sowie Reinigungsunternehmen überprüft worden.“ (Süddeutsche Zeitung vom 21.8.2019)

Nikolaus Landgraf, Regionalleiter der IG Bau, Agar und Umwelt Berlin-Brandenburg äußerte Zustimmung für die Aktion. So suchten angesichts des aktuellen Booms in der Bauwirtschaft viele Unternehmer nach Personal, versuchten aber die Kosten zu drücken und ließen verstärkt Scheinselbstständige und illegale Beschäftigte unter zum Teil menschenunwürdigen Konditionen arbeiten. Ein mafiaartig organisiertes Netzwerk sei so entstanden, das mit illegalen Vermittlungsfirmen zusammenarbeite und Billigarbeitskräfte auf den Baustellen hin- und herschiebe. Vor allem ging es dabei um Menschen aus Südosteuropa und der früheren Sowjetunion.

Auch die Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg lobte den Großeinsatz. Durch Schwarzarbeit gingen dem Staat jedes Jahr Milliarden an Steuereinnahmen und Sozialversicherungsabgaben verloren, teilte die Hauptgeschäftsführerin des Verbandes mit. Schwarzen Schafen auf dem Bau müsse klar sein, dass Verstöße konsequent geahndet würden. Schwarzarbeit sei das „Krebsgeschwür der Bauwirtschaft“.

Dass wirtschaftskriminelles Handeln struktureller Bestandteil des „Immobilienverwertungskonsortiums aus Bauwirtschaft, Banken und Politik“ (Wolf Wetzel), sprich der „Immobilienmafia“, ist ‒ dazu äußerte sich die Sprecherin der Interessenvertretung der mittelständischen Bauwirtschaft in Berlin und Brandenburg jedoch nicht.

Quellen:

Tomas Morgenstern, „Großrazzia gegen Schwarzarbeit“, in: Neues Deutschland vom 21.8.2019

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1124656.illegale-beschaeftigung-grossrazzia-gegen-schwarzarbeit.html?sstr=schwarzarbeit

Ralf Wurzbacher, „Goldgrube Menschenhandel“, in: Junge Welt vom 23.8.209

https://www.jungewelt.de/artikel/361338.arbeitsausbeutung-goldgrube-menschenhandel.html?sstr=goldgrube

„Gegen Schwarzarbeit: Baustellen, Büros, Wohnungen durchsucht“, in: Süddeutsche Zeitung vom 21.8.2019

https://www.sueddeutsche.de/panorama/kriminalitaet-berlin-gegen-schwarzarbeit-baustellen-bueros-wohnungen-durchsucht-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-190821-99-544675

„FG Bau begrüßt Großrazzia gegen Schwarzarbeit“, Pressemitteilung der Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg vom 21.8.2019

https://fg-bau.de/news-veranstaltungen/pressemitteilungen/einzelansicht/news/fg-bau-begruesst-grossrazzia-gegen-schwarzarbeit/?tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&cHash=2d7e14d0caec1ecd70eb4e05e6e6b589

Unternehmensverantwortung und Menschenrechte: Bündnis fordert „Lieferkettengesetz“

Vor sieben Jahren kamen bei einem Brand in einer KiK-Zulieferfabrik in Pakistan 258 Menschen ums Leben. Der Brandschutz dort war mangelhaft, der deutsche Textil-Discounter als Hauptkunde fühlte sich offenkundig für die Arbeitsbedingungen nicht zuständig. Aus Anlass diese Jahrestages startete nun ein Bündnis eine bundesweite Kampagne.

In einer Mitteilung der „Initiative Lieferkettengesetz“ vom 10. September 2019 heißt es: „Dieser Fabrikbrand ist kein Einzelfall: Immer wieder kommt es in den Lieferketten von deutschen Unternehmen zu Ausbeutung und Umweltzerstörung. Damit sich das endlich ändert, setzt sich mit der Initiative Lieferkettengesetz ein Bündnis aus 64 zivilgesellschaftlichen Organisationen für einen gesetzlichen Rahmen ein.“

Deutsche Unternehmen sollen danach gesetzlich zur Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards verpflichtet werden. Um die Bundesregierung zum Handeln zu bewegen, wurde eine Petition gestartet, in der das Bündnis von der Bundeskanzlerin fordert, bis 2020 ein entsprechendes Gesetz auf den Weg zu bringen. Danach müssten Unternehmen „geeignete Maßnahmen ergreifen, um Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen in ihrem Geschäftsbereich zu vermeiden. Bei Schäden an Menschen und Umwelt könnten Unternehmen haftbar gemacht werden“.

Einige Fallbeispiele auf der Webseite der Initiative belegen, wie weltweit Mensch und Natur „unter den gewissenlosen Geschäften deutscher Unternehmen“ leiden.

Quellen:

https://lieferkettengesetz.de/

Bernd Müller: „Opfer der Lieferkette“, in: Junge Welt, 12.9.2019

https://www.jungewelt.de/artikel/362645.produktion-opfer-der-lieferkette.html?sstr=lieferkette

 

 

Transnationale Antikorruptionsbewegung

Die Ausgabe der linken Monatszeitung ak (Analyse & Kritik) vom 20. August 2019 widmet ihren Schwerpunkt dem „Aufstieg der transnationalen Antikorruptionsbewegung“. Unter anderem werden folgende Leitfragen gestellt: „Was firmiert im öffentlichen Diskurs unter ‚Korruption‘ und wie lassen sich die dahinter stehenden Phänomene aus linker Perspektive analysieren? Warum übersetzt die Rechte Korruptionsskandale so viel erfolgreicher in politische Macht als die Linke? Haben auch ‚unpolitische‘ Anti-Korruptions-Proteste einen sozialen Kern, den die Linke freilegen muss?“

ak-Redakteurin Hannah Schultes analysiert einleitend das Verständnis von Korruption in seiner internationalen Dimension. Unter anderem verweist sie auf die legalen Formen von Korruption, die es „trotz der vorhandenen diskursmächtigen Antikorruptionsindustrie“ gäbe. Als Beispiel führt sie die Schlupflöcher im Steuerrecht an, die den „Steuerraub durch sogenannte Cum-Cum- und Cum-Ex-Geschäfte“ ermöglichten. Die Verletzung des Rechts erschienen in der Regel skandalöser als der „systematische Einfluss von Kapitalinteressen auf die gesetzliche Ebene“. Das vorherrschende Korruptionsverständnis dränge demnach den alltäglichen „legitimen Lobbyismus“ in den Hintergrund.

Wie neoliberale bzw. rechtskonservative und -populistische Kräfte das Phänomen der Korruption in Schwellenländern, Ländern des „Südens“ und postsozialistischen Staaten politisieren, wird in den folgenden Artikeln exemplarisch an der Situation in Brasilien, Haiti und Rumänien dargestellt.

Mario Schenk, Brasilien-Kenner und Wissenschaftler an der FU Berlin, zeigt auf, dass der Wahlerfolg Bolsonaros nicht zuletzt auf eine Dämonisierung der ehemaligen Regierungspartei PT und des linken Ex-Präsidenten Lula basiert. Das Versprechen, Kriminalität und Korruption zu bekämpfen, brachte Bolsonaro an die Macht, Lula und die PT wurden zum Zentrum der Korruption erklärt (u.a. im Zusammenhang mit der Auftragsvergabe durch den staatlichen Erdölkonzern Petrobas). „Heute scheint klar“, so der Autor, „dass Bolsonaro die Präsidentschaft einem wahren Justiz-Komplott gegen den aussichtsreicheren Kandidaten Lula verdankt“. Claire Antone Payton (University of Virginia) beschreibt die massive Regierungskorruption bei öffentlichen Bauprojekten in Haiti und wie „internationale Großmächte“ sich ihren Einfluss über korrupte Strukturen in dem Karibikstaat sichern. Alexandra Ghit (Geschlechterforscherin und Autorin für das linke Online-Magazin LeftEast) erläutert, dass der vorherrschende Anti-Korruptions-Diskurs in Rumänien neoliberal geprägt ist und mit Law-and-Order-Forderungen verknüpft wird.

 

Quelle:

 ak 651 vom 20.8.2019

 https://www.akweb.de/

 

Demokratisierung der Wirtschaft – zentraler Hebel gegen Kapitalkriminalität?

            „Die Begrenztheit des Demokratiebegriffs der Kapitalseite wird vor allem deutlich,
wenn man ihr Verhältnis zum sozialen Rechtsstaat untersucht.
Daß dieser Rechtsstaat nach dem Grundgesetz ein sozialer und demokratischer ist,
wird akzeptiert. Aber nur, wenn der Demokratieanspruch nicht an die Wirtschaft
selbst gerichtet ist. Dies ist die bedingungslose Voraussetzung
der Kapitaleigner zur Anerkennung der Demokratie überhaupt.“ (1)

 

Die repräsentative Demokratie steht gegenwärtig massiv unter Druck. Auf der einen Seite nutzen rechtsautoritäre Kräfte den Frust vieler Menschen über „die Politik“ für ihre politischen Ziele, auf der anderen Seite wird immer deutlicher, dass die wirklich wichtigen politischen Entscheidungen von Akteuren bestimmt werden, die über keine politische Legitimation verfügen und in der Regel für die Öffentlichkeit unsichtbar bleiben. Da wirtschaftliche Macht in politischen Einfluss mündet, stellt die Demokratie für die ökonomischen Machtzentren, die sich auf politisch-industrielle Netzwerke stützen können, tatsächlich keine Gefahr dar. So wird das bürgerliche Ideal der politischen Gleichheit aufgrund der eigentumsbasierten ökonomischen Machtverteilung schlicht ad absurdum geführt. Wer also tatsächlich mehr Demokratie in der gesellschaftlichen und politischen Sphäre will, muss deshalb auch daran interessiert sein, die Macht der Wirtschaft so weit wie möglich zu beschränken.

Deshalb wird die Eigentumsfrage ‒ wie in Ansätzen heute bereits ‒ die zukünftigen Auseinandersetzungen immer stärker prägen. Denn die Befehlsgewalt der Kapitaleigner bzw. der Geschäftsführungen über die Organisation des Arbeits- und Produktionsprozesses basiert schließlich auf dem Recht auf Eigentum an Produktionsmitteln. So wird die Demokratisierung der „demokratiefreien“ Wirtschaft zu einer Schlüsselfrage, um den autoritären Kapitalismus bei seiner Entfaltung zu behindern oder gar zu stoppen.

Es zeigt sich jedoch ein weites Spektrum an Ideen und Praktiken, die unter dem Begriff der Wirtschaftsdemokratie gefasst werden können. Sollte aus historischer Sicht das Konzept gemäß gewerkschaftlicher Vorstellungen den Weg zum Sozialismus ebnen, verengte sich in der Folge unter dem Druck der Kapitalseite die Perspektive zunehmend auf die Institutionen der Mitbestimmung (die selbst permanent und massiv von Wirtschaftsverbänden und Unternehmen unter Beschuss genommen werden). Den Gegenpol bilden seit vielen Jahren Theorie und Praxis einer „Solidarischen Ökonomie“, die auf den Willen der Menschen gründet, selbst zu entscheiden, was sie für wen herstellen und wie sie dies tun. Diese Vorstellung von wirtschaftlicher Demokratie auf Basis einer Kultur der Kooperation reicht also deutlich weiter als die gewerkschaftlichen Ansätze, die sich auf die Mitbestimmung der Beschäftigten in gewinnorientierten Unternehmen beschränken.

Als gemeinsame politische Anknüpfungspunkte, die eine Klammer der unterschiedlichen Aktivitäten für eine Demokratisierung der Wirtschaft bilden können, bieten sich somit zum einen die verschiedenen Kämpfe gegen den Demokratieabbau an: in den Betrieben (gegen prekarisierte Arbeitsverhältnisse) und in den Kommunen (gegen die Privatisierung der Daseinsvorsorge und die Verbetriebswirtschaftlichung landeseigener Unternehmen; Kampf gegen die Immobilienmafia aus Bauwirtschaft, Banken bzw. Kapitalorganisationen und Politik). Zum anderen sind die vielfältigen Formen eines „anderen Wirtschaftens“ (Gemeinwohlökonomie) zu fördern, das heißt alle Bereiche zu stärken, die auf Muster kooperativen Handelns setzen und nicht der Profitwirtschaft unterliegen.

Es fehlt also nicht an bereits bestehenden Konfliktfeldern, an denen angedockt werden könnte. Die Idee, das Wirtschafts- und Arbeitsleben radikal zu demokratisieren, ist wieder hochaktuell – auch wenn sie vielleicht zurzeit nur der kleinste gemeinsame Nenner auf der Suche nach Alternativen zur neoliberalen „Demokratie“ ist.

            „Eine Frage zum Schluss: (…) Wie wäre es, wenn wir uns die Definitionsmacht
darüber, was legitimerweise unter Wirtschaft verstanden werden kann, aneignen?
Wenn wir das, was gemeinhin unter Wirtschaft verstanden wird,
nicht mehr hinnehmen, sondern stattdessen darauf bestehen,
dass Wirtschaft dazu da sein muss, die Bedürfnisse aller Menschen auf
dieser Erde zu befriedigen, und dass dies eine Frage der Demokratie
und Menschenrechte ist? Müssten wir dann nicht aufhören,
die herrschende Ökonomie als Wirtschaft zu bezeichnen,
und stattdessen im Klartext sagen, dass es sich dabei
um Verbrechen handelt?“  (2)

 

Anmerkungen:

(1) Hans See: „Können wir Menschen gleichberechtigt zusammenarbeiten oder brauchen wir Chefs und Eigentümer? Erfahrungen bei der Glashütte Süßmuth GmbH“, in: Friedrich Heckmann/Eckart Spoo (Hg.): Wirtschaft von unten. Selbsthilfe und Kooperation, Heilbronn, 1997, S. 68

(2) Elisabeth Voß: „Solidarische Ökonomie“, in: Motz (Berliner Straßenmagazin), Ausgabe vom 8.5.2013, S. 5

 

Der Autor Joachim Maiworm
lebt und arbeitet in Berlin. Er ist Mitglied der Redaktion von BIG Business Crime.

 

 

Usedom-Krimi

Die Mühlen der Justiz mahlen im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern langsam, dafür manchmal auch gerecht. Innenminister Lorenz Caffier (CDU) unterlag am 13. August 2019 vor dem Landgericht Stralsund mit einer Klage auf Unterlassung und Zahlung von 2000 Euro Schmerzensgeld dem SPD-Mitglied Günter Jikeli. Dieser darf auch weiterhin behaupten, der Innenminister habe sich 2011 auf rechtswidrige Weise am Nepperminer See auf der Ferieninsel Usedom die Baugenehmigung für ein Ferienhaus verschafft.

Der CDU-Politiker hatte sich durch diese Behauptung diskreditiert gefühlt und geklagt. Die Richter sahen den Sachverhalt anders. Jikelis Behauptung habe zwar die Persönlichkeitsrechte des Ministers berührt, doch das Recht auf freie Meinungsäußerung wiege schwerer.

Ob der CDU-Politiker sich nun tatsächlich rechtswidrig eine Baugenehmigung inmitten eines Naturschutzgebietes verschafft hatte, war allerdings nicht Gegenstand des Verfahrens. Die Umweltschutzorganisation BUND fordert jedenfalls schon jetzt den Abriss des betreffenden sowie dreier weiterer Ferienhäuser.

Quelle: Ostsee-Zeitung.de vom 13. August 2019

 

 

Kollegiales Brevier

Gedanken und Vorschläge zur Gestaltung politischer Schriften

Politisch interessierte und zugleich engagierte Menschen sind oft ziemlich ratlos, wenn sie zum wiederholten Male feststellen müssen, dass sich viele Mitbürger*innen anscheinend kaum noch über die systematische Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen aufregen. Um das zu ändern, versuchen die Unermüdlichen unter ihnen, wenigstens die schlimmsten Machenschaften aufzudecken, indem sie Petitionen starten, (Volks-)Initiativen ins Leben rufen, Demos organisieren und/oder Vereine gründen.

Bestandteil all dieser aufklärerischen und widerständigen Bemühungen ist die Weiterverbreitung unterdrückter Informationen und die schriftliche Darlegung von Argumenten und Schlussfolgerungen. (Die Verbreitung von Propagandaschriften der radikalen Rechten klammere ich hier ganz bewusst aus.) Am Ende aller Bemühungen, größere Bevölkerungsgruppen aufzuklären und gegen die aufgezeigten Missstände zu mobilisieren, steht aber oft die frustrierende Erfahrung, dass die zu diesem Zweck verfassten Artikel und Bücher zumeist nur diejenigen erreichen, die ohnehin schon gut informiert sind.

Bei der Betrachtung der für das leider zunehmende Desinteresse an linksorientierten Argumenten häufig genannten Gründe fällt schnell auf, dass der Fokus auf dem nicht erreichten Publikum liegt. Allerdings geht es dabei nicht so sehr um direkte Beschuldigungen, sondern vielmehr um den Versuch, das Verhalten großer Teile der Bevölkerung als zwangsläufige Folge des neoliberalen Siegeszuges zu interpretieren. Hierzu einige Beispiele:

  • In unserem derzeitigen Schul- und Bildungswesen wird eigenständiges Denken und Handeln eher bestraft als gefördert.
  • Die Menschen werden dermaßen mit seichten Unterhaltungsangeboten überschwemmt, dass sie zu einem Verständnis anspruchsvollerer Inhalte schon gar nicht mehr in der Lage sind.
  • Die diversen Selbstoptimierungswellen haben dazu geführt, dass das Denken vieler Menschen nur noch um ihr Aussehen beziehungsweise ihr Erscheinungsbild kreist.
  • Die permanenten (nicht nur elektronischen) Reizüberflutungen verhindern ein längerfristiges Verweilen bei ein- und demselben Gegenstand.
  • Vor diesem Hintergrund durchbrechen nur noch Angst auslösende Signale das politische Desinteresse und befördern zugleich das Verweilen in den hierauf bezogenen „Filterblasen“.
  • Der tägliche Überlebenskampf der Geringverdiener und prekär Beschäftigten ist so kräftezehrend, dass eine Beteiligung am politischen Diskurs praktisch ausgeschlossen ist.
  • Die völlig Abgehängten haben mit ihren Perspektiven auch jede Würde und Selbstachtung verloren, was sie für gemeinschaftsschädliche Heilsversprechungen empfänglich macht.

Die Plausibilität der hier skizzierten Erklärungsversuche kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch selbst verursachte Gründe für die mangelnde Aufmerksamkeit gibt, von der nicht zuletzt jene Schriften betroffen sind, die sich explizit dem Gemeinwohl beziehungsweise den Belangen der weniger privilegierten Bürger*innen verpflichtet fühlen. Um es noch drastischer auszudrücken: Nicht selten sind ausgerechnet die aufklärerisch gemeinten Texte in einer elitären und damit abstoßenden Sprache verfasst.

Dabei gibt es meines Erachtens so etwas wie eine „intellektuelle Bringschuld“. Wer in seinem Leben eine gute (Aus-)Bildung genießen durfte, kann nicht einfach erwarten, dass diejenigen, denen es nicht so ergangen ist, bereit sind, sich nur deshalb mit schwer verständlichen Texten abzuquälen, weil es darin um eine Verbesserung ihrer Lebenssituation geht.

Umgekehrt kann aber von gut ausgebildeten Menschen, die es mit ihrem Anliegen ernst meinen, durchaus erwartet werden, dass sie sich um sprachliche Vereinfachungen bemühen. Wie so etwas gelingen könnte, soll hier in Form eines kleinen „kollegialen Breviers“ vorgestellt werden:

a)        Seid euch stets dessen bewusst, dass viele derjenigen, die ihr erreichen wollt, kaum Zeit haben und schon allein deshalb keine langen Texte lesen können.

b)        Greift beim Schreiben eurer Texte unbedingt die Fragen auf, die für die jeweiligen Betroffenen momentan im Mittelpunkt stehen.

c)         Drückt euch so verständlich und kurz wie möglich aus, auch wenn ihr dafür gegebenenfalls auf interkollegiale Hochschätzung verzichten müsst.

d)        Bemüht euch außerdem um eine Verdichtung der Kernaussagen zu zündenden Slogans, die aber eindeutig und sachlich richtig sein müssen.

e)        Fazit: Erhöht die potenzielle Wirksamkeit eurer Botschaften dadurch, dass ihr „Leserfreundlichkeit“ und zutreffende Inhalte miteinander kombiniert

f)         Scheut euch nicht vor der Verwendung ungewöhnlicher Darstellungsformen wie einst, als Fabeln oder Schwänke Träger widerständiger Gedanken waren.

Die Autorin

Magda von Garrel ist Sonderpädagogin und Diplom-Politologin

Immobilienkonzerne unterlaufen Mietregulierung

Seit über vier Jahren gilt mittlerweile das Gesetz zur Mietpreisbremse. Sie legt fest, dass die Wohnungsmiete bei einer Neuvermietung maximal 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf. Der Berliner Mieterverein geht nach eigenen Recherchen allerdings davon aus, dass große Wohnungsunternehmen wie Vonovia und Deutsche Wohnen mit hoher Wahrscheinlichkeit weiterhin gegen die Regulierung verstoßen. Der Verein hatte zuletzt am Beispiel zahlreicher Wohnungen in verschiedenen Berliner Bezirken herausgefunden, dass die beiden größten deutschen börsennotierten Immobilien AGs bei Neuvermietungen mehr Geld verlangen als gesetzlich erlaubt. Beide Unternehmen sind aktuell bemüht, gegen ihr stark ramponiertes Image in der Öffentlichkeit anzugehen. Neben einer Vielzahl von Mieterprotesten in der Vergangenheit setzen ihnen zurzeit die von Berlin ausgehende Enteignungsdebatte sowie die Diskussionen um den Berliner „Mietendeckel“ stark zu. Die Deutsche Wohnen hatte deshalb jüngst eine eigene zeitlich befristete Mieten-Obergrenze angekündigt (keine Mieterhöhung, wenn ein Haushalt mehr als 30 Prozent seines Nettoeinkommens für die Nettokaltmiete aufwenden muss). Vonovia will der Kritik unter anderem mit einer Wohngarantie für Mieter ab 70 Jahren und einer Begrenzung der Mieterhöhung nach Modernisierungen entgegentreten (maximal zwei Euro pro Quadratmeter). Die Meldung über den angenommenen Mietenbetrug kommt ihnen deshalb sehr ungelegen. Beide Konzerne wiesen den Vorwurf der systematischen Missachtung gesetzlicher Vorschriften umgehend zurück.

 

Quellen:

Berliner Mieterverein: „Vonovia und Deutsche Wohnen. Massive Verstöße gegen die Mietpreisbremse“, Pressemitteilung Nr. 26/2019

https://www.berliner-mieterverein.de/presse/pressearchiv/vonovia-und-deutsche-wohnen-pm1926.htm

 Nicolas Šustr, „Für Mieter wird nicht gebremst“, in: Neues Deutschland, 12. Juli 2019

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1122803.mietpreisbremse-fuer-mieter-wird-nicht-gebremst.html?sstr=vonovia

 

 

 

Massiver Wirtschaftsbetrug: Millionen weiterhin um Mindestlohn geprellt

Vor fünf Jahren (am 3. Juli 2014) stimmte der Bundestag dem „Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (MiLoG)“ zu. Mit Wirkung zum 1. Januar 2015 wurde damit in Deutschland eine gesetzliche Lohnuntergrenze eingeführt. Damals betrug er 8,50 Euro brutto pro Stunde, derzeit liegt er bei 9,19 Euro. Verdi und DGB gehen jedoch davon aus, dass bis zu 2,9 Millionen Menschen um ihren Mindestlohn betrogen werden.

Nach Angaben des DGB-Vorsitzenden für Berlin und Brandenburg, Christian Hoßbach, sind zwar viele Menschen als Teilzeitbeschäftigte oder Minijobber*innen angemeldet, arbeiten aber tatsächlich viel länger und bekommen „dafür dann irgendwas Cash auf die Hand“. Hoßbach zufolge wird der Mindestlohn oft umgangen, da Arbeitszeiten nicht vollständig erfasst werden. Im Hotel- und Gaststättengewerbe seien die Verstöße besonders zahlreich. Der Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) für Berlin und Brandenburg, Sebastian Riesner, bestätigt diese Einschätzung. Im Bereich der Zimmerreinigung in den Hotels würden die Kolleginnen anstelle eines Stundenlohns den sogenannten Stücklohn bekommen, also pro gereinigtem Zimmer bezahlt werden, wobei der gesetzliche Mindestlohn unterschritten werde. 

Aber auch der aktuelle Mindestlohn von 9,19 Euro pro Stunde ist nicht existenzsichernd und reicht selbst nach einem langen Erwerbsleben nicht für eine Rente oberhalb des Grundsicherungsniveaus. Arbeitsmarktexperte Thorsten Schulten von der Hans-Böckler-Stiftung warnt deshalb vor dem wachsenden Niedriglohnsektor in Deutschland. „Wir gehen davon aus, dass etwa knapp ein Viertel aller Beschäftigten in diesem Niedriglohnsektor* arbeitet. Daran hat jetzt auch der Mindestlohn wenig geändert, weil er eben noch relativ niedrig festgelegt ist.“ Die Hans-Böckler-Stiftung empfiehlt eine Anhebung auf 12,63 Euro pro Stunde.  

*Anmerkung: Die Niedriglohnschwelle liegt zurzeit bei 10,60 Euro.

 Quelle:
rbb-Inforadio, 3 Juli 2019
vgl. auch: „Der Mindestlohn wird millionenfach umgangen“, in: BIG 1/2018
http://bcc.businesscrime.de/?s=mindestlohn

 

 

 

 

Tag der Immobilienwirtschaft

 

Unter dem Motto „Miteinander statt gegeneinander“ fand am 27. Juni 2019 in Berlin der jährliche Immobilientag des Zentralen Immobilienausschusses (ZIA) statt. Der ZIA ist der wichtigste Lobbyverband der Branche und bündelt die Interessen seiner Mitglieder gegenüber Öffentlichkeit, Politik und Verwaltung. Nach eigener Aussage spricht er für insgesamt 28 Verbände und 37.000 Unternehmen. Der ZIA betont in seiner Selbstdarstellung seine kapitalmarktorientierte Ausrichtung und teilt mit, dass er mit seinen Mitgliedsunternehmen die gesamte Wertschöpfungskette der Immobilienwirtschaft abbildet und diese mit Vertreter*innen von Wirtschaft, Politik und Wissenschaft vernetzt (vgl. auch BIG Extra, Mai 2019, Seite 19-21).

Als prominente Gäste der Veranstaltung traten deshalb auch in diesem Jahr verschiedene Spitzenpolitiker*innen auf: Svenja Schulze (SPD, Bundesumweltministerin), Andreas Scheuer (CSU, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur), Ralph Brinkhaus (CDU-Fraktionschef im Bundestag), Christian Lindner (FDP-Fraktionschef im Bundestag), Marco Wanderwitz (parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium) und Oliver Wittke, parlamentarischer Staatssekretär, in Vertretung für den verhinderten Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU).

Über 2.000 „Entscheider*innen“ nutzten die Gelegenheit, ihre Kontakte mit Vertreter*innen aus Politik und Wirtschaft zu intensivieren. Einigkeit bestand weitgehend darin, dass bereits vorsichtige staatliche Regulierungsversuche Investoren abschrecken und sich negativ auf die Stadtentwicklung auswirken würden. In seiner Eröffnungsrede spottete denn auch ZIA-Präsident Andreas Mattner (CDU) darüber, dass „in der ehemaligen Hauptstadt der DDR wieder über Enteignung und Mietendeckel gestritten“ werde. Zugeben musste er jedoch, dass sich das Image der Branche in den letzten Jahren zunehmend verschlechtert hat. Als Reaktion auf diese Verschlechterung ist zu werten, dass Mattner die Bedeutung der Immobilienwirtschaft für die Erreichung der Klimaziele der Bundesregierung unterstrich. Nur durch die energetischen Gebäudesanierungen seien die gemeinwohlorientierten Ziele überhaupt erreichbar. Dass in der Konsequenz dieser Sanierungen dann zum Teil exorbitante und profitmaximierende Mietpreissteigerungen anfallen, verschwieg der Oberlobbyist.

Der Immobilientag demonstriert Jahr für Jahr den engen Schulterschluss zwischen dem Spitzenverband der gesamten Immobilienwirtschaft und der Bundes-, Länder- und Kommunalpolitik. Folgt die Politik ausnahmsweise mal nicht den „Empfehlungen“ der Immobilienlobby beispielsweise hinsichtlich Steuerrecht und Vereinfachung bei Planungs- und Baugenehmigungsverfahren, wird eine schärfere Ansprache gewählt und die „Systemrelevanz“ betont. So zeigte sich ZIA-Präsident Mattner jüngst einmal mehr verärgert: „Es scheint aus dem Blick geraten zu sein, dass die Politik auf die Akteure aus der Wirtschaft angewiesen ist, will sie die Herausforderungen stemmen.“ (Vorwort zum Frühjahrsgutachten 2019 des Rats der Immobilienweisen)

Mit Blick auf die Regelung des sogenannten Berliner Mietendeckels (keine Mieterhöhungen für die Dauer von fünf Jahren und für nicht preisgebundene Wohnungen) hatte der ZIA bereits zuvor von einem „fatalen Signal“ gesprochen (Pressemitteilung vom 6. Juni 2019). Niclas Karoff, Sprecher der ZIA-Region Ost, führte die üblichen Argumente der Immobilienwirtschaft an: Potenzielle Investoren würden verschreckt, Modernisierungen von Bestandswohnungen verhindert und als dessen Folge mehr Wohnungen verwahrlosen. Zudem hatte ein Staats- und Verfassungsrechtler in einem vom ZIA in Auftrag gegebenen Gutachten sowohl Verstöße gegen die Berufsfreiheit gewerblicher Vermieter als auch gegen die grundgesetzlich gewährleistete Vertragsfreiheit der Mietvertragsparteien festgestellt. Dem Land Berlin fehle auch die entsprechende Gesetzgebungskompetenz.

ZIA-Vertreter Karoff forderte deshalb den Berliner Senat auf, „sich ebenso gesetzeskonform zu verhalten, wie er dies beispielsweise auch von den Wohnungsunternehmen verlangt“. Die skurrile Aussage stammt nun ausgerechnet von einem Lobbyisten, dessen Branche aus Gründen der Renditeorientierung von wirtschaftskriminellen Handlungen durchsetzt ist (vgl. auch BIG Extra, Mai 2019, Seite 33-35). Präsident Mattner wiegelte in Erwartung entsprechender Vorwürfe bei seinem Eröffnungsvortrag des Immobilientags vorsorglich ab: Nur wenige „schwarze Schafe“ in der Branche seien identifizierbar, die Mehrheit verhielte sich „verantwortungsvoll“.

Nach außen Unzufriedenheit mit der Politik zu dokumentieren, gehört zum Lobbygeschäft. Der Auftritt des CDU-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Ralph Brinkhaus, beim Tag der Immobilienwirtschaft zeigte hingegen die tatsächlich symbiotische Beziehung von Politik und Wirtschaft. In seinem Grußwort zu Beginn der Veranstaltung bekannte er sich geradezu euphorisch zur Marktwirtschaft, gefolgt von einer unmissverständlichen Absage an alle „Verstaatlichungsphantasien“.

Joachim Maiworm lebt in Berlin und ist aktiv in der Berliner MieterGemeinschaft.

Geschäftsmethoden der Unterwelt

Unter dem Titel „Der Drogenboss und sein Konzern“ beschrieb Dennis Kremer in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung am 6. Juni 2019, wie die „Geschäftsmethoden der Unterwelt“ immer mehr denen der legalen Kapitalverwertung angeglichen werden, um noch erfolgreicher zu sein. Anlass ist das jetzt gesprochene Urteil eines New Yorker Gerichts gegen den langjährigen Chef des mexikanischen Sinaloa-Drogenkartells.

Joaquin Archivaldo Guzmán, wegen seiner geringen Körpergröße „El Chapo“ (der Kurze) genannt, sei „nicht einfach nur ein brutaler und gerissener Verbrecher“, sondern er habe seine kriminelle Organisation seit den 80er Jahren wie einen modernen Konzern geführt und es mit einem geschätzten Vermögen von einer Milliarde Dollar auf die Reichenliste des Magazins „Forbes“ geschafft: „El Chapo ist einer der erfolgreichsten Drogenbosse der Welt. Sein Reichtum rührt daher, dass er es wie kein zweiter verstanden hat, erprobte Methoden aus der normalen Geschäftswelt so weit wie möglich auf die Unterwelt zu übertragen.“

Den Drogenhandel könne man nur wirksam bekämpfen, schrieb Kremer unter Hinweis auf das Buch „Narconomics – Ein Drogenkartell erfolgreich führen“ von Tom Wainwright, „wenn man ihn als einen globalen Wirtschaftszeig betrachtet“.

Wieviel Profit in diesem Wirtschaftszweig generiert werden kann, macht Kremer an einem Beispiel deutlich: Für ein Kilogramm Kokain seien ungefähr 350 Kilogramm getrockneter Kokablätter im Gegenwert von 385 Dollar nötig. Das daraus gewonnene Kokain habe in Kolumbien einen Verkaufswert von 800 Dollar. Führe man es nach Mexiko aus, steige der Wert auf 2000 Dollar. Gelinge von dort aus der Export in die Vereinigten Staaten, sei es 14 500 Dollar wert. Über Mittelsmänner erreiche das Kokain irgendwann die einfachen Straßendealer und damit die Endkunden. Häufig werde der Stoff mit anderen Substanzen gestreckt, um größere Mengen zu verkaufen. Am Ende der Rechnung komme man auf einen Kilopreis von 122 000 Dollar, den der Konsument zahlen muss – also 122 Dollar je Gramm. Die Gewinnspanne ist sagenhaft: Von der ersten Stufe der Wertschöpfungskette bis zum endgültigen Verkauf beträgt die Steigerung etwas mehr als 30 000 Prozent.

So betrachtet, sei es „ökonomisch völlig rational, Drogengeschäfte zu betreiben“. Dementsprechend ist die Kokain-Produktion in Kolumbien 2017 auf ein neues Rekordhoch gestiegen und die Heroin-Produktion in Mexiko um fast 40 Prozent gewachsen. Auch die Absatzzahlen anderer Drogen wie Crystal Meth steigen. El Chapo habe stets auch neue Substanzen in seine Lieferketten integriert, um der Nachfrage gerecht zu werden.

Für den Transport in die USA habe sich El Chapo, der nach Aussage seiner Geschäftspartner, die im Gegenzug für mildere Strafen mit der Staatsanwaltschaft kooperierten, ein „begnadeter Logistiker“ ist, einiges einfallen lassen. Neben doppelten Wänden von Lieferzügen, die für den Transport von Öl gedacht waren, war seine „Meisterleistung“ der Bau von Tunnelsystemen unter der Grenze zu den USA: „Diese sind mitunter mit Schienen ausgestattet, mit elektrischem Licht und mit Pumpen, die gegen eindringendes Wasser eingesetzt werden können. Die genaue Lage vieler dieser Tunnel ist noch immer unbekannt.“

Um die nicht geringen Ausgaben für diese Operationen, für Waffen und Bestechungsgelder durch Einsparungen an anderer Stelle zu kompensieren, ließ sich El Chapo etwas einfallen:

„Guzmán war einer der ersten Verbrecher, der erkannte, dass sich Kosten sparen ließen, wenn man nicht jeden neuen Mitarbeiter fest an das Kartell band. Er setzt stattdessen auf ein Franchise-System, wie man es in der normalen Geschäftswelt etwa von McDonald’s kennt. Guzmáns Rivalen, die Mitglieder des Kartells ‚Los Zetas‘, wenden die Strategie ebenfalls an, sie haben sie sogar weiterentwickelt.

Das Ganze funktioniert so: Regionale Gangstergruppen dürfen im Namen des jeweiligen Kartells auftreten, gewissermaßen dessen Marke verwenden. Dafür müssen sie eine Abgabe zahlen, erhalten aber im Gegenzug häufig Waffen und eine militärische Kurzausbildung. Der Vorteil für die lokalen Gruppierungen liegt auf der Hand: Sie müssen sich nicht erst einen Namen machen. Der Vorteil für die Kartelle dagegen liegt neben den finanziellen Zuwendungen darin, dass sie mit ortskundigen Experten zusammenarbeiten – also nicht erst selbst mühsam das jeweilige Terrain erkunden müssen.“

Um sich Rückhalt in der Bevölkerung zu verschaffen, betreiben die mexikanischen Drogenkartelle eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit und verbessern ihr Image durch karitative Leistungen. Wie es in dem Artikel der FAS heißt, habe El Chapo in seiner Heimatregion die Krankenhauskosten vieler Armer übernommen und sogar Straßen bauen lassen.

„Auf diese Weise hat El Chapo das perfekte Drogenkartell geschaffen, dem nicht einmal seine eigene Verhaftung und die Auslieferung nach New York etwas anhaben konnten. Guzmáns Partner Ismael Zambada García soll die Geschäfte übernommen haben, nach Einschätzung amerikanischer Spezialisten laufen sie nach wie vor gut.“

Auch das entspricht genau dem, was bei legal arbeitenden Konzernen zu beobachten ist.

Quelle: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 16. Juni 2019

Fehlende Distanz – Julia Klöckner und der Nestlé-Konzern

 

„Bundesernährungsministerin Julia Klöckner ist das Kuscheltier der Lebensmittelindustrie“: Der spöttische Kommentar der taz (6. Juni 2019) bezieht sich auf ein Video auf Twitter, in dem sich die CDU-Politikerin neben einem Manager des Nestlé-Konzerns posierend darüber erfreut zeigt, dass das weltgrößte Lebensmittelunternehmen Zucker, Salz und Fett in seinen Fertigprodukten weiter reduzieren will. Klöckner steht nicht erst nach dem Video in der Kritik. Setzt sie doch auf Selbstverpflichtung der Hersteller, statt verbindliche Reduktionsziele vorzuschreiben, wie andere Staaten es längst praktizieren.

Ende des letzten Jahres hatte Julia Klöckner noch eine 30-seitige „Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie für Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten“ vorgestellt, in der es heißt: „Die Strategie schafft und stärkt Bedingungen für neue, innovative Ansätze in der Lebensmittelproduktion, um die Reduktionsziele zu erreichen. Damit wird nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der Lebensmittelwirtschaft insgesamt gefördert (…). Basis der Strategie bildet ein intensiver Dialogprozess, der in die Unterzeichnung einer Grundsatzvereinbarung zwischen Politik und Lebensmittelwirtschaft mündete. Darin erkennt die Lebensmittelwirtschaft erstmals an, Teil einer Lösung zur Erreichung einer ausgewogenen Energiebilanz und Verbesserung der Nährstoffversorgung der Bevölkerung zu sein und verpflichtet sich freiwillig dazu, messbare Beiträge zu leisten zur Förderung einer gesünderen Ernährung in Deutschland.“

Der Weg der freiwilligen Selbstverpflichtung bedeutet, dass Weltkonzerne wie Nestlé nach eigenem Belieben entscheiden, ob sie ihren Produkten weniger gesundheitsschädliche Stoffe beimischen, wenigstens in Fertigprodukten. Warum befürwortet die Ministerin eine solche unverbindliche Strategie? „Weil es Nestlé und Konsorten Geld kosten würde. Zucker ist ein billiger Rohstoff, auf den die Industrie ihre Kundschaft leicht konditionieren kann. Klöckner vertritt eben die Interessen der Industrie, nicht der Verbraucher oder der Gesellschaft.“ (taz, 6. Juni 2019)

Die Süddeutsche Zeitung kommentiert: „Dass es so weit kam, ist kein Wunder. Die Lebensmittel- und Getränkeindustrie betreibt mit die intensivste Lobbyarbeit aller Branchen. Ihre professionellen Einflüsterer sind in Brüssel und Berlin nicht nur zahlreich unterwegs, sondern auch finanziell gut ausgestattet und dem Vernehmen nach gut organisiert. Die größte Lobbyorganisation auf EU-Ebene nennt sich Food-Drink-Europe. Daneben schicken nationale Interessenverbände und Konzerne wie Nestlé zusätzlich eigene Lobbyisten los. Dass nun der Nestlé-Deutschland-Chef selbst bei der Ministerin auftauchte, findet der Konzern trotzdem nicht anrüchig, sondern als Zeichen dafür, dass man doch offen agiere. ‚Für uns ist es wichtig, transparent zu sein. Dazu gehört es auch, öffentlich darüber zu informieren, wenn wir uns mit einem Vertreter der Politik austauschen‘, sagt dazu ein Sprecher von Nestlé-Deutschland.“

Die öffentliche Sensibilität für das Thema Lobbyismus aber lässt hoffen. Das Video löste einen wahren „Shitstorm“ im Netz aus.

 

Quellen:

Jost Maurin, „Kuscheltier der Industrie“, taz, 6. Juni 2019
https://www.taz.de/Kommentar-Julia-Kloeckner-und-Nestle/!5598538&s=klöckner/

Markus Balser/Uwe Ritzer, „Der süße Reiz des Lobbyismus“, Süddeutsche Zeitung, 6. Juni 2019
https://www.sueddeutsche.de/politik/kloeckner-ernaehrung-gesund-lebensmittel-lobbyismus-1.4477633

Heftige Debatte über Enteignungs-Kampagne

Mindestens 55.000 Menschen sind bei Demonstrationen am 6. April 2019 in deutschen Städten gegen den „Mietenwahnsinn“ auf die Straße gegangen. Allein in Berlin protestierten nach Angaben der Veranstalter etwa 40.000 Personen. Im Fokus des öffentlichen Interesses stand in der Hauptstadt die Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“, die zum Start ihres Volksbegehrens zur Vergesellschaftung großer Immobilienunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen bereits über 15.000 Unterschriften sammelte. Insgesamt wären nach Angaben des Berliner Senats zehn Unternehmen mit rund 243.000 Wohnungen betroffen. Die Initiative zur Enteignung bezieht sich dabei auf Artikel 15 des Grundgesetzes.
Dort heißt es, dass „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel (..) zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft“ überführt werden können. Die Anwendung dieses Artikels wäre ein Novum, denn in der Vergangenheit gab es zwar immer wieder Enteignungen (z.B. für den Autobahnbau), eine Sozialisierung von Grund und Boden mit Mietshäusern bzw. von Immobilienunternehmen jedoch nicht. Die Unternehmen würden eine Entschädigung erhalten, über deren Höhe derzeit zwischen den wohnungspolitischen Akteuren und politischen Lagern gestritten wird. Unter anderem darüber, ob bzw. um wie viel sie niedriger als der Marktwert der Wohnungen ausfallen könnte. Die Initiative geht davon aus, dass je nach Berechnungsmethode zwischen 7,3 und 13,7 Milliarden Euro aufgebracht werden müssten, der Verband Berlin-Brandenburgische Wohnungsunternehmen (BBU) schätzt die Entschädigungskosten dagegen auf bis zu 36 Milliarden.

Das Berliner Volksbegehren löste im Anschluss an die Großdemonstration in der Hauptstadt eine Auseinandersetzung von Politiker/innen zur Enteignungsfrage aus. Schon zuvor war über Sinn oder Unsinn der Initiative vornehmlich in „linken Kreisen“ diskutiert worden. Bundeskanzlerin Merkel (CDU) hält die Enteignung von Wohnungskonzernen nach Angaben ihres Regierungssprechers Steffen Seibert „nicht für ein geeignetes Mittel zur Linderung der Wohnungsnot”. Für Bundeswirtschaftsminister Altmaier (CDU) ist die Enteignungsdiskussion „überflüssig wie ein Kropf“. Der CDU-Wirtschaftsrat kritisierte die Pläne als Griff in die „Mottenkiste des Sozialismus“. SPD-Generalsekretär Klingbeil sagte zur „Bild“, dass Bauen die Antwort auf die Wohnungsmisere sei, nicht dagegen Enteignungen. Auch SPD-Chefin Nahles will von Enteignungen nichts wissen. „Wir sollten Enteignungen als letztes Mittel nicht ausschließen“, widerspricht ihr der stellvertretende SPD-Vorsitzende Stegner: „Es gibt teilweise halbkriminelles Verhalten, bei dem die Not der Mieter ausgenutzt wird. In diesen Fällen muss der Staat Handlungsfähigkeit beweisen.“ FDP-Fraktionsvize Frank Sitta geht davon aus, dass die aktuelle Debatte über Enteignungen bereits private Investoren abschreckt und den Neubau von Wohnungen bremsen wird. FDP-Chef Christian Lindner pflichtet ihm bei und meint, dass gegen steigende Mieten nur mehr Wohnungen helfen „und nicht DDR-Ideen“. Für Bayerns Ministerpräsident Söder sind Enteignungen „nun wirklich sozialistische Ideen und haben mit bürgerlicher Politik nichts zu tun“.

Die Vorsitzende der Linkspartei Kipping dagegen will Immobilienkonzerne nicht nur enteignen, sondern setzt zusätzlich auch auf Beschlagnahmungen. Vorsichtiger äußerte sich der Grünen-Bundesvorsitzende Habeck. Er hält Enteignungen als letztes Mittel für denkbar, wenn etwa Eigentümer Baugrundstücke „aus Spekulationsgründen” lange brachliegen ließen. Sein Parteifreund, Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann hält dagegen die Debatten um Enteignung für „unsinnig“, denn solche Enteignungen müssten mit „gigantischen Summen“ entschädigt werden. Dieses Geld solle man besser in den Bau neuer Wohnungen stecken.

Die Berliner Mieterorganisationen positionieren sich unterschiedlich. Der Berliner Mieterverein unterstützt das Volksbegehren bzw. den angestrebten Volksentscheid (Pressemitteilung vom 18.2.2019), in Kreisen der Berliner MieterGemeinschaft äußern sich kritische und ablehnende Stimmen. Natürlich fasziniere die Vorstellung, dem Profitstreben großer Immobilienkonzerne durch einen Volksentscheid ein Ende zu setzen. Dennoch seien Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieses Volksbegehrens angebracht, so etwa der freie Journalist Rainer Balcerowiak im MieterEcho, der Zeitung der Berliner MieterGemeinschaft. Würde der Senat tatsächlich ein Landesgesetz zur Enteignung der börsennotierten Gesellschaften auf den Weg bringen, wäre dies wohl nur der Auftakt zu einer lang anhaltenden Kette von juristischen Verfahren bis hin zum Bundesverfassungsgericht oder gar dem Europäischen Gerichtshof. Mit eher bescheidenen Erfolgsaussichten, denn Besitz und Verwertung von Grund und Boden gehörten nun einmal zu den Kernelementen der kapitalistischen Gesellschaftsordnung. „Die Idee, diese Ordnung mit einem Volksentscheid auf Landesebene quasi aus den Angeln heben zu können, kann man bestenfalls als naiv bezeichnen. Deutsche Wohnen und andere Immobilienunternehmen agieren in einem Markt, in dem die Nachfrage das Angebot deutlich übersteigt, und in einem bundesgesetzlichen Rahmen, der riesige Spielräume für Mietpreistreiberei und Verdrängung ermöglicht. Beides wird mit diesem Volksbegehren nicht thematisiert, denn dem Nachfrageüberhang müsste mit einem kommunalen Wohnungsbauprogramm begegnet werden und für durchgreifende Änderungen des Mietrechts braucht es andere politische Mehrheiten im Bund.“

Unter dem Titel „Eigentum ist antastbar“ schreibt Stephan Kaufmann in einem Leitartikel der Wochenzeitschrift „der Freitag“: „In der Debatte um die Vergesellschaftung von Immobilienkonzernen lautet das gängige Gegenargument ‚Enteignung schafft keine neuen Wohnungen‘, was die FDP-Poeten griffig verkürzen auf ‚Wir müssen bauen statt klauen‘. Die Umdrehung des alten Spruchs ‚Privateigentum ist Diebstahl‘ soll vor Eingriffen in das Allerheiligste der Marktwirtschaft, das Privateigentum, warnen und Vergesellschaftung mit einem Verbrechen gleichsetzen. Das ist erstens irreführend, zweitens falsch und drittens lehrreich.“

Die nächsten Monate lassen weitere spannende Diskussionen über die Enteignung von Wohnungsunternehmen als Voraussetzung für bezahlbares Wohnen erwarten.

Quellen u.a.:
Berliner Zeitung, 8.4.2019; Neues Deutschland, 8.4.2019; taz, 6.4.2019; tagesschau.de, 9.4.2019; Junge Welt, 9.4.2019; MieterEcho, 397/August 2018; der Freitag, 11.4.2019

 

„Mafiöse Strukturen“ bei Paketzustellern

Die Diskussion um die Arbeitsbedingungen bei den Paketdiensten ist in voller Fahrt. Denn weltweit boomt der Onlinehandel, zigtausend Paketzusteller*innen – davon viele kurzfristig engagierte Arbeitskräfte aus Süd- und Osteuropa – arbeiten in der hart umkämpften Branche. Bereits Ende Februar kritisierte der Vorsitzende der Gewerkschaft ver.di, Frank Bsirske, dort vorherrschende „kriminelle Machenschaften“. Beim Paketversand hätten sich zum Teil mafiöse Strukturen etabliert, sagte Bsirske den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Unternehmen wie Hermes würden Firmen engagieren, die wiederum andere Firmen beauftragen, die dann Menschen aus der Ukraine, aus Moldawien oder aus Weißrussland in die Lieferfahrzeuge setzen. Lediglich Stundenlöhne von 4,50 Euro oder sechs Euro würden gezahlt – bei Arbeitszeiten von zwölf bis 16 Stunden pro Tag. Ver.di fordert deshalb auch in der Paketbranche die Einführung der sogenannten Nachunternehmerhaftung, die es bisher nur in der Bau- und in der Fleischbranche gibt. Damit wäre der eigentliche Auftraggeber für die korrekten Arbeitsbedingungen bei allen Subunternehmern verantwortlich. So sollen Verstöße gegen die Versicherungspflicht bei scheinselbständig beschäftigten Subunternehmern verhindert werden. Die auftraggebenden Paketdienste hätten in solchen Fällen die Sozialbeiträge nachzuzahlen.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) reagierte auf die kritischen Stimmen und plant aktuell, einen Gesetzentwurf vorzulegen, nach dem Zustelldienste für ihre Subunternehmer haften müssen, wenn Sozialversicherungsbeiträge bei diesen nicht einzutreiben sind. Bundeskanzlerin Merkel (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Altmaier (CDU) erteilten dem Vorstoß jedoch bereits eine Absage. Es sei jetzt nicht die Zeit für neue Belastungen der Wirtschaft, sagte Altmaier, selbst langjähriger Vertrauter der Bundeskanzlerin, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Quellen:
tagesschau.de, „Bsirske kritisiert ‘mafiöse Strukturen‘“ (23.2.19) https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verdi-paketzusteller-101.html
Junge Welt, „Bitte keine Bürokratie“ (29.4.19) https://www.jungewelt.de/artikel/353772.druck-für-paketzusteller-bitte-keine-bürokratie.html?sstr=paketzusteller
Süddeutsche Zeitung, Cerstin Gammelin/Benedikt Müller, „Gesetzentwurf: So will Heil den Paketboten helfen“ (27.4.19) https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/hubertus-heil-paketdienste-subunternehmer-1.4422873